Denktexte – Überlegungen am 19. 03. 2003 – Beginn des Kriegs
Denktexte
Überlegungen am 19. 03. 2003
Beginn des Kriegs
Ein merkwürdiges Gefühl: Ein sonnenheller Frühlingsmorgen, nach einer Nacht mit leuchtenden Sternen und Vollmondlicht – als wolle der Himmel die Menschen trösten, die heute von Entsetzen und Gefühlen der Ohnmacht bewegt sind, deren Hoffnung, der Krieg könne durch ihre Demonstrationen des Widerstands verhindert werden, nicht erfüllt wurde. Gestern rief mich der Rektor eines Gymnasiums und Kindergärtnerinnenseminars an und berichtete über die Intensität der Schülerinnen und Schüler gegen den von den USA angekündigten Krieg.
Eine unmittelbare Erinnerung an ein Bild von Paul Klee, das “Angelus Novus” heisst, das Walter Benjamin nach der Besetzung Frankreichs durch Nazi-Deutschland, kurz vor seiner Flucht und seinem Tod 1941 in seinem Essay “Über den Begriff der Geschichte” festhielt (im 9. Paragraphen): Walter Benjamin sieht in diesem Bild einen Engel, der “im Begriff ist, sich von etwas zu entfernen, worauf er starrt”, und er kommt zum Schluss, dass der Engel der Geschichte so aussehen muss. Er hat das Gesicht der Vergangenheit zugewendet. Wo eine Kette von Begebenheiten vor uns erscheint, da sieht er eine einzige Katastrophe, die unablässig Trümmer auf Trümmer häuft und sie ihm vor die Füsse schleudert. Er möchte wohl verweilen, die Toten wecken und das Zerschlagene zusammenfügen. Aber ein Sturm weht vom Paradies her, der sich in seinen Flügeln verfangen hat und so stark ist, dass der Engel sie nicht mehr schliessen kann. Der Sturm treibt ihn unaufhaltsam in die Zukunft, der er den Rücken kehrt, während der Trümmerhaufen vor ihm zum Himmel wächst. Das, was wir den Fortschritt nennen, ist dieser Sturm.”
Nachdenklich stimmt mich, dass gegen diesen von den USA und einzelnen Allierten vorbereiteten und nun begonnenen Krieg eine so breite Auflehnung in der ganzen Welt kundgetan hat, während der Krieg gegen Afghanistan, oder der Krieg Russlands gegen Tschtschenien, oder die Kriege in Afrika, in Kolumbien – ja der entsetzlich Krieg in Jugoslawien, hier mitten in Europa, zu einem grossen Teil einfach übergangnen oder geduldet wurde.
Berührt hat mich gestern Abend der Anruf aus Bruxelles von Jean Marie L., der den ersten Golfkrieg durchgestanden hatte – auch Kriegserfahrungen im Kongo gemacht hatte, als Kind den Zweiten Weltkrieg in Belgien erlebt hatte u.a.m. -, der mit einem Ton der Hoffnung erwähnte, es sei augenblicklich in Kuwait und im Süden Iraks ein so heftiger Sandsturm, dass der Krieg gar nicht beginnen könne.
Noch eine Erinnerung wird in mir wach: Die Zeit, da Hannah Arendt staatenlos war – von der Flucht aus Berlin 1933 bis zur Erlangung der amerikanischen Staatsbürgerschaft im Jahre 1951 – wurde ihre politisch aktivste Zeit. In Paris fand sie sich in einer Gruppe Gleichgesinnter wieder, darunter Anne Mendelssohn, Walter Benjamin, die Cohn-Bendits und Heinrich Blücher, ein nicht-jüdischer Spartakist, kein Akademiker, sondern ein Mann des Handelns, der ihr Partner fürs Leben wurde. Von Günther Stern trennte sie sich definitiv 1936, als Stern nach New York abreiste. In verschiedenen jüdischen Flüchtlingshilfsorganisationen fand sie in Paris eine Tätigkeit. Gleichzeitig begann sie Notizen anzulegen, die bereits das grosse Werk vorbereiteten, das sie mit Unterstützung Heinrich Blüchers nach Kriegsende in New York fertigstellte: “Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft”. Eine massgebliche Einsicht, die sich nach der Zäsur von 193 3 einstellte, brachte sie im Vorwort zum Ausdruck, das sie 1950 schrieb: “Alle Versuche, dem Grauen der Gegenwart durch die Sehnsucht nach einer unbelasteten Vergangenheit oder durch die antizipierte Tröstung einer besseren Zukunft zu entfliehen, sind zum Scheitern verurteilt”. Das einzige, was nicht zum Scheitern verurteilt sein konnte, war das Aushalten der Widersprüche in einer bewussten Gegenwärtigkeit.
Dazu kommen Überlegungen zur Nachkriegszeit, zur Frage, wie eine demokratische Entwicklung sich in Irak realisieren könnte:
Dank der Erfahrungen Heinrich Blüchers in der Arbeiterbewegung, in den Soldatenräten, beim Spartakusbund und anschliessend in der KPD erfasste Hannah Arendt, dass jede politische Führung ihre Legitimation und damit ihre Macht verliert, wenn sie den Boden, auf dem sie steht, aus den Augen verliert. (Diese Erkenntnis verband H.A. während des Kriegs mit ihrer Kritik an den massgeblichen Verantwortlichen in den jüdischen Organisationen, nach dem Krieg richtete sich diesen kritischen Blick auf die führenden Gestalten im Nachkriegseuropa, in Israel und schliesslich in ihrer Wahlheimat Amerika). Der “Boden”, um den es in Irak geht, ist die politische Entscheidungs- und Gestaltungsmöglichkeit der Bevölkeerung selber, die der Sicherheit und der Akzeptanz der unterschiedlichen Teile bedarf.
Zürich, im März 2003
Denktexte
zu
Warum Krieg? – Fragen und Überlegungen
Gespräch Radio DRS2
1) Was bewirkt der amerikanische Angriff resp. der Krieg bei den Kindern, den Jugendlieben, den Frauen und Männern des irakischen Volkes – insbesondere bei den Kindern?
Kinder sind in ihren Empfindungen, die das Lebensgefühl ausmachen, in erster Linie den Erfahrungen und psychischen Reaktionen der Erwachsenen ausgesetzt, von ihrer pränatalen Zeit an bis sie beginnen, unabhängig zu sein und eigene Handlungsentscheide treffen zu können – wobei sie auch dann noch in den Machtverhältnissen und Abhängigkeiten, die jedes Leben prägen, Erwachsenen ausgesetzt sind, welche zum Teil die eigene Macht missbrauchen.
Die Erfahrung der Ohnmacht, der Verlorenheit, der Ausgesetztheit gefährdender Gewalt in einem sich fortsetzenden Notzustand, einem entgrenzten Zynismus (griech. von “kynikos” – Hund abgeleitet), der vom militärischen Angriff her wie im Verhalten der eigenen Bevölkerung in einem Gefälle von Handlungsmöglichkeit je nach Rang – häufig auch je nach Geschlecht – erlebt wird, damit des Verlusts jeglicher Sicherheit, auch die Unmöglichkeit jeglicher Entspannung und Erholung, die Tatsache von Schlaflosigkeit, Durst, Hunger und wachsender psychischer Lähmung, zunehmend auch eines körperlichen Erschlaffens oder nicht mehr kontrollierbarer Nervosität, mit heftigem Herzklopfen, bis das Herz zu zerbersten scheint, mit Zittern der Glieder, der Zähne, einem nicht mehr kontrollierbaren Weinen und Schreien oder einem völligen Verstummen – all dies führt, wenn ein Überleben überhaupt möglich ist, zu einem Leiden der Seele, das kaum mehr heilbar ist.
