Das Leiden der wehrlosen Kinder – Marina Frigerio. Verbotene Kinder

Das Leiden der wehrlosen Kinder 

 

[1] Marina Frigerio. Verbotene Kinder. Die Kinder der italienischen Saisonniers erzählen von Trennung und Illegalität. Aus dem Italienischen von Barbara Sauser. Vorwort von Franz Hohler. 2014 Zürich, Rotpunktverlag. 184 Seiten. Fr. 29.-

 

Auf Grund von Armut und Arbeitslosigkeit in Sizilien, in Apulien oder im Friaul nahmen in den 1970er Jahren junge Männer und junge Frauen Arbeits- und Lebensbedingungen in der Schweiz auf sich, die für Schweizer und Schweizerinnen nicht zumutbar gewesen wären. Später kamen unter den gleichen Bedingungen junge Erwachsene aus Spanien, aus Portugal und aus dem ehemaligen Jugoslawien hinzu, so wie heute aus Polen und aus weiteren Gebieten Europas oder anderer Kontinente, die je nach Bedarf als Arbeitskräfte zu erscheinen und wieder zu verschwinden haben. Die saisonalen Verträge missachteten vollumfänglich die privaten Rechte der Menschen, ihre familiären Bindungen und Verpflichtungen. Weder die Schweizer Behörden noch die Arbeitgeber kümmerten sich um die Mädchen und Knaben, die unter diesen Bedingungen elternlos und fremdbetreut im Herkunftsland, oder irgendwie versteckt in der engen Unterkunft ihrer Eltern in der Schweiz mit schwersten psychischen Leiden aufwuchsen. Marina Frigerios Buch ist eine Sammlung erschütternder Kurzberichte von Kindern selber wie von Erwachsenen, die sich der Kindheit unter den Bedingungen, unter denen sie leben mussten,  erinnern.

Dank menschenrechtlich engagierter politischer und gewerkschaftlicher Bemühungen ergaben sich in einigen Kantonen Verbesserungen im Schulsystem, zum Teil selbst für „Papierlose“. Doch die menschenverachtende Grundhaltung des alten Saisonnierstatus wiederholt sich in den sich vorweg verschärfenden Gesetzen im Asyl- und Ausländerrecht wie im Zivilrecht, nun durch das Abstimmungsresultat vom 14. Februar 2014 „gegen die Masseneinwanderung“ auch im Wirtschaftsrecht. Fremdenfeindlichkeit und Profitgier verengen zunehmend selbst die Lebensbedingungen von Schweizer Kindern. Kann dadurch auf breiter Ebene endlich verständlich werden, dass Grundbedürfniss und Grundrechte für alle Menschen die gleichen sind?

 

 

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