Muttergöttinnen, Lebensahninnen, Mutter (5. Kapitel Erbschaften ohne Testament)

Muttergöttinnen, Lebensahninnen, Mutter

 

„O der Befruchter wie viele

im Himmel und über der Erde –

Sieh das Getümmel!

Glaubst du, es werde

stehen die steinerne Mühle?

 

Glaubst du, es werde am Rocken

der Norne[1] das Liebesgarn schütter,

oder im Horne

Demeters[2] bitter

einmal das Fliessende stocken?

(…)

Höre den Wind im Gewölbe

und wolle nach anderm nicht fragen,

Schwärmer und Polle.

Wird er verschlagen – –

Und er ist immer derselbe!“[3]

 

Welche der drei Nornen Elisabeth Langgässer meint, erläutert sie nicht, es bleibt offen. Vermutlich spricht sie von Verdandi, die für das Werdende im Augenblick des Jetzt verantwortlich ist, oder von Skuld, die das Werdensollende der Zukunft steuert. Wohl kaum ist es Urd, die mit dem Gewordenen der Vergangenheit vernetzt ist. Zusammen leben alle drei an den Wurzeln der Esche Yggdrasil und spinnen die Faden der Zeit.

Für Elisabeth Langgässer boten die Mythen, die griechischen und römischen wie die nordischen über die alt-isländische Völuspá[4], Bilder für die hautnah erlebte  Erfahrung von Entstehen und Wachsen, Gefährdetsein und Sichklammern, Verwelken und Vergehen. Kräuter, Gräser und Blumen erschienen ihr ebenso verwandt wie die kleinsten Insekten oder wie die Fische, Hunde und Löwen.

Ihre eigene Geschichte versetzte sie mitten hinein in das  Undurchschaubare von Geborensein und Werden, von stetem „Dennoch“, wie sie irgendwo festhielt und wie sie durch ihr Schreiben bekundete. Es war ein worthungriges Erforschen und Beteuern des eigenen Lebenswerts, vielleicht  wortgespinnstisch ein Überdecken oder Ausfüllen des Gefühls von Versagen, von mangelndem Mut, ja von Schuld. Wer anders als sie hätte den Abstransport ihrer erstgeborenen Tochter Cordelia nach Theresienstadt und nach Auschwitz verhindern können? Von deren Überleben erfuhr sie erst Jahre nach dem Krieg[5].

Sie suchte Zuflucht beim Laubmann, dem  Menschengesicht aus Blütenteilen, Früchten und Blättern“[6], das ihr Gedichte zu schreiben ermöglichte, von denen „jedes mit dem Tanzschritt eines Gottes anfängt, und ich weiss am Anfang nie, wohin ich geführt werde. Nur wer mich entführt – das weiss ich“[7]? Oder diente dazu Proserpina[8], in deren Namen sie 1932/33 in einer Erzählung ihre Kindheit und Jugend festhielt, mit der sie auch die Geschichte Cordelias verkleidete? –  oder Daphne, eine der Töchter Gaias, mit deren Bild sie eines ihrer letzten Gedichte schrieb, mit sich selber in Ruhe wie die Nymphe, die, von Apollon liebestoll verfolgt, sich in den Lorbeerbaum verwandelte? Es geht um die Wegfindung von den Anfängen des Erdenlebens bis hin zum Abschluss im Sterben.

„Du siehst, wo sich der Waldhang weitet,

die Espen zitternd niederwehn,

dem Brand des Himmels hingebreitet,

von Gras und Habichtskraut begleitet,

die ähnlich in den Winter gehen.

 

Doch auch das Dunkel einer Mauer,

wenn sie am Saum der Städte lebt,

berührt oft ihrer Krone Schauer,

an dem du dieser Zeiten Trauer

ermissest, da sie grundlos bebt.

 

Sie wurzelt mühsam im Gerölle,

das sie verfolgt, indem es hält –

und vor Begrenzung, Mass und Kelle

flieht Daphne in das Laubgefälle

und steht am Rande unserer Welt.“[9]

 

Mythen – „was nirgends geschah und immer war“, wie im Vorwort zu Elisabeth Langgässers Gedichtband steht, diese vor Tausenden von Jahren schon erzählten und zu ungleichen Zeiten erstmals im Osten, im Mittelmeergebiet, im Norden irgendwo schriftlich festgehaltenen Überlieferungen sind die ältesten Quellen von Ahnung über die Art und Weise, wie Menschen das Unerklärbare von Leben und Tod, von Licht und Dunkelheit zu deuten versuchten. Sie sind eine Fundgrube für psychoanalytische Deutungsarbeit. Unmissverständlich zeigt sich die stete Abhängigkeit von der Urmutter Erde. In der griechischen Mythologie heisst sie Gaia, „der Götter älteste, die ewig unerschöpfliche Erde“[10], und später Demeter, Tochter des Kronos und der Rhea, eine Schwester und Geliebte von Zeus, die weise Verantwortliche für die Fruchtbarkeit im Meer und auf der Erde. Aus dieser Abhängigkeit wuchsen Verehrung und Verpflichtung gegenüber ihren Geboten, im vorgeschichtlichen Griechenland zugleich Religion und Ordnung des Zusammenlebens.

Homers[11] und Hesiods[12] Werke geben zu verstehen, wie erdnah und menschennah die Präsenz des Göttlichen in der ältesten Epoche der griechischen Kultur war, doch auch wie allmählich die Macht von Erkennen und von Begehren, d.h. die Schöpfungs- und Zerstörungskraft von Denken und triebgelenkter Gewalt die Theogonie auf den Olymp hob, zugleich aber mit dem menschlichen Entscheiden und Handeln im Erdendasein vernetzt liess. Das Göttliche wurde in Griechenland nicht in die Sphäre des rein Geistigen abgehoben, wie dies in den monotheistischen Glaubenszusammenhängen geschah, zeitweise in den ägyptischen, bleibend in den hebräischen und später in den christlichen, jedoch auch in den persischen und indischen. „Es hat nie einen Glauben gegeben, für den das Wunder, das heisst die Durchbrechung der Naturordnung, eine so geringe Rolle unter den göttlichen Offenbarungen gespielt hätte wie für den altgriechischen. (…) Und doch vollzieht sich kein Vorgang, ohne dass das Bild der Gottheit, die dahinter steht, sichtbar würde. Aber in dieser unerhörten Nähe des Göttlichen verläuft alles auf natürliche Weise.“[13]

Alles Werden und Sein – das Animalische, das Pflanzliche und das Menschliche – blieben in der griechischen Welterklärung zugleich erdhaft und göttlich, wenngleich mit Parmenides[14] gegen Ende des 6. Jahrhunderts v. Chr. ein Schritt vom vielfältigen Erkenntniszusammenhang der naturnahen Erfahrung weg ins rein Geistige geschah, ein Schritt, der nicht mehr rückgängig gemacht werden konnte. Er führte in den Wahrheitsanspruchs des logischen, abstrakten Denkens, das in die Virtualität von Wissen und in deren beherrschende Macht mündete, unter welcher Mensch und Natur zu technisch manipulierbaren Objekten globaler Gewinnrechnungen wurden.[15] Doch darüber später.

Gehen wir nochmals in die Anfänge der Erzählung menschlicher Geschichte zurück, zu einem Bereich, der wichtige religions- und gesellschaftsgeschichtliche Aspekte beinhaltet: Das grösste Geheimnis, das in den frühen Kulturen der Jungsteinzeit, im Neolithicum [16], und in der Bronzezeit[17] mit der Macht der „Grossen Göttin“ einherging, war die Mutterschaft, das Gebären, das Leben überhaupt, das im Erdmutterschoss entsteht und in ihn zurückkehrt. Leben und Tod waren untrennbar mit der göttlichen Erde und dem von ihr abhängigen Erdendasein alles Lebendigen verbunden, und die Erde selber – die Ebenen mit den Wäldern, mit den steilen Gebirgen, mit Flüssen, Seen und Meeren – war verbunden mit dem Licht von Mond und Sonne, mit dem Funkeln der Sterne und dem Tau der Nacht, mit Wind und Regen.

Die Erklärungsmöglichkeiten waren für die Menschen begrenzt. Allmächtig und somit göttlich war die Natur selber. „Die Götter hatten tierhafte Erscheinungsformen, ihr Sein war mit Bäumen, Pflanzen, Gewässern, mit Erde und Erdformationen, mit Wind und Wolken aufs innigste verbunden. Sie wohnten nicht im Himmel wie die Olympischen Götter, sondern auf und in der Erde.“[18] Nicht der männlichen Zeugungskraft, sondern der Tatsache des Lebens, das aus dem Leben hervorgeht, der Mütterlichkeit, kam während Jahrtausenden der höchste Rang an Verehrung zu. Dass in der christlichen Kultur Maria die göttliche Muttergestalt blieb, war Fortsetzung ältester Kulturen.

Als 1861 Johann Jakob Bachofen durch die Erforschung dieser ursprünglichen Einheit und Stärke der dem Mütterlichen zugewandten Religiosität sein Buch über „Das Mutterrecht“[19] publizierte, erregte er Aufsehen, sowohl Staunen und Begeisterung wie Abwehr und  Infragestellung der „wissenschaftlichen Genauigkeit“. Es ging um eine Infragestellung der patriarchalen Macht, die unanfechtbar sein sollte. Zwar war diese erst mit dem Vordringen der wandernden patriarchalen Stämme aus dem Osten und Nordosten in den ursprünglich matriarchal geprägten europäischen Kulturen rings ums Mittelmeer erschienen, doch mit der Ausbreitung der Schrift, mit dem wachsenden Wahrheitsanspruch des abstrakten Denkens sowie mit der aus dem Judentum gewachsenen, ins Geistige transzendierten und zugleich ausschliesslich die Männlichkeit in deren Lehre und Gottähnlichkeit beachtenden christlichen Religionen wurden die hierarchisch patriarchalen Gesellschafts- und Herrschaftssysteme in ganz Europa verankert.

Auf den ursprünglichen Vorrang der matriarchalen Göttlichkeit nicht nur im griechischen Festland und auf den Inseln des Mittelmeers, sondern ebenso im vorrömischen Italien wie in den isländischen und irischen, walisischen und skandinavischen Religionen verweist auch Robert von Ranke-Graves[20]. Das religiöse System sei in diesen Kulturen auffallend ähnlich gewesen, insbesondere in der Verehrung der Mondgöttin sowie von deren Töchtern und Söhnen. „Das vorgeschichtliche Europa kannte keine männlichen Götter. Die ‚Grosse Göttin’ allein wurde als unsterblich, unveränderlich und allmächtig betrachtet. Der Begriff Vaterschaft war noch nicht in die religiöse Gedankenwelt aufgenommen worden. (…) Die Menschen fürchteten die Stammesmutter, beteten sie an und gehorchten ihr; der Herd, den sie in einer Hütte oder einer Höhle hütete, war das Zentrum frühesten gesellschaftlichen Lebens. (… ) Der zunehmende Mond, der Vollmond und der abnehmende  Mond erinnern an die drei Lebensabschnitte der ‚Matriarchin’: Mädchen, Nymphe[21] und Altes Weib. Da der Jahreslauf der Sonne in ähnlicher Weise an den Anstieg und Abfall ihrer Kräfte erinnert – Frühling das Mädchen, Sommer die Nymphe und Winter das Alte Weib – wurde die Göttin mit den jahreszeitlich bedingten Veränderungen im Tier- und Pflanzenreich identifiziert. Später konnte sie noch als eine andere Triade erkannt werden: das Mädchen der oberen Luft, die Nymphe der Erde sowie des Meeres und das Alte Weib der Unterwelt, verkörpert in Selene, Aphrodite und Hekate. Diese mystischen Analogien führten zur Heiligkeit der Zahl drei. (…) Wer sie verehrte, vergass niemals ganz, dass es nicht drei Göttinnen gab, sondern eine. Auf dem arkadischen Stymphalos[22], einem der wenigen erhaltenen Altäre aus dem klassischen Zeitalter Griechenlands, tragen sie alle den gleichen Namen: Hera.“[23]

Ohne Zweifel nimmt  das Mütterliche, überhaupt das Weibliche „ in dieser erdgebundenen Religion die erste Stelle ein“, betont Walter F. Otto, „doch das Männliche fehlt nicht, ist aber dem Weiblichen untergeordnet“[24]. Auch Gaia, die Erdmutter, wurde von Uranos, dem feuchtigkeitsspendenden Nachthimmel, dem Sohn und zugleich dem Gatten, nach jedem Sonnenuntergang von neuem liebevoll umfasst und beschützt. Unter den verschiedenen griechischen Schöpfungsmythen, auf welche Ranke gesondert eingeht – den pelasgischen, den homerischen und orphischen, die sich annähernd decken, den olympischen, ferner den zwei philosophischen, von denen der eine auf Hesiod beruht, der andere erst von Ovid mit den Metamorphosen in Verbindung mit dem babylonischen Gilgamesch überliefert wurde -, unter diesen Mythen nahm allerdings bald der olympische, in stärkerem Mass patriarchale Mythos den Vorrang ein. Ein klares Beispiel findet sich in der Entstehungsgeschichte der Göttin Athene, die – zwar Kind der Göttin Metis, die für Rat und Sinn zuständig war und die als Schwangere von Zeus, der sie begattet hatte, verschlungen worden war – als „Tochter des gewaltigen Vaters“ aus Zeus’ Haupt geboren wurde, wie Homer erzählt, oder: selber dem Scheitel ihres Vaters entsprang, wie Hesiod in der Theogonie schildert.

In den göttlichen Zeiträumen, das heisst in der Zeitlosigkeit des Göttlichen, die in den menschlichen Zeitabläufen, in welchen die Mythen entstanden, mit Namen und schöpferischen Heldentaten angefüllt wurden, wurde Hera aus der Dynastie der Titanen, Enkelin von Gaia und von Uranos sowie Tochter von Rhea und von Kronos, zugleich Schwester wie Ehefrau von Zeus, auch Schwester von Demeter, zur Muttergöttin der Tiergeschöpfe wie des ganzen Pflanzen- und Erntebereichs erklärt. Sie war die Schwester von Hestia, der Göttin des Herdes, wie von Hades, dem Gott der Unterwelt, und ebenso von Poseidon, dem Gott der Quellen, der Flüsse und des Meeres, der gemäss einem alten arkadischen Mythos Demeter, die als Stute erschien, in Rossgestalt befruchtete. Gemäss Hesiod soll sich Poseidon auch mit Medusa, der „Waltenden“, gepaart haben, auch sie eine der Erdgöttinnen, aus welcher nach deren Enthauptung durch Perseus die zwei Söhne Chrysaor, „der mit dem Goldschwert“, sowie Pegasos, das „Blitzross“, entsprungen seien.