Häufig kommen dazu körperliche Verletzungen, Knochenbrüche und Wunden infolge von Sturz, von Minen, von Geschossen, von schmutzigem Wasser oder von krank machenden Speisen, ohne dass Hilfe, wirkliche Hilfe erfahren werden kann; häufig auch das Erlebenmüssen der Tötung und des Sterbens von Menschen, auch des Verlusts nahestehender, geliebter, wichtiger Menschen. Was bedeutet da der eigene Lebenswert? Das Überleben selbst wird zum Leiden, ist häufig sogar besetzt von Schuldgefühlen.
Jeder Teil dieser Erfahrung bedeutet die Summe des menschlich Ertragbaren. Das “Trauma”, das damit einhergeht, ist – dem griechischen Wortsinn entsprechendc- eine “Wunde”, ein “Leck” in der menschlichen Seele, die das weitere Leben zutiefst prägt. Was seit den kriegsüberlebenden Soldaten des Ersten Weltkriegs als schwerwiegende Traumatisierung und als posttraumatische Belastungsstörung wissenschaftlich bekannt ist und entsprechend diagnostiziert wird, hat aber viel länger wirkende Folgen, als von medizinisch-psychologischer Seite behauptet wird. Was die menschliche Seele prägt – Angst, Hilflosigkeit und Verlusterfahrungen – ist nicht nach berechenbarer Zeit vorbei oder gelöscht. Auch kommen immer Retraumatisierungen hinzu-, welche die psychische Wunde noch verstärken – ob im eigenen Land oder in einem fremden Land, wo um Asyl gebeten wird. Wieder erfolgen Erfahrungen der kaum erträglichen Entrechtung.
In Irak bestand in der ganzen Zeit der Diktatur, zusätzlich im Krieg gegen Iran 1980-88, beim Angriff auf die kurdische Bevölkerung und der brutalen Tötung von Zehntausenden von Menschen durch die irakische Armee (Anfal-Offensive von 1988), beim Krieg gegen Kuwait 1990 und beim darauffolgenden Golfkrieg im Februar 1991 nie eine Lebenssituation der Sicherheit oder der Unbekümmertheit. Es ist anzunehmen, dass ständige Angst die Kinder und die Erwachsenen beherrschte, je nach Erfahrung auch Trauer, Gebrochenheit oder Wut und Hass.
Die Frage stellt sich, ob die ständig präsente Gewalt Abgestumpftheit der Gefühle als Überlebensstrategie geschaffen hat? – oder eine noch grössere Verletzbarkeit? – eventuell beides?
Ich nehme an, dass die “Martyrerbereitschaft” bei Jugendlichen in Irak (wie bei der palästinensischen Bevölkerung wie in anderen von Armut und Rechtlosigkeit gekennzeichneten Völkern), diese fanatische Selbstpreisgabe, eine der schwerwiegenden Folgen lang andauernder Mangelerfahrungen des persönlichen Lebenswertes ist, dass auch eine Übertragung des gleichen Lebensunwertes auf andere Menschen sich daraus ergibt. Welche Erwachsenen können diesen jungen Menschen unter den Bedingungen, in denen sie aufgewachsen sind, ein liebevolles, nicht von Bedingungen abhängiges, wärmendes, ihren Lebenswert stärkendes Vorbild sein? (Ergänzung zu “Terrorismus”).
- la) Zusätzliche Überlegungen zu Angst (insbesondere in der analytischen Bedeutung):
- a) Individuelle Angstempfindung: Warnung
innerer Zwang und Besetztheit bis zur lähmenden VerzweiflungIndividuelle Ursachen: Erfahrung von Ohnmacht von Gewalt, von Unerklärbarkeit, von Deutung als Strafe für Fehlverhalten (Nichtbeachtung von Regeln oder Gesetzen, von eigener Macht)
Individuelle Folgen: Vorsicht
Misstrauen
Abschottung
Flucht in Depressivität ,
in die Aggressivität (ev. daher Angriff auf World Trade Center, dem Symbol amerikanischer Wirtschaftsweltmacht, und auf Pentagon, dem Symbol der amerikanischen Militärmacht am 11. Sept. 2001 ),
in Suchtverhalten bis zur Selbstdestruktivität (dazu gehört auch der blinde Workolismus und jede Art von Fanatismus),
oder Flucht in ein Kollektiv (Religionen, Sekten, polit. Parteien, Gruppierungen etc.) auf Grund des mangelnden Ich-Wertes und damit in eine kritiklose Gehorsamsstruktur, s. b).
- b) Benutzung und Ausnutzung von kollektiver Angst im Zusammenhang von kollektivem Verhalten,-(besondere Benutzung durch Macht resp. politischer Machtmissbrauch):
Dazu gehört die autoritäre Feinderklärung zu nationalen politischen, wirtschaftlichen und/oder militärischen Zwecken (Judenhass/Antisemitismus und überhaupt Rassismus – insbesondere gegen Roma – unter Hitler; auch die je andere Ethnie im jüngsten Jugoslawienkrieg, der noch nicht abgeschlossen ist – der Slowenen zuerst, dann der Kroaten, dann der Bosnier, schliesslich der Albaner durch Miloscevic und die serbische Armee; sodann der Kurden durch die Türkei, aber auch durch Irak, der Tschetschenen durch Russland; der “Terroristen”/des Terrorismus heute durch die USA etc. etc.) zu politischen Zwecken (Neo-Konservativismus), zu militärischen Zwecken (noch immer Landbesitz mit Bodenschätzen), zu wirtschaftlichen (Rüstungsindustrie; Ölvorkommen etc.) und ev. auch zu fundamentalistisch-religiösen Zwecken.
- c) Ist Korrektur und Heilung von Angst möglich?
durch Klärung der Ursachen der Angst, der erlebten Gewalt, die nicht abgewehrt werden konnte, der durchgestandenen Entrechtung und Entwertung, der kulturellen Mangelerfahrung, überhaupt der Geschichte, die zur Gegenwart geführt hat und welche die Zukunft belastet, auch politischer Fehlentwicklungen mit wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen (heute der Ursachen der wachsenden Armut und Arbeitslosigkeit in den USA wie in Afrika, in Asien, im Balkan, in Russland etc. etc.)
durch gute Angebote und Umsetzungsmöglichkeiten von Bildung durch Verbesserung demokratischer Partizipationsmöglichkeiten an politischer Entwicklung ( auch im Zusammenhang der Verhinderung von Machtmissbrauch/Gewalt bei Polizei und überhaupt bei Behörden etc.), durch Klärung der Bedeutung der Medien, der Pressefreiheit,
durch Änderungen resp. menschenrechtliche Verbesserung im Strafverfahren und Strafrecht, insbesondere im Ausländer- und Asylrecht, auch im Wirtschaftsrecht (Klärung z.B. der Verstrickung von politischer Macht und Rüstungsindustrie/generell Wirtschaft in den USA betr. Besitz, Produktion, Gewinn, Arbeitsbedingungen der Angestellten etc.)
durch ständiges Erlernen eines Verhaltens der Vermittlung eigener Sicherheit und eigenen Wertes (nicht mehr auferlegter Opferhaltung) in jeder Art von Beziehung und Abhängigkeit – letztlich der dialogischen Reziprozität.
wenn möglich durch Verzeihen (im Sinn von Hannah Arendt)
2) Was bedeuten die Begründungen der USA für die “Notwendigkeit” des Kriegs?
mangelnde Ergründung der eigenen Schuld (lange Duldung der gewaltbesetzten Diktatur S.H’s; enorme Waffenlieferungen; von 1991 bis 1998 Erniedrigung der Bevölkerung durch wirtschafltiche Diskriminierung, ja durch Aushungerung; Nichtbeachtung der innerstaatlichen Kriege und Diskriminierungen der Kurden und der Schiiten)
Fanatische Feinderklärung mit der sog. “Achse des Bösen”: mangelnde Diplomatie, mangelnde Unterscheidung von Ursachen und Absichten von Feindentwicklung und von religiös bedingten, sog. christlicher Feindseligkeitserklrärung und Dominanzanspruch sowie sog. terroristischer Aggressivität Ablenkung von den wachsenden eigenen inner-nationalen Notzuständen (Armut, Arbeitslosigkeit, Angstbesetztheit, immer knappere Pressefreiheit, zunehmende Gewalt, Zukunftslosigkeit der Jugend, extreme Diskrepanz zwischen kleiner Prozentzahl Superreicher und grosser Bevölkerung, Fortbestehen der Todesurteile und Todesgefängnisse; eigene schwache Wahlsituation des sog. Präsidenten, wachsende unilaterale politische Macht durch Wirtschaftsfunktionäre)
Druck durch Waffenindustrie (analog Erste und Zweite
Weltkrieg)
Neo-Konservativismus als imperialistischer Beherrschungsanspruch.
(2a) Welche Gefühle werden ausgelöst in den USA und in Europa?
durch die „ethnischen Säuberungen”/Massaker gegen Kurden und Schiiten, die Nachrichten/Bilder von Hundertausenden erschöpfter, gejagter Menschen an den Grenzen der Nachbarländer und in den überfüllten Flüchtlingslagern aus den Achtziger- und Neunzigerjahren, die von den USA kaum beachtet wurden, und der heutigen Behauptung, es gelte “Demokratie” zu schaffen?
– durch die Behauptung es gehe um “Massenvernichtungswaffen” in Irak, während die USA die gefährlichsten Massenvernichtungswaffen besitzen und einsetzen? – während auch Israel, in allem von den USA gedeckt und geschützt, Atomwaffen besitzt und das palästinensische Volk völlig mit Gewalt, Erniedrigung und Entrechtung besetzt, so dass kein anderer Lebenssinn mehr ist als Rache? – sog. “Terror” in Form der Selbstmordattentäter?
Es sind widerstreitende Gefühle: Wut, Entsetzen, Abscheu, Angst, Ohnmacht, Uberforderung, Mitgefühl, Mitleiden, Hilfsbedürfnis etc. Auf Grund der Widersprüche grosse Überforderungen.
3) Wozu können Gefühle im kreativen Sinn dienen?
Sie sollen dazu dienen
a) die intellektueller Fähigkeiten zu wecken, die kritischen, analytischen, moralischen und handlungsorientierten, um zu klären um genaueste Informationen zu fordern, zu vergleichen und zu deuten;
b) .der Auflehnung Ausdruck zu geben (über Friedensdemonstrationen, Geld, Kleider etc. spenden, Leserbriefe schreiben etc.), die Sprache
c) die Sinnlosigkeit von jeder Art der Gewalt zu ergründen (Erinnerungen an den Bosnienkrieg, an den Zweiten Weltkrieg, an Ereignisse aus der eigenen Geschichte etc.),
d) uns gegen jede Art von Fanatismus und nationalistischer oder rassistischer Ideologie kritisch, ja skeptisch oder aktiv aufklärerisch einzustellen, diese betr. Ursachen und Zwecke zu analysieren und in weiterführende Möglichkeiten des Handelns umzusetzen in der Schweiz z.B. (politisch gegen immer engere, menschenrechtswidrige Asylbedingungen in Gesetz und Praxis, gegen Rassismus, gegen schweizerischen Ethnizismus und Fremdenfeindlichkeit, insbesondere gegen pauschale Aufhetzungen und Sündenbockkonstruktionen von Rechtsaussen, für das Schaffen und Ermöglichen guter Partnerschaften und anderer Integrationsangebote mit hier lebenden Kriegsvertriebenen und Flüchtlingen, für grosszügige Therapieangebote für traumatisierte Kinder und Erwachsene, für Nachbarschaftshilfe, unabhängig von Herkunft, Hautfarbe und Religion, für Ausbildungsmöglichkeiten und sichere Arbeitsmögllichkeiten für Jugendliche jeglicher Herkunft etc.).
3a) Was lernen wir aus den Gefühlen der Überforderung durch den neuen Krieg?
– Ein Erkennen der Sinnlosigkeit von Krieg (z.B. nach dem fast zehnjährigen Krieg im ehemaligen Jugoslawien, der vom restlichen Europa und von den USA überschaut oder durch Waffenlieferung ermöglicht wurde. Für den 1999 erfolgten Luftkrieg gegen Serbien und Kosovo hatte sich die Nato selber mandatiert. Auch dieser Einsatz von Luftwaffen, war, unter der Vorgabe einer „humanitären Aktion”, ein völkerrechtswidriger Krieg – alles in allem, eine humanitäre Katastrophe. Die Massaker und Vertreibungen – die sog. ,,ethnischen Säuberungen” – in Kosovo konnten durch die Luftangriffe nicht gestoppt werden, sondern sie wurden im Gegenteil intensiviert: 800’000 Menschen sind aus Kosovo geflohen, 500’000 irren im Land umher, an die 100’000 wurden getötet, das Land ist vermint und verseucht, die Dörfer niedergebrannt, geplündert und zerstört, die Fabriken, Wasserversorgungsanlagen, die Strassen und Brücken sind in Trümmern. Eine ganze Bevölkerung ist traumatisiert, von Leid, Trauer oder Hass gezeichnet. Weitere Überlegungen s. später).
– Die Dringlichkeit des sorgfältigen, nicht politisch vertuschten Studiums der Geschichte. Wo die Geschichte nicht aufgearbeitet ist, wiederholt sie sich ( die kollektive nicht anders als die individuelle). Denn jeder Krieg beginnt in den Köpfen und setzt sich so um, mit nationalistischer und chauvinistischer Propaganda, mit Feindbildkonstruktionen und Ausgrenzungen. Faschistische, ethnizistische und jede Art von Ideologie muss in den Anfängen ernst genommen werden, damit sie sich zu einer menschlichen Katastrophe benutzen und umsetzen lässt
– Länger anhaltende wirtschaftliche Depression, Erwerbslosigkeit und starke wirtschaftlich-gesellschaftliche Spannungen in einem oder in einem Teil .der Welt müssen für Nachbarländer und den Rest der Welt dringender Appell für friedenssichernde, wohlstandsfördernde Massnahmen bedeuten: transnationale ,,Gerechtigkeitsentwürfe”.
– Innerstaatliche Konflikte aus rassistischen und ethnizistischen oder fundamentalistischen Machtstrategien und Bevölkerungsmanipulationen müssen möglichst in den Anfängen aurch kluge politische Mediationsangehote befreundeter Staaten gelöst werden. Unabhängige und freie Medien sowie demokratische Oppositionsgruppen müssen als Instrumente der Korrektur von Machtabusus gestützt werden.
– Waffen und Waffensysteme werden hergestellt und angeschafft; um eingesetzt zu werden; Waffenproduktion, Waffenhandel, Aufrüstung etc. müssen daher zunehmend abgebaut und von einem “Weltfriedensrat” kontrollier werden, nicht nur bei den kleineren Staaten, sondern auch bei den USA etc.
– Kriegsverbrecher gehören vor das Kriegsverbrechertribunal; sie dürfen nicht als Verhandlungspartner bei internationalen Vereinbarungen geduldet oder gar beigezogen werden. Die USA selber verweigern die Anerkennung des Kriegsverbrecher-Tribunials, um dadurch ihre eigenen Täter zu schützen. Warum?
– Die UNO-Satzungen, resp. das Völkerrecht muss allen partikulären Interessen einzelner Staaten und Allianzen gegenüber Vorrang haben, gerade zum Zweck des unbedingten Schutzes der Menschenrechte (durch Nato-Bomben getötete Zivilpersonen sind Kriegsopfer, für welche die Nato die Verantwortung trägt; es sind nicht „kollaterale Schäden”). Denn zusätzlich zum Völkerrecht gilt als wichtigster normativer Massstab für politische – letztlich auch für militärische – Entscheide die 1948 erfolgte Menschenrechts-Erklärung, durch welche erreicht werden soll, dass, unabhängig von nationaler oder religiöser Zugehörigkeit, unabhängig von Alter und Geschlecht, die Erfüllung der Grundbedürfnisse das gleiche Recht aller Menschen ist.
– Angstfrei zu leben ist eines der zentralen Grundbedürfnisse.
Dies alles zählt nicht nur im Zusammenhang von Irak; es zählt auch für alles, was den USA-Angriff in Afghanistan betrifft, die Kriegsgeschehnisse im Balkan*, oder in Tschetschenien betr. Russland oder die vielen extremen Kriege und Bürgerkriege in Afrika (Ruanda insbesondere, Kongo, Sudan, alles, was in Süd-Afrika extremste Gewalt war etc.), in Süd-Amerika und Mittelamerika, in den asiatischen Ländern. In all diesen Kriegszusammenhängen hatten auch die europäischen Länder – auch die Schweiz durch wirtschaftliche Einflüsse – ein enorme Verantwortung.
*Post-Skriptumzu Kosovo (in Hinblick auf einen Vergleich mit jüngster Geschichte):
Am 10. Juni 1999 stellte die Nato nach 79 Bombentagen und Bombennächten – rund 11 Wochen – die Luftangriffe auf Serbien und Kosovo ein. Gleichzeitig wurde im Sicherheitsrat (mit Stimmenthaltung Chinas) die Resolution 1244 verabschiedet, mit welcher die Staatengemeinschaft mandadiert wurde, mit Hilfe eines internationalen Truppenkontingents (Kfor) den Kosovo zu „befrieden”. Ziel sollte eine „substantielle Autonomie” des Kosovo sein, die durch die Anwesenheit der Kfor zu garantieren wäre. Zusätzlich soll ein ,,Stablitätspakt für Südosteuropa” den Wiederaufbau stützen.
Auf serbischer Seite wird mit 10’000 getöteten Soldaten und mit 1000 Toten aus der Zivilbevölkerung gerechnet. Dazu kommen ebenfalls enorme Zerstörungen an Brücken, Fabriken und Strassen, ebenfalls verseuchte und unbenutzbare Böden – und eine furchtbare Eskalation des Hasses, sowohl gegen die „Albaner” wie gegen alle anderen Nicht-Serben.
Auch wenn die Nato-Staaten, allen voran die USA und Grossbritannien heute triumphieren, so ist unbestritten, dass der Schaden, den der Luftkrieg angerichtet hat, grösser ist, als derjenige, den er zu vermeiden vorgab: menschlich, moralisch, materiell, finanziell. 57 Mia. Soll die EU Wiederaufbauhilfe leisten, ca. zusätzlich 26 Mia. Für die auf einen fünfjährigen Einsatz geplante Friedenstruppe. Ein Bruchteil dieser riesigen Summen hätten vermutlich genügt, um vor Jahren in die Kriegsprävention zu investieren, um mit Wirtschaftshilfe und mit „Demokratiehilfe” das zerfallende ehemalige Jugoslawien der Nach-Tito-Ära in seinen Umwandlungsbedürfnissen zu stützen. Die ethnisch-chauvinistsichen, nationalistischen Programme Milosevic’s waren seit spätestens 1989, seit seiner Rede auf dem Amselfeld am 28. Juni 1989,bekannt, aber auch diejenigen Tudjmans. Und seit dem Angriff auf Slowenien im Frühjahr 1991, dann auf Kroatien und dem beiderseits so grausam geführten Krieg um die Krajina (mit über 600’000 serbischen Vertriebenen), vor allem seit dem Krieg um Bosnien seit dem Frühjahr 1992, mit den nicht aufzählbaren kollektiven und einzelnen Grausamkeiten und Verbrechen wusste die ganze Welt, dass es der serbischen Führung mit ihrem skrupellosen Ethnizismus ernst war. Und dass sie gestützt und unterstützt war von grossen militärischen und paramilitärischen Banden und Helfershelfern.
Was tat damals die Schweiz? Im Vorfeld des Krieges teilte sie die Präventionsdefizite (Aufmerksamkeitsdefizite und politische Urteils- und Handlungsdefizite der übrigen europäischen Staaten. Europa war fasziniert vom Projekt der Währungsunion und interessierte sich nicht für den Balkan, und die Schweiz befasste sich mit sich selber und den eigenen Interessen. Noch während des Bosnienkriegs handelte Bundesrat Arnold Koller einen Vertrag mit Milosevic über die Rücknahme kosovo-albanischer Asylsuchender aus, die trotz bekannten politischen, wirtschaftlichen und polizeilichen Repressionen durch Serbien in Kosovo noch bis zum Beginn der massiven „ethnischen Säuberungen” – ausgeschafft wurden). Die Chancen einer Stützung der demokratischen Opposition in Serbien wurden nicht wahrgenommen.
Noch während des Bosnienkriegs wurden massive Anti-Kosovo-Aufhetzungen in der Schweiz zugelassen, die nicht auschliesslich von den Rechtsaussen- Parteien, sondern weit bis ins bürgerliche Lager mitgetragen wurden.
Während einiger Wochen, im Frühjahr 1999 unter dem Eindruck der über das Fernsehen ausgestrahlten Bilder von Hundertausenden geängstigter, gejagter Menschen – Kinder, Frauen, Greise, Männer – aus Kosovo kam Mitgefühl auf, und es wurden grosse Summen von Geld und grosse Mengen an Kleidern und anderen Materialien gespendet. Und Ruth Dreifuss flog hin und brachte in ihrem Flugzeug etwa zwanzig Kriegsflüchtlinge in die Schweiz. Wenig später aber waren die alten Feindbilder schnell wieder da – genährt und quasi legitimiert durch die „Notmassnahmen”, welche die neue Justizministerin im Verein mit einem Teil des Bundesrates gegen die Kriegsvertriebenen erklärt, die dadurch zu bedrohlichen „Angreifern” und „Feinden” gemacht werden.
Festzustellen ist ein grosser Mangel an Vorstellungskraft (Frage: was würden wir tun, wenn sich dies z.B. im Graubünden abspielte?), an Urteilsvermögen und an der Fähigkeit, Güter, über die wir verfügen (politische, materielle, menschliche, z.B. Zeit) zu teilen, in allem ein verwirrendes Durcheinander von Gefühlen.
Überlegungen zu “Terrorismus” und Angst vor Terrorismus:
Warum Angstbesetztheit? Gefährdung besteht im Alltag selbst (Verkehr, technisches Versagen bei Maschinen, bei Operationen, bei Chemikalien, durch Unberechenbarkeit von Menschen generell etc.) Besetztheit von Angst wird zur lähmenden, inneren Gewalt; Angst verliert die warnende Funktion der Stärkung von klugem Handeln, resp. von Freiheit. Angstbesetzte Menschen werden benutzbar.
Terrorismus als Mittel, Widerstand oder Aufstand gegen gesellschaftliche Macht auf nicht-rechtlichem Weg, durch Gewalt, hat immer Ursachen:
Erfahrung von Entrechtung, Erniedrigung, Machtmissbrauch und Ohnmacht, ob als einzelner Mensch (z.B. Schüsse gegen kantonale Regierung von Zug, Tötung und Verletzung zahlreicher Menschen, darunter Hanspeter Uster) oder als Mitglied eines Kollektivs; immer – scheint mir – kann nur Mangel jeglicher Zukunftssicherheit dazu bewegen, Mangel an Lebenswert.
Psychische Motivation ist zumeist Bedürfnis nach Rache. Nicht Frage von Schuld wird erwogen, sondern von Dringlichkeit, Unaufschiebbarkeit, Zweckmässigkeit – coûte que coûte. Dazu kommt die religiöse Bedeutung des Marthyriums, resp. der immer wieder versicherten ewigen “Belohnung” für einen Einsatz auf Kosten des Lebens zu Gunsten der eigenen Bevölkerung (so auf iranischer Seite im Krieg von Irak von 1980 bis 1986; so von palästinensischer Seite her gegen Israel, so ev. auch in den Zusammenhängen des 11. Septembers 2001).
Ist Unbedenklichkeit der Folgen nicht letztlich analog – wenigsten im Sinn der vergleichbar blinden Zielstrebigkeit – zum quasi abstrakten, bedenkenlosen Gewinnstreben in der Wirtschaft? – wobei eben nicht materieller Gewinn das Ziel ist, sondern ein kollektiver Wert: ein Beweis der Korrektur von Ohnmacht.
Korrektur von Terrorismus nicht durch Androhung massiver Strafen, sondern durch Erforschung der Ursachen und durch dialogische Angebote der Korrektur der verletzenden Zusammenhängen.
(Der Skandal einer dichten, mehr als fragwürdigen, betrügerischen, allein gewinn- und machtorientierten Vernetzung in multiplen Schichten mit gesetzeswidrigen Profiten sowohl durch den Vater wie durch den Sohn Bush wird belegt durch Eric Laurent. Die Kriege der Familie Bush. Verlag S. Fischer, Frankfurt a. Main 2003 / Les secrets inavouables d’un conflit. Edition Plon 20203; Emmanuel Todd. Weltmacht USA. Ein Nachruf. Piper Verlag, München 2003; Scott Ritter/ William Rivers Pitt. War on Iraq. Allen -Unwin, Australien 2002 etc.etc.)
Überlegungen arabischer Intellektueller (aus Tageszeitung “Al-Hayat”, London/ NZZ 11. 03. 2003):
Saddam Hussein’s Diktatur muss endlich ein Ende haben: zu viel brutale Gewalt, zu viel politische und menschenrechtliche Verbrechen. Entmachtung von Saddam Hussein darf nicht mit Krieg einhergehen: nicht mit Tötung unschuldiger Menschen, nicht mir Zerstörung der Lebens- und Wohnmöglichkeit von Millionen von Menschen, die schon seit Jahren zu viel haben leiden müssen, nicht mir der Zerstörung der Zukunftsmöglichkeit von Jugendlichen und Kindern, nicht mit der Besetzung des Landes und der Ölfelder durch die Amerikaner.
USA’s Begründung der Notwendigkeit des Kriegs ist nicht glaubwürdig, da USA selber hat massgeblich zur Stärkung und militärischen Rüstung Saddam Hussein’s beigetragen; da USA selber über Massenvernichtungswaffen verfügt, deren Einsatz zu befürchten ist, da die Tatsache des Besitzes durch andere Staaten, mit denen die USA einhergeht (so Israel), geduldet wird;
ist in menschenrechtlicher Hinsicht mehr als fragwürdig (nach wie vor Todesstrafe-Gefängnisse und Umsetzung, gerade in Bush’s Texas, auch amerikanische Verweigerung der Zusage zu UNO-Initiativen von grosser menschenrechtlicher Tragweite, so zum Kyoto- Protokoll wie zum Internationalen Strafgerichtshof, dabei leider gefolgt von Israel und Japan);
– es ist völlig widersprüchlich,ja unmöglich, Demokratie durch Krieg vermitteln zu wollen (Demokratie setzt Dialog,-Differenz, Vielfalt der gesellschaftlichen Verantwortung voraus und kann in Irak nur durch die langsame Aufarbeitung der politischen Gescfiichte und der damit verbundenen Verbrechen geschehen – auf Grund eigener Bedürfnisse und eigener Befähigung durch Ermöglichung freier Medien und breiter, offener und kritischer Bildung der Jugend;
– USA hat ja eigentlich nie die nach Demokratie strebenden Volksbewegungen unterstützt (z.B. in den mittelamerikanischen und südamerikanischen Staaten), sondern immer die wirtschaftlich den USA entsprechenden Diktaturen gestärkt.
Irak ist nicht die alleinige Diktatur, nicht der einzige Ort der Menschenrechtsverletzung; diese bedürfen überall – z.B. in Tschetschenien durch Russland, gegen Palästinenser in Israel, gegen Kurden m Türkei, gegen Roma überall in Europa, speziell im ehemaligen Jugoslawien und in den übrigen Ländern des Balkans etc. etc. – einer sorgfältigen, tatsächlichen Korrektur (nicht mittels Krieg).
Überlegungen früherer Denkerinnen und Denker:
Günther Anders (ursprünglich Günther Stern, erster Ehemann von Hannah Arendt; aus der “Rede über die drei Weltkriege” von 1964 in: Hiroshima ist überall):
Einführende Überlegungen:
In dieser Rede geht Günther Anders warnend auf das lähmende, erstickende Gefühl ein, das als “Trauer” im Bewusstsein der Überlebenden von Abermillionen von Toten bleibt, die durch den Zweiten Weltkrieg sowohl in den Ghettos und Konzentrationslagern, auf den Schlachtfeldern, in den zerbombten Städten, Dörfern und auf den Meeren als Opfer eines megalomanen Machtmissbrauchs und dessen Helfershelfer verschwanden.
Günther Anders warnt vor der “blinden Trauer”, die zum Missbrauch der Trauer durch neuen Machtmissbrauch führt, wie dies in Deutschland nach den extremen Menschenverlusten im Ersten Weltkrieg der Fall war, von Hitler benutzt in der fanatischen antisemitischen, antimarxistischen und nationalsozialistischen Begründung der Feinderklärung, in der für die Wirtschaftsindustrie und für die Beschäftigung der Arbeitslosen relevanten Vorbereitung des Zweiten Weltkriegs wie in der Abwehrstrategie gegenüber politischen Entgegenkommen resp. Friedensangeboten, das den Krieg hätten verhindern können.
In diesem Zusammenhang zitiert Günther Anders Hitler, der eine Woche vor seinem Einmarsch in Polen gesagt hatte: ‘Ich habe nur Angst’, dass mir im letzten Moment irgendein Schweinehund einen Vermittlungsplan vorlegt’. Günther Anders hält dazu fest:
“In seinen (Hitlers) Augen bewies also Vermittlungswille, und das heisst doch: der Wille, den Frieden zu erhalten – bereits den ‘Schweinehund’. ( … ) Ob die Millionen, die wir betrauern, die der Vulgarität und Gewissenlosigkeit zum Opfer gefallen sind(,,,), vergeblich gestorben sind oder nicht, das hängt von uns, den Hinterbliebenen, ab: von unserer Unbestechlichkeit.”
Fortsetzende Überlegung:
Günther Anders geht auf die Notwendigkeit des wachen, persönlichen Bewusstseins ein, auf die Notwendigkeit der Aufmerksamkeit, auf die Notwendigkeit der Skepsis gegenüber Informationen wie gegenüber wachsender Gleichgültigkeit und Indifferenz, als Folge von Abwehr eigener Angst und eigener Verantwortung, auch von kritiklosem Schlucken sprachlicher Abstraktion, wie dies z.B. in den USA im Zusammenhang der eigenen Atomwaffen und deren Einsatz – “ausprobiert” in Hiroshima und in Nagasaki – die Rede war: von eventuell “a hundred megacorpses” anstelle von hundert Millionen Toten bei Atomwaffeneinsatz, gemäss Günther Anders “um die Hemmungen gegenüber den Vernichtungswaffen ebenfalls zu vernichten” – heute von “Kollateralschäden”.
Die Warnung von Günther Anders geht weiter:
“Aber natürlich stammt die Gefahr, in der wir heute schweben, nicht allein aus solchen psychologischen Wurzeln. Wenn die Abwehr der Katastrophe heute so grenzenlos schwierig ist, so an erster Stelle deshalb, weil der macht- und Expansionsdrang des Kapitalismus, ohne den die zwei ersten Weltkriege ja ebenfalls nicht ausgebrochen wären, immer hektischer wird: um so hektischer nämlich, je deutlicher es wird, dass es mit der Allmacht der kapitalistischen Staaten aus ist, dass diese an der Realität anderer Systeme ihre Machtgrenze findet.”
Überlegung:
Dies ev. zur Bedeutung der Feinderklärung “des” Terrorismus.
( … )
“Aber zu dieser Wurzel der Gefahr kommt noch eine weitere: nämlich die Rolle, welche die Rüstungsindustrie innerhalb der kapitalistischen Welt spielt. ( … ) Genieren wir uns nicht, seien wir unmodern. Sprechen wir über Kapitalismus.
Die kapitalistische Produktion ist( … ) darauf angewiesen, ihre Erzeugnisse abzustossen. Sie hat dafür zu sorgen, dass diese verkauft und verbraucht, kurz: liquidiert werden. (. .. ) Wenn dieses Ziel nicht erreicht wird, wenn sich eine Menge unliquidierter Erzeugnisse aufstapelt, dann ist die Weiterproduktion und damit auch der Profit gefährdet. ( .. )Das gilt allgemein, also auch von Vernichtungsgeräten.
Was ist nun aber die ‘Konsumsituation’ der Waffen? Die Antwort lautet: der Krieg. Denn allein Kriege bieten die Gelegenheit für den effektiven und massenhaften Verbrauch von Waffen. Aus diesem Grund ist es für die Kriegsindustrie selbstverständlich, Kriege oder Kriegsgefahr zu fördern.”
( … )
“‘Das ist alles ganz unmöglich’, wird der eine oder andere vielleicht denken, ‘die freie Welt muss schliesslich verteidigt werden. Und dazu benötigt man eben Waffen.’
‘Freie Welt.’ – Haben die Männer, die, mit dem Untergang spielend, diesen Ausdruck so gern in den Mund nehmen, denn wirklich Freiheit im Auge? Und demaskieren sich nicht gerade diejenigen, die diese Redensart nachreden, als total unfrei? – nämlich als Menschen, die sich ihrer Urteilskraft haben berauben lassen?” ( … ) Ingeborg Drewitz (in: Was geht uns Frauen der Krieg an? Hrsg.: Christa Randzio-Plath, rororo-Verlag 1982): “Mit solchem Zynismus ….
Und darum ist das Nachdenken über andere, nicht tödliche Konfliktlösungen immer wieder beiseite geschoben werden, sind Söldner angeworben worden, Söhne ihrer Mütter, die vielleicht nicht mehr nach ihnen gefragt haben. Sind Söhne, auch Töchter zum Kriegsdienst verpflichtet worden, auch wenn ihre Mütter nach ihnen gefragt haben. Sind Städte, Landschaften vernichtet worden, denken wir nur an das Ödland, das der Dreissigjährige Krieg in Deutschland zurückgelassen hat, denken wir an die Trichterfelder und Totenäcker in Frankreich, die der Erste Weltkrieg hinterlassen hat, denken wir an die verbrannte Erde, die zertrümmerten Städte, die der Zweite Weltkrieg zurückgelassen hat. Und an die immer wieder unvorstellbaren Tausenden, Hunderttausende, Millionen junger Toten, die zum Leben geboren wurden. Denken wir an die vergiftete Erde Vietnams, Kambodschas, an die nachsterbenden Atom-kranken von Hiroshima und Nagasaki, an die verhungernden Kriegsgefangenen in Deutschland, in Frankreich, in Russland, denken wir an die durch Gas und Folter und Hinrichtungen Umgebrachten in den Lagern, den Zuchthäusern, denken wir – denken wir… “
Überlegung:
Ist nicht gerade die Verweigerung “zu denken”, wieder und wieder “zu denken” der Grund, weshalb mit beinah abstraktem Handlungsentwurf für den kommenden Krieg die Rede von “Kollateralschäden” ist?
Sudhir Kakar (indischer Psychoanalytiker und Ingenieur , der in Berlin arbeitet, geb. 1937; Zitat aus seinem Buch “Die Gewalt der Frommen” resp. The Colors of Violence, 1996/ dt. 1997): “Die vollständige Passivität, die dem Ergriffensein anhaftet, ist ein toter Ballast, der jeden nach unten zieht, der damit in Berührung kommt. Ich kann mich nicht in ein Kind einfühlen, weil ich mich gegen das Ergreifende an ihm zur Wehr setzen muss. Es ist viel leichter für mich, es zu bemitleiden. Mitleid ist Distanz. ( . .. )
“Den Kern der Sensibilität bildet die Empathie. Empathie ist die Brücke zwischen der gelassenen Zurückhaltung des Klinikers, der um Objektivität bemüht ist, und der vitalen, leidenschaftlichen und verletzlichen Person, die im Leib des Klinikers zu Hause ist. Empathie lässt mich, als Analytiker und als Wissenschaftler, aus der Anonymität einer unpersönlichen Unternehmung heraustreten und bewirkt, dass ich mich darin ständig wiedererkenne als Mensch aus Fleisch und Blut. Ohne ihre (resp. der Empathie) lebenswichtige Präsenz geht die schöpferische Spannung zwischen Objektivität und leidenschaftlicher Anteilnahme, zwischen dem stoisch und dem emotional reagierenden Betrachter verloren.”
Überlegung:
Eingehen auf “sym-pathein” – “em-pathein” und “handeln”: Handeln ohne Folgen, die Leiden und/oder(innere und/oder äussere, augenblickliche und/oder zukünftige Zerstörung bewirken.
Eingehen auf Reziprozität ” (“recus” – vorher, “procus” – nachher): in jedem gegenwärtigen Handeln wirkt Vergangenheit nach und ist Zukunftsgestaltung möglich, d.h. es gilt, als Subjekt so zu handeln, dass das gleiche Handeln eines anderen Subjekts erträglich wäre, wenn das Ich ein Du, ein Ihm/Ihr, ein Ihn/Sie resp. ein Objekt wäre.
Ernest Hemingway (ausgewählt von Scott Ritter, um sein Interview einzuleiten): “Das erste Allerheilmittel für eine heruntergewirtschaftete Nation ist Inflation (resp. Währungsverfall); das zweite ist Krieg. Beide bewirken einen momentanen wirtschaftlichen Aufschwung; beide führen zu einem nachhaltigen bleibenden Ruin. Trotzdem sind beide Flucht- und Hilfsmittel für politische und wirtschaftliche Opportunisten”. (Scott Ritter war von 1991-98 verantwortlich für die Überwachung der Abrüstung in Irak).
Leo N Tolstoj (aus: Patriotismus und Regierung. Jasnaja Polnaja 1905): “Trotz dem unwiderleglichen und augenscheinlichen Zusammenhang der die Völker ruinierenden allgemeinen Kriegstüstungen und mörderischen Kriege mit diesem Gefühl (resp. dem Gefühl des Patriotismus), begegneten und begegnen noch heute alle meine Argumente bezüglich der Unzeitgemässheit und Schädlichkeit des Patriotismus entweder nur Stillschweigen oder absichtlichem Nichtverstehen( … ). man sollte doch meinen, dass die Schädlichkeit und Unvernünftigkeit des Patriotismus klar sein müssten. Aber sonderbar, die Gebildeten und Gelehrten sehen es nicht nur nicht selbst, sondern bestreiten auch mit der grössten Hartnäckigkeit und Hitzigkeit, wenn auch ohne jede vernünftige Raison, jeden Hinweis auf die Schädlichkeit und Unvernunft des Patriotismus( … ). Jeder Staatsbeamte kommt in seiner Karriere um so besser fort, je mehr Patriot er ist; ebenso macht auch jeder Militär seine beste Karriere im Krieg, der wiederum durch den Patriotismus hervorgerufen wird. Der Patriotismus und seine Folgen, die Kriege, verschaffen den Zeitungsschreibern kolossale Einkünfte und den meisten Kaufleuten Vorteile.
( … )
In den Händen der regierenden Klassen befinden sich das Heer, das Geld, die Schule, die Religion, die Presse. Zu der Befreiung der Menschen von dem furchtbaren Übel der Rüstungen und Kriege, unter denen sie gegenwärtig zu leiden haben und das immer mehr und mehr wächst, sind nicht Kongresse, nicht Konferenzen, nicht Traktate und Schiedsgerichte nötig, sondern die Vernichtung jener Gewalt, die sich Regierung nennt und von der die grössten Leiden der Menschheit hertühren.
( … )
Man könnte die Unterordnung eines ganzen Volkes unter wenige Leute noch rechtfertigen, wenn die Regierenden die besten Menschen wären; aber das ist nicht der Fall, war niemals der Fall und kann es nie sein. Es herrschen häufig die schlechtesten, unbedeutendsten, grausamsten, sittenlosesten und vor allem verlogensten Menschen” ( … ).
Bertha von Suttner (eine der Begründerinnen der Friedenbewegung in Deutschland, veröffentllichte 1888 – Kriege im Zusammenhang der Nationalstaatengründungen und des Imperialismus – “Die Waffen nieder”; gest. 1914): “Wie müsste die Welt erst aufatmen – dachte ich damals zum erstenmal – wenn es allenthalben hiesse: Die Waffen nieder! – auf immer nieder! Ich trug das Wort in die roten Hefte ein. Daneben aber schrieb ich verzagt, zwischen Klammern: ‘Utopie’. ( … )
‘Rüstungswahn und den Rüstungswahnsinn’ … – einer der Titel, unter welchen sie Überlegungen sammelte, so 1912 folgende: Was kommen müsste, wenn einst der grosse ‘Zukunftskrieg’ ausbräche, das hat Johann Bloch schon vorhergesagt. Nämlich vollständiger wirtschaftlicher Zusammenbruch und Anarchie. Was schon jetzt – im gegenwärtigen Zustand – da ist, nämlich steigende Not, revolutionäre Ansätze, Krieg – das zeigt die Unhaltbarkeit dieses Zustandes: der bewaffnete Friede ist bankerott.
( … ) ‘Die Unruh der Welt’ ( the world’s unrest), das ist ein Satz, der gegenwärtig in der englischen Publizistik geläufig als Spitzmarke für die Betrachtungen über die Ereignisse des Tages gebraucht wird. Und wahrlich mit Recht: Stillstand und volle Ruhe hat es zwar nie gegeben, aber ein solches Gären und Brodeln, eine solche Unsicherheit, eine solche Überstürzung von Gefahren, Drohungen, Konflikten und Krisen, wie die jüngste Zeit sie aufweist, das hat noch keiner von uns erlebt. Was soll da kommen?” ( … )
Rosa Luxemburg (Brief an Otto Hue):
” … die freie und offene Kritik, der lebhafte Meinungsaustausch, das rege geistige Leben sind geradezu die Existenzbedingungen, die Lebensluft für die moderne Arbeiterbewegung, sowohl für ihren ökonomischen wie für ihren politischen Teil”
Rosa Luxemburg (Spartakusbriefe 1918 / Anfang 1919 wurde sie ermordet): “Es ist eine offenkundige, unbestreitbare Tatsache, dass ohne freie, ungehemmte Presse, ohne ungehindertes Vereins- und Versammlungsleben gerade die Herrschaft breiter Volksmassen undenkbar ist(. .. ).
Rosa Luxemburg (aus der Junius-Broschüre, Überlegungen/Kommentar zur Zustimmung der sozialdemokratischen Reichtagsfraktion zum Ersten Weltkrieg): “Wenn es sich wirklich um die Existenz der Nation, um die Freiheit handelt, wenn diese nur mit dem Mordeisen verteidigt werden kann, wenn der krieg eine heilige Volkssache ist – dann wird alles selbstverständlich und klar, dann muss alles in kauf genommen werden. Der Krieg ist ein methodisches, organisiertes, riesenhaftes Morden. Zum systematischen Morden muss aber bei normal veranlagten Menschen erst der entsprechende Rausch erzeugt werden. Dies ist seit jeher die wohlbegründete methode der Kriegführenden. Der Bestialität der Praxis muss die Bestialität der Gedanken und der Gesinnung entsprechen, diese muss jene vorbereiten und begleiten.”
Rosa Luxemburg (aus. Die russische Revolution): Freiheit nur für die Anhänger der Regierung, nur für die Mitglieder einer Partei – mögen sie noch so zahlreich sein – ist keine Freiheit. Freiheit ist immer nur die Freiheit der anders Denkenden. Nicht wegen des Fanatismus der ‘Gerechtigkeit’, sondern weil all das Belehrende, Heilsame und Reinigende der politischen Freiheit an diesem Wesen hängt und seine Wirkung versagt, wenn ‘Freiheit’ zum Privilegium wird.
Das Negative, den Abbau kann man dekretieren, den Aufbau, das Positive nicht. Neuland. -Tausend Probleme. Nur Erfahrung ist imstande zu korrigieren und neue Wege zu eröffnen. (. .. ) Das öffentliche Leben der Staaten mit beschränkter Freiheit ist deshalb so dürftig, so armselig, so schematisch, so unfruchtbar, weil es sich durch Ausschliessung der Demokratie die lebendigen Quellen allen geistigen Reichtums und Fortschritts absperrt. (. .. )Der einzige Weg zur Wiedergeburt ist die Schule des öffentlichen Lebens selbst, uneingeschränkteste, breiteste Demokratie, öffentliche Meinung.”
Überlegung:
(a) Ist nicht allmählich USA selber so weit?
(b) Überlegung des Rosa Luxemburg’s Herausgebers Ossip K. Flechtheims: R. L. untersucht die Tatsache, dass “aus einer Triebkraft der kapitalistischen Entwicklung auch der Militarismus zur kapitalistischen Krankheit wird” – diese “Krankheit” zum Instrument, um die Zielsetzungen des Imperialismus zu erreichen.
(c) Frage: Muss das Beharren auf Hoffnung einer tatsächlichen Korrektur der menschlichen Destruktivität immer mit “Niederlagen” einhergehen, damit sie in jeder Generation erneut wach wird?
Aus dem Briefwechsel Albert Einstein – Siegmund Freud von 1932:
Albert Einstein: “Ich bin der gleichen Meinung wie der grosse Amerikaner Benjamin Franklin, der sagte: Es hat niemals einen guten Krieg und niemals einen schlechten Frieden gegeben. ( … ) Nichts wird Kriege abschaffen, wenn nicht die Menschen selbst den Kriegsdienst verweigern. ( … ) Jeder Krieg fügt ein weiteres Glied an die Kette des Übels, die den Fortschritt der Menschlichkeit verhindert. Eine Handvoll Kriegsdienstverweigerer kann den allgemeinen Protest gegen den Krieg dramatisieren. Die Massen sind niemals kriegslüstern, solange sie nicht durch Propaganda vergiftet werden. ( … ) Was für eine Welt könnten wir bauen, wenn wir die Kräfte, die ein Krieg entfesselt, für den Aufbau einsetzten. Ein Zehntel der Energien, die die kriegführenden Nationen im Weltkrieg verbraucht, ein Bruchteil des Geldes, das sie mit Handgranaten und Giftgasen verpulvert haben, wäre hinreichend, um den Menschen aller Länder zu einem menschenwürdigen Leben zu verhelfen sowie die Katastrophe der Arbeitslosigkeit in der Welt zu verhindern. ( … ) Gibt es eine Möglichkeit, die psychische Entwicklung der Menschen so zu leiten, dass sie den Psychosen des Hasses und des Vernichtens gegenüber widerstandsfähiger werden? Ich denke dabei keineswegs nur an die sog. Ungebildeten. Nach meinen Lebenserfahrungenist es vielmehr gerade die sogenannte ‘Intelligenz’, welche den verhängnisvollen Massensuggestionen am leichtesten unterliegt, weil sie nicht unmittelbar aus dem Erleben zu schöpfen pflegt, sondern auf dem Weg über das bedruckte Papier am bequemsten und am vollständigsten zu erfassen ist.”
Siegmund Freud ( aus der langen, sehr theoretischen und pessimisten Antwort gegen Schluss):
“Den psychischen Einstellungen, die uns der Kulturprozess aufnötigt, widerspricht der Krieg in der grellsten Weise. Darum müssen wir uns gegen ihn empören. Wir vertragen ihn einfach nicht mehr. Es ist nicht bloss eine intellektuelle und affektive Ablehnung, es ist bei uns Pazifisten eine konstitutionelle Intoleranz, eine Idiosynkrasie (Überempfindlichkeit gegen bestimmte Stoffe, Abneigung, Widerwille) gleichsam in äusserster Vergrösserung. Und zwar scheint es, dass die ästhetischen Erniedrigungen des Kriegs nicht viel weniger Anteil an unserer Auflehnung haben als seine Grausamkeiten. ( … ) Vielleicht es keine utopische Hoffnung, dass der Einfluss dieser beiden Momente – der kulturellen Einstellung und der berechtigten Angst vor den Wirkungen eines Zukunftskrieges – dem Kriegführen in absehbarer Zeit ein Ende setzen wird. Auf welchen Wegen und Umwegen können wir nicht erraten. Unterdessen dürfen wir uns sagen: Alles, was die Kulturentwicklung fördert, arbeitet auch gegen den Krieg.”
Simone Weil (geb. 1909 in Paris -1943 in England):
“Es gibt keinen Krieg, der nicht ein Krieg der Mächtigen gegen diejenigen ist, die ihn führen müssen und die in ihm getötet werden. Jeder Krieg ist weniger ein Ereignis zwischen den Staaten als ein Ereignis im Inneren der menschlichen Gesellschaft”. “Quand il y a oppression, ce n’est pas la nation qui est opprimee, c’est un homme et un homme et un homme” ( … ).
Erasmus von Rotterdam (aus: Die Klage des Friedens 1516-17)
( … ) “Die vernunftlosen Tiere sind innerhalb ihrer eigenen Art leutselig und weinig. In Herden leben die Elefanten, in Scharen weiden die Schweine und Schafe, im Schwarm fliegen Kraniche und Dohlen, die Störche – immer noch Inbegriff des Familiensinns – haben ihre Sammelplätze, die Delphine beschützen sich mit gegenseitiger Hilfe; bemerkenswert sind die unter sich einträchtigen Ameisen und Bienen (. .. ).
Wie verhalten sich selbst die schrecklichsten Raubtiere? Die Löwen lassen ihre rohheit nicht unter sich aus. Der Eber stösst seine mörderischen Zähne nicht in einen Eber, der Luchs hat Frieden mit dem Luchs, die Schlange versehrt nicht die Schlangen, die Eintracht der Wölfe ist sogar sprichwörtlich.( .. ).
Einzig die Menschen, denen unter allen am meisten die Einmütigkeit gemäss wäre und die ihrer auch zu allererst bedürfen, verbindet weder die sonst so mächtige und einigende natur noch die Erziehung, noch der Wunsch nach fortschritt leimt sie zusammen, noch zwingt sie schliesslich die Wahrnehmung und Erfahrung des Unheils zur Nächstenliebe. Alle gleichen sich in Gestalt und Stimme; dagegen sind andere Tierarten unter sich hauptsächlich in der Köperform verschieden; nur Menschen besitzen ein Denkvermögen, das nur ihnen und nicht den übrigen Tieren eigen ist. Allein diesem Lebewesen ist die Sprache gegeben, die besonders als Freundschafts-Stifter geeignet ist” ( … ).
Wolf Dieter Gudopp (aus: Auf dem Weg in den Dritten Weltkrieg? veröffentlicht 1993):
“Die Erde wird unter den imperialistischen Mächten und Mächtegruppierungen neu aufgeteilt. Wir sind in diesen Jahren zeugen einer Phase, in der die Grassen möglichst vorteilhafte Ausgangsstellungen besetzen und sichern, beziehungsweise dem Konkurrenten entziehen, um für die entscheidende künftige Auseinandersetzung gerüstet zu sein und unter den im Vergleich zu ‘den anderen’ günstigeren Bedingungen operieren zu können. Im daraus resultierenden, sich jetzt abzeichnenden labilen Kompromiss und Waffenstillstand (sich! 1996 stimmte dies auch nicht) wird die neue Lage im Blick auf den – wie immer relativen und vorläufigen – Haupt- und Endkampf um die Weltherrschaft organisiert. Wird die Entwicklung des Dritten Weltkriegs oder die Entwicklung zu diesem aufzuhalten und umzukehren sein? Die imperialistische Konkurrenz und das ihr wesenhafte Streben nach Weltherrschaft zu Lasten des Konkurrenten treiben zum Krieg. Ein schwacher Trost und eine geringe Beruhigung. Das eine ist die übergreifende Wirklichkeit einer objektiven Gesetzmässigkeit, das andere ein relatives Moment. ( … ) Auf jeden Fall sind es nach wie vor die gesellschaftlichen Menschen, welche die Geschichte machen. So oder so.”
Daniel Thürer (Staats- und Völkerrechtler Uni Zürich, NZZ 8.2.03): “Ich bin der Auffassung, dass militärische Aktionen im jetzigen Verfahrensstadium unzulässig sind. ( … ) Das System der kollektiven Sicherheit verlangt die Suche nach Konsens aauf dem Verhandlungsweg. Die Politik des “go-it-alone-my-own-way” der Supermacht USA verträgt sich schlecht mit dem Geist des Völkerrechts.”
W eitere Überlegungen:
1) Im Widerstand gegen den Krieg geht es nicht um ein Schonen oder um ein weiteres Gewährenlassen des heute 66jährigen Diktators S.H. (geb. 1937). Die Dringlichkeit dessen Absetzung und einer politischen Korrektur in Irak- einer Korrektur der jahrzehntelangen blutigen Diktatur zu einer allmählich sich stärkenden Demokratie – ist unbestritten, seit über dreissig Jahren. Als 1968 Saddham Hussein Vize-Präsident der Ba’ath-Partei wurde (Mitglied war er seit 1956), begann er, mit einem immer dichteren Netz von Geheimpolizei seine Macht und jede Art von politischem Widerstand zu verunmöglichen; Gefangennahme, