Schritte aus der Armut – Unterwegs zwischen Heimat und nirgendwo – Die Betreuung von Asylsuchenden und Flüchtlingen ist eine vorrangige Aufgabe des Schweizerischen Arbeiterhilfswerks

Schritte aus der Armut – Unterwegs zwischen Heimat und nirgendwo – Die Betreuung von   Asylsuchenden und Flüchtlingen ist eine vorrangige Aufgabe des Schweizerischen Arbeiterhilfswerks

 

Nach  Schätzungen   der  UNO   sind  weltweit über  11  Millionen  Menschen unterwegs,  aus Gründen politischer,  rassistischer  oder religiöser Unterdrückung und Verfolgung, vertrieben durch Kriege oder durch zwingende wirtschaftliche Not, eine grosse Völkerwanderung der Entrechtung und des Elends. Dabei werden die reichen Länder des Westens, zu denen  auch  unser  Land  gehört, nur  gerade  bespült vom  grossen  Strom   der Entwurzelung: nur etwa 5 % der Asylsuchenden bitten in diesen Ländern um Zuflucht, um vorübergehende oder um dauernde – 95 % fallen den armen und ärmsten Ländern zur Last -, und  die Schweiz triftt wiederum nur ein kleiner Bruchteil davon, auch wenn es im  vergangenen Jahr  ein paar Tausende waren, genau 35’836. Bei den Aufnahmeverfahren und bei der Betreuung von Asylsuchenden und Flüchtlingen übernimmt das Schweizerische Arbeiterhilfswerk (SAH) spezifische Aufgaben.

Die  35′ 836  Männer  und  Frauen, die im vergangenen  Jahr  in  der  Schweiz  ihr Asylgesuch einreichten, stammen aus 59 verschiedenen Ländern in Europa, Afrika, Asien und Amerika, eine gemischte Gruppe Entwurzelter,  Gejagter  und  Vertriebener, die alle ihre Heimat hinter sich gelassen haben. “Asyl” bedeutet nicht Heimat, nur Freistatt, geschützter Ort, wo in der wortgeschichtlichen Bedeutung  –  der  Mensch “nicht beraubt” wird,  heisst  doch “sylan”  im Griechischen “berauben”.

“In der Flucht, welch grosser Empfang”

Asyl zu bieten,  könnte  man  meinen,  sei  ein Minimum für  diejenigen, die festen  Boden unter den Füssen und ein festes Dach über dem Kopf  haben. Aber dem ist nicht so.  Béatrice Bürgin, die seit 1987  den   SAH-Flüchtlingsdienst  leitet und damit auch alle regionalen  Beratungs-  und  Betreuungsstellen für Aylsuchende und für Flüchtlinge koordiniert, stellt in der  Schweiz auf Behördenseite eine deutlich abnehmende Bereitschaft  fest, die Asylgesuche  wohlwollend zu prüfen, und bei der breiten Bevölkerung  ein wachsendes Misstrauen den Fremden gegenüber, die für vorübergehende Zeit auf die Sicherheit unseres Landes angewiesen  sind.

“In der Flucht / welche grosser Empfang unterwegs, / eingehüllt / in der Winde Tuch”,

schrieb die Dichterin Nelly Sachs,  als sie vor etwas mehr als 50 Jahren selbst auf der Flucht war  zwischen  Heimat und nirgendwo, und sie beendete das Gedicht mit der lapidaren Feststellung, die auch für die   heutigen Asylsuchenden  gilt:

“An Stelle von Heimat / halte ich die Verwandlungen / der Welt”.

Erklären die “Verwandlungen der Welt” die ablehnende Haltung in der Asylpolitik?

Kennt  Beatrice Bürgin die Gründe für die misstrauische und ablehnende Haltung in der Asylpolitik, die sich nun bis zum militärischen Grenzeinsatz gegen Flüchtlinge gesteigert hat? Weiss sie, warum  Asylsuchende von der Schweiz wie feindliche Angreifer und Angreiferinnen zurückgewiesen  werden?

Die    Leiterin des SAH-Flüchtlingsdienstes meint, dass eine ständige latente Fremdenangst, die mit der schweizerischen Kleinräumigkeit zusammenhänge, nun durch wirtschaftliche Aengste multipliziert  würde. “Doch diese Aengste werden geschaffen und mächtig  aufgebauscht”,  sagt  sie, “misst  sich doch der – immer noch sehr geringfügige – wirtschaftliche Rückgang bei uns  am  völlig übertriebenen    Wachstum der vergangenen Jahre”. Sie meint, dass diese  Aengste  nur durch ständige Aufklärungsarbeit korrigiert werden können.  “Behörden und Bevölkerung müssen begreifen, dass Asylsuchende und Flüchtlinge uns nicht ärmer machen, zumal gerade die wirtschaftliche Not in einigen Herkunftsländern, die sie zum Aufbruch ins Unbekannte bewegt, durch unsere Wirtschaftspolitik   mitbedingt  ist.  Im übrigen kommen Asylsuchende und Flüchtlinge  für den grössten Teil ihres Unterhalts  selbst auf. Bisher konnten sie nach drei Monaten Arbeit annehmen, eine Frist, die nun auf fünf Monate verlängert werden soll”.

Ohne wohlwollende Begleitung kann  niemand die Eintrittshürden nehmen

Für  Asylsuchende ist die Schweiz ein Land voller sprachlicher und juristisch-formaler Hürden, die sie ohne wohlwollende  Begleitung kaum  bewältigen können. Etwa 120 Männer und Frauen stellen sich als Vertreter und Vertreterinnen des Schweizerischen Arbeiterhilfswerks bei den Befragungen der Asylsuchenden durch die Fremdenpolizei in den Kantonen Basel, Bern, Zürich, Graubünden Tessin und Schaffhausen zur Verfügung, oft mehrmals pro Woche – im vergangenen  Jahr bei  2′ 3113 Befragungen  – , kontrollieren die Korrektheit und Vollständigkeit des Verfahrens und stehen für die Rechte der zumeist eingeschüchterten Fremden ein,  zum Beispiel für  das Recht, in ihrer Muttersprache befragt zu werden oder wenigstens  die  Hilfe  eines  Uebersetzers  oder einer Uebersetzerin in Anspruch nehmen zu können. Die Hilfswerkvertreterinnen und – vertreter   handeln dabei nicht aus eigenem Gutdünken, sondern erfüllen einen gesetzlich genau definierten Auftrag.

Sprachkenntnisse   sind   eine   der   wichtigsten Befähigungen

Das Schweizerische Arbeiterhilfswerk ist der Ueberzeugung, dass Sprachkenntnisse für Asylsuchende zu den wichtigsten und nützlichsten Befähigungen  gehören,  ob hier in der Schweiz oder in ihrem Herkunftsland.  Aus diesem Grund hat das SAH an verschiedenen Orten der Schweiz Sprachkurse eingerichtet, Deutsch  in  der  deutschen  Schweiz,  Italienisch im Tessin, aber auch Türkischkurse zur Alphabetisierung  oder Weiterbildungvor allem von Frauen, die häufig, insbesondere  wenn sie aus ländlichen  Gegenden stammen,  kaum mehr als ein paar wenige Schuljahre absolviert haben.  Die Erfahrung hat gezeigt, dass durch die  Möglichkeit  zu  verstehen  und  sich auszudrücken, ein Teil der ängstigenden Fremdheit und der damit verbundenen Missverständnisse, die durch Fehlverhalten und    Kommunikationsbarrieren entstehen, abgebaut werden  kann.  Trotzdem  steht immer noch “ein Meer von Einsamkeiten  still, wo wir anklopfen”, heisst es bei Nelly Sachs,  auf ihre damalige  Situation  gemünzt wie  in Vorwegnahme der heutigen Lage der Asylsuchenden.

Beratungsstellen  leisten Aufklärungsarbeit nach zwei Seiten

Die Beratungsstellen, die von den Hilfswerken, darunter  dem SAH, bei den Empfangsstationen an der Grenze eingerichtet wurden,  um den Asylsuchenden im Dschungel der Vorschriften zu helfen, stehen zugleich auch  der  Schweizerischen  Bevölkerung  offen. Dabei  geht  es  immer  um  Vermittlungsarbeit zwischen  Unkenntnissen hüben  und  drüben, jener der Ankommenden in Bezug auf die Gepflogenheiten und rechtlichen Bestimmungen bei uns, und jener der Einheimischen in Bezug auf das Verhalten und die Rechte der Fremden.

Es geht aber auch um zusätzliche Aufklärung, über die konkreten Verständigungsengpässe hinaus. So erklärt etwa der SAH-Koordinator in Ramsen (Schaffhausen), Markus Plüss, in einer öffentlichen Verlautbarung, dass der Militäreinsatz an der Schaffhauser Grenze auch “echten” Flüchtlingen die     einzige Einreisemöglichkeit in  unser Land versperre. Auf Grund seiner genauen Kenntnis der Lage hält   er  fest, dass eine sogenannt “legale” Einreise  in  die  Schweiz  für  Asylsuchende in der  Praxis  gar  nicht möglich sei,  höchstens vielleicht in  Begleitung  eines  Rechtsanwalts, dass daher eigentlich alle Asylsuchenden  über die  grüne  Grenze  einreisen.   “Doch  darüber wird  meistens geschwiegen”, sagt  Markus Plüss. “Man   muss  jedoch   bedenken,   dass neben den  vielen  hängigen  und  abgelehnten Asylgesuchen im Kanton Schaffhausen seit Anfang 1988 sieben Flüchtlinge einen positiven Entscheid erhalten haben und somit in der Schweiz bleiben können.  Alle sieben sind ‘illegal’  in die Schweiz eingereist”.

Der SAH-Koordinator betont, dass der Armeeeinsatz sich gerade auch gegen jene asylsuchenden Männer und Frauen richte, die Chancen auf Anerkennung hätten. Mit dem “Krieg  gegen die Flüchtlinge” sei die Schweiz daran, den letzten Rest ihrer humanitären Tradition zu verlieren.

Auch anerkannte Flüchtlinge brauchen Betreuung

Nicht selten  dauert es drei bis vier Jahre, bis ein Asylgesuch von Bundesamt für das Flüchtlingswesen  als  erledigt erklärt wird. Falls Asylrecht gewährt wird, haben die – nun “anerkannten”   –  Flüchtlinge  das Recht, bis zum abgelaufenen fünften Jahr ihres Aufenthaltes  in  der  Schweiz  den Fürsorgedienst eines   der Hilfswerke in Anspruch zu nehmen. Häufig geht es dabei vor allem um Bedürfnisse psychischer Betreuung, haben doch viele Flüchtlinge qualvolle Erfahrungen  hinter sich,  Verfolgung, Verlust von Angehörigen, Misshandlungen und Folter, Leben im Untergrund und peinigende  Angst vor der Rückschaffung  – vor allem immer das Gefühl,  hilflos irgendwelcher undurchschaubaren Macht ausgeliefert zu sein und  als Individuum und Person  jeden  Wert verloren zu haben.

Béatrice Bürgin erklärt,  dass insbesondere die psychische Betreuung von minderjährigen Asylsuchenden  und Flüchtlingen noch stärker ausgebaut  werden  könnte,  dass  gerade  diese besondere  Hilfe  brauchen,  um  traumatische Erfahrungen überwinden zu können.  Eine der Projektstellen des SAH im Tessin befasse sich vorrangig mit dieser Aufgabe.

“Europa     1992”      strebt    ein     einheitliches Asylrecht an. Wo steht die Schweiz?

Wenn 1992 in Europa alle Binnengrenzen fallen werden –  ausser derjenigen  Länder, die nicht zur EG gehören – sollen  dafür die Aussengrenzen umso mehr  verstärkt  werden. Das bedeutet, dass die Asylsuchenden in allen EG-Ländern nach den gleichen gesetzlichen Bestimmungen “behandelt”   werden.  “Das Drama”, sagt Béatrice Bürgin,  “besteht  darin, dass die Harmonisierung der Rechtsgrundlagen im Sinn  der grösstmöglichen Restriktionen vorgenommen werden, das heisst nach dem tiefsten gemeinsamen Nenner. Wenn dies nicht wäre, könnte man die Koordination der Asylrechtsverfahren  und  -bestimmungen  als positiv begrüssen, werden doch damit zum Beispiel  willkürliche  Abschiebungen  von einem Land ins andere verunmöglicht.”

Den  schon  bestehenden  europäischen Abkommen im Einreise- und Asylbereich – dem   Abkommen  von  Dublin vom 15 Juni 1990,  von 11 EG-Staaten unterzeichnet,  aber noch von keinem Staat ratifiziert, sodann dem Schengener  Abkommen  vom 19.Juni 1990, von den Benelux-Staaten, Frankreich und Deutschland, nachträglich noch von Italien unterzeichnet, ebenfalls  noch nicht ratifiziert – kann die  Schweiz ohne EG-Mitgliedschaft nicht beitreten. Sie prüft allerdings, ob sie dem Dubliner-Abkommen, das die Bestimmungen des  Erstasyls  regelt,  durch  ein Zusatzabkommen beitreten könnte.

“Wichtig ist”,  sagt Béatrice Bürgin,  “dass die Arbeit  mit  den Asylsuchenden und Flüchtlingen in deren   Sinn   geschieht,   das heisst im Sinn echter Hilfe, ob diese die Gewährung des Asylrechts bedeute oder Hilfe bei der Rückkehr ins Heimatland. Nie darf auf dem Rücken der  Schwächensten  Machtpolitik betrieben werden,  die dazu dient,  die Starken noch stärker zu machen. Dafür setzt sich das Schweizerische Arbeiterhilfswerk ein, darin besteht sein Beitrag in der Diskussion um die zukünftige Schweizerische Asylpolitik.”

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