Die Erwähnung von Heras Bruder Poseidon und dessen Liebesaffaire mit Medusa sowie jene der Enthauptung Medusas durch Perseus, dem Sohn der Danaë und des Zeus, führen mitten hinein in den weit verzweigten Mythos um die mütterliche Göttlichkeit des Mondes wie in die menschlich-göttlichen Turbulenzen der zugleich olympischen und irdischen Begierden, Beziehungsgeschichten und deren vielfältigen Folgen. Die Geschichte Danaës ist dafür ein packendes Beispiel.  Sie war von ihrem Vater Akrisios, dem König von Argos, in ein bronzenes Gefängnis eingesperrt worden, das er von Hunden bewachen liess, nachdem er vom Orakel erfahren hatte, ein Sohn seiner Tocher werde ihn töten. Tatsächlich hatte sich der Göttervater Zeus in Danaë verliebt. Um sie in ihrem Gefängnis zu erreichen, verwandelte er  sich in einen Goldregen und ergoss sich so über sie. Auf diese Weise wurde Perseus gezeugt. Doch mit der Geburt von Perseus stand Akrisios erst recht vor dem Problem der Weissagung, vor welcher er sich zu schützen suchte. Er setzte Danaë und ihr Kind in einem Weidenkörbchen aufs Meer aus. Zeus, der in seiner Göttlichkeit davon Kenntnis hatte, verhinderte mit Hilfe seines Bruders Poseidon, dass Mutter und Kind Schaden nahmen. Sie wurden auf der Insel Seriphos an Land gespült und von Diktys, einem Fischer und Hirten, aufgenommen. Dieser – und wenig später Perseus selber – schützten Danaë auch vor den Übergriffen von Diktys’ Bruder, dem König Polydektes. Um Perseus loszuwerden, verlangte Polydektes von ihm, dass er ihm das Haupt von Medusa bringe. Doch Perseus erstarrte bei diesem Auftrag nicht zu Stein, wie Polydektes erhofft hatte, sondern kehrte mit deren Haupt erfolgreich zurück. Es war Polydektes, der versteinert wurde, als er Medusa erblickte. Diktys aber bekam von Perseus die Herrschaft zugesprochen über die Insel.

Deutlich lässt sich erkennen, wie nah die Kulturen rings ums Mittelmeer ineinander und miteinander vernetzt waren. Im Mythos von Zeus‘ Goldregen, den Danaë empfängt[25], findet sich ein archaisches Bild der Vereinigung des männlichen Sonnengottes Atum aus der ägyptischen Mythologie wie jener des griechischen Helios – einem Sohn der Titanen Hyperion[26] und Theia[27], die selber Kinder von Gaia und Uranos waren[28] – mit der weiblichen Mondgöttin Selene, einer der zwei Schwestern[29] von Helios. Zeugungskraft und Gebärfähigkeit waren in den Anfängen menschlicher Kultur unerklärbar göttlich, bis die geschlechtliche Bedürftigkeit, Begierde und Lust als Teil des Naturhaften erklärbar wurde und die Übertragung vom Göttlichen ins Menschliche geschah.

Die mythologischen Verwandtschaften gehen noch weiter. Danaë in ihrem mehrfachen Verschwinden und Wiederauferstehen wird zur Nachfolgerin Selenes, der Göttin des Mondes, deren Zyklus sie widerspiegelt. Im Weidenkorb ausgesetzt zu sein und über das Meer gerettet zu werden, all dies enthält Parallelen zum ägyptischen Mythos von Isis und Horus, aber auch zur biblischen Geschichte Moses‘. Jungfräulich bringt sie ihr Kind zur Welt und steht somit nah der jungfräulichen Mutterschaft Marias, beide durch die Verbindung des menschlich Mütterlichen im Erwarten, Gebären und Aufziehen eines Kindes, dessen Vater in geheimnisvoller Göttlichkeit verschwiegen bleibt.

Wie untrennbar auch in der Olympischen Mythologie die Tiergeschöpfe von den Göttinnen und Göttern in Menschengestalt blieben, weisen zahllose Beispiele nach. Vergessen wir nicht: „Fabula docet“ – die Fabel lehrt, sie warnt und erklärt, führt immer wieder zurück in eine Zeit, in welcher die nahe Verwandtschaft von Mensch, Pflanze und Tier noch vertraut war[30]. Zu den erschütterndsten und grausamsten gehört die Geschichte von Zagreus, einem weiteren Sohn des höchsten Göttervaters: In Gestalt einer Schlange hatte Zeus seine Tochter und zugleich Nichte Persephone in einer Höhle aufgesucht und sie geschwängert. Dem Kind Zagreus sollte wegen Zeus’ Liebe zu Persephone das göttliche Erbe zugesprochen werden. Hera war ob der Gleichstellung von Zagreus mit den eigenen Kindern vor  Eifersucht masslos erzürnt und schwor, sich seiner zu entledigen. Zeus bemühte sich, Zagreus in einer Höhle durch die Kureten, neun mächtige Dämonen, bewachen zu lassen, die ihn selber als Kind vor der Wut seines Vaters Kronos geschützt hatten, doch Hera gelang es, Zagreus’ Aufenthalt ausfindig zu machen. Sie überredete ihre Titanengehilfen, dass sie den Knaben verlocken sollten, die Höhle zu verlassen. Zuerst boten sie ihm Äpfel an, damit er sich in eine Frau verwandeln könnte, dann stellten sie ihm in Aussicht, dass er alle Tierlaute verstehen würde, schliesslich hielten sie ihm einen Spiegel vor. Durch dieses dritte Angebot wurde Zagreus betört. Indem er sich selber erblickte, vergass er die Gefahr. Obwohl er sich noch in einen Löwen sowie in einen Stier verwandelte, wurde er von den Titanen zerstückelt, in einem Kessel gebraten und verzehrt[31]. Als Zeus davon Kenntnis bekam, wurde er so erbost, dass er die Titanen mit seinen Blitzen in Staub verglühen liess, der mit den Resten des verschlungenen Zagreus in die Urmutter Erde fiel und dort mit dem herabströmenden Regen zu Schlamm wurde. Aus diesem Schlamm bildete Prometheus den Menschen. So erklären sich sowohl die guten Eigenschaften, die der Mensch von Zagreus erbte, wie die bösartigen der Titanen. [32]

Verpflichtungen, die eine oder andere Erbschaft zu erfüllen, waren offenbar kaum bekannt, bis durch die Entwicklung der orphischen Kultur zugleich eine Vergeistigung und lebensnahe  Umsetzung der verschiedenen Mythologien angestrebt wurde. Damit einher ging ein Streben, die gewalttätigen titanischen Erbschaften im Menschen zum Verschwinden zu bringen, unter der Annahme, dies könne geschehen, wenn der Mensch bereit sei, sich zu reinigen sowie gemäss der Dionysischen Rituale und der Gebote der Ehrfurcht zu leben. Rebstock und Rebe, die als Erben von Zagreus-Dionysios galten, sowie die betörende Kraft des Weins waren Teil der Verehrung.[33]

„Des Bakchos[34] jauchzende Amme,

Hippa[35] rufe ich an,  (…)

Höre auf mein Flehen!

Erdenmutter und Königin, (…)

Eile den Feiernden zu!

Lasse dein Antlitz leuchten in freudiger Lust.“[36]

 

Das Rauschhafte, das mit dem Kult von Dionysos Bakcheios einherging – Bakchos ist ein Gott und zugleich ein ekstatischer Anhänger des Gottes – wurde vermutlich seit Ende des 6. Jahrhunderts v. Chr. vor allem in den kolonialen Randgebieten Griechenlands im heutigen Südrussland (Gegend von Olbia) wie auf den süditalienischen Inseln in einer Art religiösen Geheimbundes von Frauen und Männern gefeiert. Die Verehrung von Dionysos, dem neu zum Leben erwachten Zagreus, beruhte in erster Linie auf dem Glauben an die allumfassende Abhängigkeit menschlichen Lebens vom Göttlichen und gleichzeitig auf der Ehrfurcht vor allem Lebendigen[37].

Als Anhänger des Dionysos-Kultes galt auf besondere Weise Orpheus, der als Sohn von Apollon[38] und der Muse Kalliope[39] mit seiner wunderbaren Musik, seinen Epen und Hymnen als Prophet verehrt wurde. Durch seinen Gesang und das Spiel der Lyra, die er durch seine Geschicklichkeit geschaffen hatte – nicht nur die Lyra, sondern auch die Kithara – suchte Orpheus die dionysische Verehrung zu verinnerlichen. Als König der Thraker hat er vermutlich um 800 v. Chr. tatsächlich gelebt. Seine Geschichte ist tragisch und voller Heldentum, schuldfrei und ergreifend.

In der spätrömisch- frühchristlichen Zeit wurde Orpheus als göttlich-menschlicher Vorbote Jesus’ gedeutet und verehrt, insbesondere durch Clemens von Alexandria[40].  Auch von Orpheus wurde geschildert, er habe die Winde und die Tiere gebändigt, auch er war in die Welt der Toten abgestiegen und wieder auferstanden. „Wenn er sang, flogen die Vögel aus Wald und Feld herbei, nahten die wildesten Tiere friedlich und legten sich ihm zu Füssen, floss das Wasser der Bäche herzu und brachte die Fische vor ihn, ja Felsen und Bäume wanderten, wie mit Füssen begabt, einher, seinem Liede zu lauschen.“[41]

Als Sänger hatte Orpheus an der Seereise der Argonauten nach Kolchis teilgenommen, zusammen mit Kastor und Polydeukos, mit Herakles, Theseus und einem Dutzend weiterer Heroen, in deren Mitte Jason war, dem Medea[42], die thrakische Fürstentochter und Heilerin, zum Besitz des erstrebten Goldenen Vlies verhalf. Nach seiner Rückkehr nach Thrakien vermählte sich Orpheus mit der Baumnymphe Eurydike, die er zutiefst liebte. Doch wenig später, auf der Flucht vor dem übergriffigen Aristaios, starb sie durch den Biss einer Schlange.  Orpheus rächte sich nicht am Täter[43], sondern folgte der Geliebten in die Unterwelt, vermochte mit seinem Saitenspiel, Kerberos an der Pforte zum Schweigen zu bringen und sowohl Hades wie Persephone zu überzeugen, dass Eurydike ihm wieder ins Leben folgen durfte. Persephones‘ Bedingung, dass Orpheus sich nicht nach ihr umwenden dürfe, vergass er in seinem Empfinden von Glück – und verlor sie für immer.

In einer der orphischen Hymnen wird Mnemosyne angefleht –   eine der Töchter von Uranos und Gaia, Titanin und Göttin der Erinnerung, gewissermassen Orpheus’ Grossmutter, die, während neun Nächten von Zeus geliebt, Mutter der neun Musen wurde, unter ihnen Orpheus’ Mutter –, ja Mnemosyne  wird angefleht,  Besinnung und Gedanken zu wecken und vor allem jegliches Vergessen zu verhindern. Sie war für Orpheus Vorbild und Masstab gewesen, diejenige „die den Gedanken sinnstörender Täuschung abwehrt und jeglichen Geist – den Hausgenossen des Menschen – mit der Seele zusammenhält.“[44]  So wurde eine bedeutende Erkenntnis, die von Generation zu Generation neu erarbeitet werden muss, vielleicht erstmals vermittelt: Besinnung wecken und Vergessenheit abwehren heisst bewusst leben.

War dies im dionysischen Taumel, den Orpheus zu verändern suchte und vor welchem er floh, möglich? Er flehte Mnemosyne als Schützerin der „kraftvollen, starken Vernunft“ an. Seine Gesänge verbanden das Wissen um die Sinnesfreuden mit Bitten um Mass und um Erfüllung der lebenswichtigen Bedürfnisse, selbst um den Schlaf und um das Ertragenkönnen der eiskalten Winterstürme. In seinen Bitten wandte er sich ehrfurchtsvoll  an weitere erdnahe, göttliche Gestalten: an die wohlgesinnten Moiren, die Spinnerinnen des Lebensfadens, wie an die gefürchteten, zürnenden und vergeltenden Erinyen resp. Eumeniden, doch auch an die Schwestern seiner Mutter, die Musen, und an den ziegenfüssigen Pan, den Hirtengott, den Beschützer der Herden.

In den orphischen Ritualen sollen Rauchopfer von Gewürzen, von Myrrhen, von Safran und von Styrax, von Weihrauchmanna und Libanonmanna den Gesängen vorausgegangen sein und das gleichzeitig Lustvolle und Heilige der Naturverbundenheit verdeutlicht haben, das nicht durch Masslosigkeit verloren gehen durfte, sondern mit der pflichttreuen Lebensführung und der Verehrung der göttlichen Kräfte eins sein sollte. Doch an erster Stelle waltete für Orpheus Zeus auf der Erde. „Die Gottheit hält Anfang und Ende und Mitte von allem. Zeus das Haupt, Zeus die Mitte, aus Zeus aber ist alles geschaffen“[45]. Die höchste Verehrung galt daher Zeus, doch gleichzeitig nicht weniger der in den Nächten weltbeschützenden Selene, der weisen Mondgöttin:

„Höre mich, göttliche Königin,

lichtspendende, hehre Selene,

Mene[46], mit Hornschmuck der Stiere geziert,

Nachtwandelnde, die in Lüften schweift,

Fackelträgerin, nächtlicher Mond,

sternenfreundliche Jungfrau,

wachsend und schwindend, männlich und weiblich,

Mildleuchtende, Freundin der Rosse,

Fruchtspenderin, Mutter der Zeit;

schimmernde, herzbeschwerende,

allüberstrahlende Späherin der Nacht,

allsehende Freundin fehlenden Schlafes,

übersäht von der Schönheit der Sterne,

Freundin erquickender Ruhe

und des freundlichen Wohlgeschicks!

Hellschimmernde, Hörnerträgerin,

holdblickende Wonne der Nacht,

Sternfürstin, vom weiten Gewande umhüllt,

Läuferin des Kreises, allweise Jungfrau:

Komm, Selige, Freundliche, Sternenfreundin,

rette, schimmernd im Lichte

deiner neuen Schützlinge Schar!“[47]

Schützlinge der griechischen Göttinnen und Götter waren die Menschen, von diesen zutiefst abhängig, doch ebenso verantwortlich fürs eigene Handeln. Von grösster Bedeutung waren dabei die Verpflichtungen gegenüber den Familienangehörigen im näheren wie im weiteren  Sinn, insbesondere die Hilfe gegenüber den Darbenden und Schutzlosen, gegenüber den Irrenden und den Fremden. Es war eine Ethik vor jeglicher philosophischen Begründung, eine naturnahe Verpflichtung gegenüber dem Wert des Lebens. Gemäss Walter F. Otto hat „diese Verpflichtung nichts mit Menschenliebe oder Selbstlosigkeit zu tun. Sie gründet sich auf keine Anschauung oder Lehre, sondern allein auf die elementare Überzeugungs- und Verbindungskraft der Lebensnot.“[48] Ging es dabei um jene Ordnung des Zusammenlebens, die, wie es in der Erzählung aus dem Schwarzen Amerika deutlich wird, der Tierwelt zugeschrieben wurde, indem diese aus der Kenntnis der je besonderen Bedürfnisse und Nöte Distanz und Nähe geregelt hatte? Doch der Respekt vor den Nächsten wie vor den Fremden, diese „elementare Überzeugungs- und Verbindungskraft der Lebensnot“ zwischen den Menschen, stand und schwankte auf einer prekären Basis, war doch das Unheilvolle von Neid und Rache eine ebenso starke Realität, selbst im Zusammenleben der Götter. Es wirkte zugleich die Erbschaft der Titanen wie die stete Macht göttlicher Fügung.

Bei allem Wissen um Grenzen, die dem Handeln gesetzt sind, auch um Verderben und Schaden, die geschaffen werden, „kommen Augenblicke, wo dies Bewusstsein verdunkelt wird oder völlig verlöscht. Dann gerät der Mensch in Schuld und Verhängnis. In der altgriechischen Kultur war jedoch die Blendung, so wie alles Entscheidende, ein Werk der Gottheit.“[49] „Blendung“ wurde nicht als persönliches Versagen des Menschen im entscheidenden Moment des Handelns gedeutet, nein, sie geschah durch das Einwirken einer –  vielleicht unheilvollen – göttlichen Macht. Diese konnte wohl ratend einen klügeren Entscheid beeinflussen, wie es sowohl in der Ilias wie in der Odyssee immer wieder geschildert wird, doch der Mensch – selbst Odysseus – war abhängig von diesem Rat. Auf jeden Fall erschien die Eigenverantwortung des Willens in der vorsokratischen Zeit als etwas Unvorstellbares, ja Überhebliches. Die unerklärbare Triebkraft des Unbewussten, die Macht des Begehrens, auch  jene des Gestaltens und Zerstörens wie die Klugheit der Vernunft beruhten im damaligen Empfinden auf göttlichem Einfluss. Dabei hatte die unmittelbare Verwandtschaft mit dem Menschlichen und dem Animalischen für das Göttliche nichts Entwürdigendes, und für die Menschen nichts Verhängnisvolles, im Gegenteil. Das Gute und das Böse waren  einbezogen in die göttlich verwaltete Natur.

In der mythologischen Gläubigkeit fanden die Menschen jener Zeit einen Halt, der selbst das Wissen von Unglück oder Schuld erträglich machte. Mit dem Mythos der Pandora[50] – der „Gabenreichen“ oder „Allbeschenkten“ – , den Hesiod in Werke und Tage ausführlich schildert, den er auch in der Theogonie erwähnt, fand sich eine Erklärung für das Erfreuliche wie für das Belastende, die in die Anfänge des Menschengeschlechts zurückführte. Brauchte es mehr? Schon früh wurde Pandora mit der biblischen Eva gleichgesetzt. Doch während Eva durch ihren Wissenshunger das göttliche Verbot zu wissen überging und aus diesem Grund als Verursacherin menschlichen Unheils erklärt wurde, war bei Pandora die Verführungskraft der Schönheit schuld am Verhängnis. „Hesiod bezeichnet den  äusseren Menschen als Fessel, mit dem Zeus Prometheus gebunden hat. Nach dieser Fessel sendet er ihm eine andere Fessel, Pandora, die die Hebräer Eva nannten“.[51]

Offenbar setzte in der griechischen Kultur tatsächlich mit der Olympischen Epoche, d.h. unter dem Einfluss der vordringenden vorderasiatischen Kulturen, sowohl das Liebesspiel wie der Machtkampf der Geschlechter ein, nun mit dem Streben nach patriarchaler Herrschaft. Doch selbst mit Hesiods Frauenbild, das sich im Mythos der Pandora ins Negative wandelte, blieb das menschliche Schicksal mit der göttlichen Vorgeschichte vernetzt, die zeitlos war und weiter wirkte. Vorausgegangen war Prometheus’ Mut mit dem Raub des Feuers, das den Menschen jegliches handwerkliche und technische Können ermöglichte, darauf folgte Zeus’ Wut und kunstvoller Racheplan mit dem Konstrukt der Pandora und ihrem prall gefüllten „pithos“, zu deren lieblichem Gelingen alle Göttinnen ihren Teil beigetragen hatten, und schliesslich geschah mit Epimetheus’ Betörbarkeit jener Akt der Aneignung und Öffnung des geheimnisvollen weiblichen Gefässes, in blinder Missachtung von Prometheus‘, seines Bruders, Warnung. Dass alle Leidenschaften, das Leiden wie die Lust, dass alle Übel wie Arglist und Neid, alle Schmerzen von Körper und Geist sich daraus lösten und sich nicht mehr halten liessen, war, gemäss der griechischen Mythologie, die Folge strafenden göttlichen Wirkens zu Beginn des menschlichen Daseins.

Für Sigmund Freud bestand kein Zweifel, dass mit Pandoras „pithos“, wie immer die Übersetzung gewählt wurde, der weibliche Körper gemeint war, entsprachen für ihn in der Traumdeutung doch Dosen, Schachteln, Kästen, Schränke, Öfen, aber auch Höhlen, Schiffe und alle Arten von Gefässen den runden und eckigen, langen, schmalen und breit geräumigen Frauenkörpern. Damit stimmt zum Teil auch Karl Kerényi’s Deutung von Pandora überein, die für ihn die „gabenreiche“, grosse Erdgöttin[52] darstellt, die üppige Weiblichkeit. Doch nicht allein um den „pithos“ resp. die Körperlichkeit geht es, sondern um die viel kompliziertere Tatsache, dass Pandora in Hesiods Mythos nicht mehr aus dem geheimnisvoll Weiblichen des Erd- und Naturhaften besteht, wie sie als Tochter Gaias erschiene, sondern dass sie ein männlich-göttliches „Kunstwerk“ ist, d.h. ein durch die männliche Phantasie – im Machtkampf zwischen Vater Zeus und Sohn Prometheus – geschaffenes physisches Produkt und Objekt, ein geniales Konstrukt, das die Begierde weckt. Als künstliches Werk kann es jedoch nicht anders als von zeitlicher Begrenztheit sein.

So stellt sich die Frage, ob das ursprünglich Erdnahe von Werden und Sein, von Leben und Tod sich mit Pandora ins Tragische zu wenden begann. Dem war nicht so in den Anfängen, trotz der hinterhältigen Absicht, die Zeus dadurch offenbarte. Das ursprünglich Gute der göttlich-menschlichen Nähe war nicht auflösbar, es setzte sich fort. Darauf besteht der Mythos. Selbst bei der Flüchtigkeit der Güter, die sich durch Epimetheus’ Neugierde und Besitzeswunsch, den männlichen Zugriff, in alle Winde verteilten und zum Schaden verkamen, blieb im Gefäss ein Gut erhalten, unverlierbar für immer,  somit für das ganze Menschengeschlecht: „elpis“ – die Hoffnung. Die Hoffnung ist das kostbarste Gut.

Wird nicht neu verständlich, was Nelly Sachs meinte und wovon sich eine Spur auch bei Paul Celan findet, bevor in ihm die Hoffnungslosigkeit überhand nahm, wenn deren Gedichte nochmals gelesen werden? Die Hoffnung macht das Vergangene tragbar, doch insbesondere nimmt sie dem Unbekannten, das bevorsteht, das Schwere. Wird dadurch besser verständlich, was Hoffnung bedeutet?

Hoffnung ist eine Kraft. Doch welche Art Kraft ist Hoffnung? Sie ist nicht eine Knochen- und Muskelkraft, nicht eine hormonelle oder intellektuelle  Kraft, nicht eine herkunftsbedingte oder kulturell geschaffene Kraft, nein. Hoffnung hat auch nichts mit Absicht und Willen zu tun, durch welche der Mut gelenkt und gestärkt wird, diese kreative Kraft, die Intellekt und Emotionen vereint. Als Kraft gehört die Hoffnung zu den grössten physikalischen Geheimnissen im menschlichen Dasein. Sie ist eine aus sich selber wirkende seelische Kraft, eine Energie, die sich still offenbart, vielleicht frühmorgens beim erneuten Erleben von Tau und Sonnenaufgang oder mit der Wiege des Neumonds, die anwächst und sich verstärkt, selbst wenn sie durch die Zeitgeschichte verwundet oder zertreten wird.[53] Vielleicht ist sie tatsächlich, wie der Mythos anklingen lässt, unvergängliches Erbe längst vergangenen Vertrauens in ein umfassendes Geborgensein des menschlichen Lebens im Göttlichen – trotz Prometheus‘ Aufbäumen, trotz List und Rache von Zeus, trotz Epimetheus’ unklugen Übergriffs, auch trotz Evas Wunsch nach Kenntnis der Früchte des Baums.

Die Frage stellt sich daher, ob die Hoffnung allein dem Menschen eigen ist? Somit nicht den Tieren und nicht den verwurzelten Gewächsen? Ist es so, weil diese schuldlos blieben? Ist Hoffnung letztlich der Trost für den menschlichen Verlust des Unwissens und der Unschuld? Hat mit der Hoffnung Pandora Eva die Hand gereicht?

Vielleicht am stärksten spürbar ist Hoffnung beim Anblick des kleinen Kindes. Da ist das ganze Leben gesammelt in den Anfängen, völlig rein, in Erwartung des Aufblühens. Die Sinne werden sich öffnen, die Wahrnehmungen Kenntnisse vermitteln, die Empfindungen werden erwachen, Lächeln und Weinen. Neugierde wird anwachsen, Laute und Klangsilben werden erprobt, zunehmend Worte und Sätze, Fragen und Erkunden,  allmählich Wissen, doch mit dem Wissen auch Enttäuschungen, Unruhe und Schmerz. Und wieder bleibt die Hoffnung, die im Menschen zutiefst verborgene, nach vorne weisende, tragende Kraft.

So mag in den Anfängen meine Mutter die Hoffnung erlebt haben. Auf ihre Herkunft war sie stolz, unbestreitbar in ihrem Wertgefühl, wenn sie den inneren Blick zurück richtete, doch nach vorne gewandt war dieser verhangen von weiblichen Verhaltensidealen und von Unkenntnis des Widerstandes, im späteren Erleben von Einschränkungen, von Enttäuschungen und Verlusten, die zunehmend Ängste schürten. Wie schon bei ihrer Mutter nahmen diese überhand, liessen die Kraft der Hoffnung ermatten, forderten genaueste Regelbeachtung im Zeitablauf oder im Bezahlen von Rechnungen und überliessen das Unbekannte der Melancholie.

In den Anfängen ihrer Ehe war eine geheime Kraft in ihr stets neu erwacht, trotz des bei der Geburt verstorbenen ersten Sohns und trotz des Verlusts der eigenen  Mutter wenig später, trotz schwerer Geburten in den Kriegs- und Nachkriegsjahren, Hoffnung bis zum achten Kind als erneuerbare Kraft der Erwartung, die eines Morgens oder Nachts sich erfüllt, und, kaum erfüllt, sich wieder erneuert, sich nährt mit Gebeten und stetem Gedenken an jedes einzelne Kind in seinem vielfach gefährdeten Wachstum, in der glückshungrigen Entfaltung der Kräfte in den von Dornen und Fallstricken durchwachsenen Lebenszyklen. Nur annähernd findet sich Antwort auf die Frage, was den Verlust der Hoffnung bei meiner Mutter bewirkt hatte, damit den allmählich einsetzenden, doch plötzlich erfolgten Tod. Und trotzdem bleibt als grosse Erbschaft von ihr – seit Pandora – an mich seit meinem Beginn die Hoffnung, die als verborgenes Kraftnetz weiter wirkt, täglich begleitend meine Töchter und Söhne, die Grosskinder, die Nächsten und Fremden, ja selbst das eigene pochende Herz.

 

[1] Die drei  Nornen sind Teil der isländischen Mythologie, Schicksalgöttinnen, analog zu den griechischen Moiren und den römischen Parzen.

[2] Das älteste Bild von Demeter auf einer griechischen Vase, der dreifachen Muttergöttin (Göttin der Saat, der Gerste und der Jahreszeiten), einer Schwester und Gelieben von Zeus, zeigt sie in schwarzem Mantel und mit Pferdekopf, doch immer auch wird sie mit Bienen, deren Schutzgöttin sie ist, mit Blumen und Gersten dargestellt. Das Horn ist Gefäss für Wasser und Wein, das in Demeters Hand der Lebenskraft dient.

[3] Elisabeth Langgässer (23. 02. 1899 – 25. 07. 1950). Gedichte. Tierkreisgedichte. Ausgang. Claassen Verlag 1959, S. 109

[4] Unklar ist, zu welcher Zeit erstmals die Völuspá schriftlich festgehalten wurde, möglicherweise erst um 1000 n. Chr., als grosse Ängste um das Ende der Welt ganz Europa beherrschten. Gemäss der Überlieferung war es die Seherin Völva, die die Gesänge diktiert hatte, doch wann sie lebte, ist nicht bekannt. – Die Völuspá findet sich im Codex Regius der Lieder-Edda als der ältere Teil der Edda.

[5] Elisabeth Langgässer kam als Tochter einer katholischen Mutter und eines jüdischen Vaters, der starb, als sie 10 Jahre alt war, mitten hinein in die deutsche Geschichte des I. Weltkriegs, der Zwischenkriegszeit und des Nationalsozialismus, des II. Weltkriegs und der Nachkriegsgeschichte. Sie selber wurde als nicht-arische Deutsche geächtet und ihre 1929 geborene Tochter Cordelia, deren Vater der Staatsrechtler Hermann Heller war, musste als „Volljüdin“ den Judenstern tragen. Um sie zu schützen konnte eine spanisch-belgische Adoptionsfamilie gefunden werden, doch sie konnte nicht mehr  aus Deutschland ausreisen und wurde mit 15 Jahren nach Theresienstadt und Ausschwitz deportiert..Nach der Befreiung gelangte sie nach Schweden und konnte ihre Mutter erstmals 1949 wieder sehen. Die drei Töchter aus der späteren, 1935 geschlossenen Ehe mit Wilhelm Hoffmann überlebten in Deutschland. Seit 1942 trat schubweise die Multiple Sklerose bei Elisabeth Langgässer auf, an deren Folgen sie mit 51 Jahren starb. – Zur genaueren Lebensgeschichte: Sonja Hitzinger. Elisabeth Langgässer. Eine Biografie. 2099, vbb Verlag für Berlin-Brandenburg.

[6] Langgässer 1959, S. 16 – Der Laubmann und die Rose ist eine der ersten Nachkriegsgedichtsammlungen, die sich in Gedichte (1959) finden (S. 112-148)

[7] Langgässer 1959, S. 9

[8] Proserpina in der römischen Mythologie (Persephone in der griechischen) stellt die dem Gott der Unterwelt (Pluto resp. Hades) vermählte Titanin dar, als Tochter von Zeus und dessen Schwester Demeter und als Mutter von Zagreus zugleich Göttin der Fruchtbarkeit wie des Todes (cf. später).

[9] Langgässer 1959, S. 222

[10] Walter F. Otto. Die Götter Griechenlands. Das Bild des Göttlichen im Spiegel des griechischen Geistes. Verlag G. Schulte-Bulmke. Frankfurt a.M. 1961 (6. Auflage 1970), S. 29. – Das Zitat bezieht sich auf den Chorgesang der  Sophokleischen Antigone (337) aus dem Jahr 442 vor Chr.

[11] Angaben zu Homer (gr. Homeros – Geisel, abgeleitet von „ho me horon“ auch der nicht Sehende), auf den die grossen Epen Ilias und Odyssee mit grösster Wahrscheinlichkeit zurückgehen (im ionischen Dialekt des Altgriechischen verfasst, von Aristrachos von Samos, dem bedeutendsten griechischen Philologen – geb. ca. 216 v. Chr., gest. 144 v. Chr. – geordnet und bezüglich der gleichen Autorschaft bestätigt), beruhen  bezüglich der Herkunft und Lebenszeit auf Vermutungen (ca. 850-800 v. Chr., eventuell ca. 750-700 v. Chr.)

[12] Hesiod lebte um 700 v. Chr. in Askra, einem ärmlichen Ort in Böotien, vermutlich als Ackerbauer. Ihm sind die grossen Lehrgedichte Werke und Tage zu verdanken, über die Entwicklung der Weltzeitalter vom Goldenen über das Silberne, das Bronzene, dasjenige der Heroen – u.a. Odysseus, Achilles, der Trojanische Krieg – zum Eisernen, seiner eigenen Zeit, das wegen seiner Verrohung zur bäuerlichen Arbeit und zum redlichen Leben zurückfinden sollte, sowie die Theogonie über die Entstehungsgeschichte der Erde mit allem Lebendigen sowie über die Götter.

[13] Walter F. Otto 1961, S. 12. – Walter F. Otto verweist auf die Nähe zum ursprünglichen Vermögen der Menschen, das Göttliche in der Natur selber sehen, das sich u.a. auch bei Goethes Faust findet, der am Ende eines Werdegangs zur Erkenntnis gelangt, deren Erfüllung für ihn Wunsch bleibt:

„Könnt’ ich Magie von meinem Pfad entfernen,

die Zaubersprüche ganz und gar verlernen,

stünd’ ich, Natur! vor dir, ein Mann allein,

da wär’s der Mühe wert, ein Mensch zu sein.“

[14] Parmenides von Elea (in Süditalien) lebte vermutlich von 540/535 v. Chr. bis 483/475 v. Chr., ein Schüler von Xenophanes, wie auch Zenon von Elea und Melissos. Er wurde von Platon „Vater“ genannt, beruhte doch Platons Wahrheitsanspruch für die Ideenlehre massgeblich auf Parmenides’ Lehrgedicht Über das Sein, in welchem festgehalen wurde, dass  „Denken und Sein dasselbe ist“ (cf. Hermann Diels. Die Fragmente der Vorsokratiker. Weidmann Verlag 1974. Bd. I, S.217 – 246 / 231.

[15] Paul Feyeraband (1924 – 1994). Naturphilosophie. Herausgabe und Vorwort von Helmut Heit und Eric Oberheim. Verlag Suhrkamp, Frankfurt a.M. 2009 – Paul K. Feyerabend, ein bedeutender zeitkritischer und wissenschaftsanalytischer Denker des eben vergangenen Jahrhunderts, hat die Tragik der damit verbundenen naturwissenschaftlichen Erkenntnisprozesse aufgearbeitet; sie erscheinen 13 Jahre nach seinem Tod zum ersten Mal.

[16] (gr. „lithos“ – Stein): vor ca. 7’500 Jahren mit dem Wechsel von den Jägern und Sammlern zur Kultur der Bauern mit zunehmender Tierzucht und Pflanzenpflege.

[17] Bronze ist eine Legierung aus ca. 90% Kupfer und ca. 10% Zinn. Mit dieser Metallverarbeitung begann gegen Ende des 3. Jahrtausend v. Chr. bis etwa vor Beginn des 1. Jahrtausend v. Chr. eine neue Ära des Handels wie der Methode der Eroberungen und Kriege.

[18] Walter F. Otto 1961, S. 14

[19] Johann Jakob Bachofen. Das Mutterrecht. Eine Untersuchung über die Gynaikokratie der alten Welt nach ihrer religiösen und rechtlichen Natur. Erstausgabe im Verlag Krais und Hoffmann, Stuttgart 1861. – Unter dem gleichen Titel eine Auswahl, herausgegeben von Hans-Jürgen Heinrichts. Suhrkamp Verlag, Frankfurt a.M. 1975.

[20] Robert von Ranke-Graves 1960, S. 12 ff

[21] Karl Kerényi erklärt „nymphe“ als „weibliches Wesen, durch das ein Mann zum „nymphios“, das heisst zum glücklichen, am Ziel seiner Männlichkeit angelangten Bräutigam wird. Die Bezeichnung gebührte einer Göttin ebenso wie einem sterblichen Mädchen.“ (Karl Kerényi. Die Mythologie der Griechen. Deutscher Taschenbuch Verlag,  München 1966. Bd. I, S. 141)  – Ungleich war für die Griechen allerdings die Sterblichkeit oder Unsterblichkeit der Nymphen. Unsterblich waren die Nereiden, wie das Meer, in welchem sie hausten. Doch die anderen Nymphen, ob allein oder in der Zahl drei, die zu Quellen oder Gewässern, zu Wiesen, Wäldern oder einzelnen Bäumen gehörten, waren sterblich wie diese. Bei Hesiod findet sich eine Art Berechnung der Lebensdauer der Nymphen: „Neun Menschenalter lang lebte die geschwätzige Krähe, ein Hirsch so lang wie vier Krähen, drei Hirschenalter erreicht ein Rabe, neun Rabenalter eine Palme und zehn Palmenalter (erreichen) die schönhaarigen Nymphen, die Töchter des Zeus“ (Karl Kerényi 1966, S. 142)

[22] Stymphalos ist der Name eines Sees mit gutem Quellwasser, jedoch ohne Ablauf auf einer fruchtbaren Hochebene im Nordosten des Peloppones.

[23] von Ranke-Graves 1960, S. 13

[24] Otto F.Walter 1961, S. 30

[25] Vermutlich geht das Märchen von Rapunzel bis auf den Danaë-Mythos zurück.

[26] altgr. „hyper“ – droben, darüber hin; „ion“ – der Gehende

[27] Theia oder Thia wurde auch Basileia genannt, immer „die Göttliche“.

[28] Später, in der Olympischen Zeit, wurde der Sonnengott allerdings nicht mit Zeus, sondern mit dessen Sohn Apollon verehrt, Zeus’ Sohn aus der Verbindung mit Leto, einer Tochter der Titanengeschwister Koios und Phoibe. Apollon war der Zweitgeborene der Zwillingskinder, zu dessen Geburt Artemis als Erstgeborene behilflich war, kamen doch auf Grund von Heras Eifersucht gegenüber Leto diese Kinder unter schwersten Bedingungen auf der von Poseidon für sie geschaffenen Insel Delos zur Welt. Als  – vorgängig zur Geburt – auf dem Fluchtweg Bauern auf Heras’ Befehl der durstigen Leto das Wasser ihres Sees verweigert hatten, waren sie durch Zeus, den Leto um Hilfe angefleht hatte, in Frösche verwandelt worden.

[29] Die zweite Schwester von Helios war Eos – in der römischen Mythologie Aurora -, die Göttin der Morgenröte, des neu erwachenden Tages.

[30] Marion Giebel. Tiere in der Antike. Von Fabelwesen, Opfertieren und treuen Begleitern. Theiss Verlag & Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2003. S.79. – Die Fülle ältester Tiergeschichten Da ist u.a. Argos, der als Hund Odysseus begleitet, ferner der Ergmantische Eber (cf. Fussnote 5), die Chimaira als Mischwesen mit den drei Köpfen des Löwen, der Ziege und der Schlange, ferner eine Menge Meeresungeheuer. Zeus offenbart sich gegenüber Hera als Kuckuck und zeugt dabei Hebe, Ilithya, Arge, gemäss Homer auch Hephaistos sowie gemäss Hesiod Ares; als Adler gegenüber Asteria, als Stier gegenüber Europa (mit den Kindern Minos, Sarpeda und Rhadamanthys), als Schwan gegenüber Leda (mit den Zwillingssöhnen der Dioskuren Kastor und Polydeukos/Pollux), nochmals als Schwan gegenüber Leda (auch Nemesis) mit der Zeugung von Helena, als Schlange gegenüber Persephone, die Zagreus zur Welt bringt.

[31] Da das Kind Zagreus immer mit Hörnern dargestellt wurde, diente die Opferung von Zicklein und Kälbern der Erinnerung an das Leiden dieses göttlichen Sohnes. – Ein Teil dieses Mythos – die Eifersucht der Königin, die Versuchung mit Äpfeln, die Rolle des Spiegels – finden sich u.a. im Märchen vom Schneewittchen wieder.

[32] Ein anderer Mythos berichtet, Zeus habe die zerrissenen Teile seines Kindes Zagreus gesammelt und sie Apollon übergeben, der sie in Delphi beerdigt habe. Jeden Winter, wenn Apollon abwesend sei, werde daher die Wiederauferstehung von Zagreus gefeiert. – In einer anderen Version des Mythos werden die zerstückelten Teile von Zagreus durch Rhea, seiner Grossmutter oder Urgrossmutter, eingesammelt, die sie zum neuen  Dionysos zusammenfügt und diesen zu seiner Mutter Persephone zurückbringt.

[33] Eines der spätesten Dokumente, in welchen sich der Mythos von Zagreus und Dionysios findet, entstand im 5. Jahrhundert nach Chr. mit dem grossen Epos Dionysiaka aus der Feder des aus Ägypten stammenden Nonnos von Panopolis. (Es liegt eine neuere Ausgabe in deutscher Sprache vor: Nonnos. Werke in zwei Bänden. Aus dem Griechischen übertragen und herausgegeben von Dietrich Ebener. Aufbau-Verlag, Berlin/Weimar 1985).  – Unter Nonnos’ Name liegt auch eine Abschrift des Johannes-Evangeliums vor. Es ist anzunehmen, dass Nonnos zum Christentum übergetreten war und die Bedeutung der neuen Religion zu unterstützen trachtete.

[34] Bakchos, griechische Schreibweise von Bacchus,  in der römischen Mythologie die Bezeichnung von Dionysos.

[35] Hippa, eine Nymphe, die Bakchos aufgezogen haben soll, daher als seine „Amme“ angefleht wird. Zu ihrer Ehre wurde Storaxharz – Styrax – geräuchert, das auch als „flüssiger Amber“ bezeichnet wurde.

[36] Orpheus. Altgriechischen Mysterien. Übertragen und erläutert von J. O. Plassmann. Diederichs Verlag, Köln 1982, S. 88

[37] Im Rahmen des von Orpheus gemässigten Dionysos-Kultes hatten sich auch Pythagoras und seine Schüler oder Anhänger befunden, deren Verehrung für das Leben auch den Verzichtauf jede Fleischnahrung nach sich zog.

[38] Orpheus wäre somit Grossohn von Zeus; nach anderen Darstellungen war er jedoch der Sohn des thrakischen Flussgottes Oiagros.

[39] Kalliope war die älteste und weiseste der 12 Musen, alle Töchter der Nymphe Mnemosyne (gr. „mneme“ – Erinnerung, Gedächtnis; cf. das Gedicht von Friedrich Hölderlin) und von Zeus, der ihr als Hirte erschienen war. Kalliope vertrat die Wissenschaft, die Philosophie, das Saitenspiel, Epos und Elegie. Zusätzlich zu Orpheus hatte sie einen zweiten Sohn, Linos, der als Musiklehrer – eventuell auch als Begründer der Buchstaben und somit als Schreiblehrer – von Herakles galt, der ihn eines Tages im Zorn erschlug.

[40] Clemens von Alexandria (150 n. Chr. – 215 n. Chr.), ursprünglich Titus Flavius Clemens, war in Athen geboren, ein Platoniker, der zum Christentum übertrat und in Alexandria lehrte, bis er dort verfolgt wurde und nach Kappadokien floh. Sein Bestreben war, die griechische Philosophie mit den Christentum zu vereinen. Nähere Angaben bei: André Méhat. Clemes von Alexandrien. In: Theologische Realenzyklopädie, Bd. 8. Verlag de Gruyter, Berlin 1981, S. 101-113

[41] Gustav Schwab/Kurt Eigl. Orpheus und Eurydike. In: Die schönsten Sagen des klassischen Altertums.  Schweizer Druck- und Verlagsanstalt, Zürich 1962, S. 160 ff  (Gustav Schwabs Erstausgabe ist von 1836)

[42] Maja Wicki. Wie steht es mit dem Herzen der „herzlosen“ Medea? – Über das Verhängnis von Rache und über Möglichkeiten der Korrektur von Leiden. In: Realismus der Utopie. Zur politischen  Philosophie von Arnold Künzli. Hsg. Ueli Mäder und Hans Saner. Rotpunktverlag, Zürich 2003

[43] Aristaios war ein Halbbruder von Orpheus, ebenfalls Sohn von Apollon und der Nymphe Kyrene, der die Menschen lehrte, Öl aus Olivenbäumen und Honig aus Bienenwachs zu gewinnen.

[44] Orpheus. Altgriechische Mysterien. Übertragen und erläutert von J.O.Plassmann. Eugen Diederichs Verlag, Köln 1982, S.120

[45] Hermann Diels. Die Fragmente der Vorsokratiker. Griechisch und deutsch, Hg. Von Walther Kranz. Weidmann Verlag 1974. Bd. I, S. 8

[46] gr. mene – Mond

[47] Orpheus /J.O.Plassmann 1982, S.33

[48] Walter F. Otto 1961, S. 28

[49] Walter F. Otto 1961, S. 178

[50] Eine Sammlung von Texten zu und über Pandora: Mythos Pandora. Texte von Hesiod bis Sloterdijk. Hg. Amut-Barbara Renger, Imanuel Musäus. Reclam Verlag, Leipzig 2002

[51] Zosimos von Panopolis, 3./4. Jahrhundert n. Chr., in: Amut-Barbara Renger, Imanuel Musäus 2002, S. 117

[52] Karl Kerényi 1966, Bd. I, S. 175

[53] Ilse Aichinger. Die grössere Hoffnung. Roman. S. Fischer Verlag, Frankfurt a. M. 1991 (erste Auflage 1948)

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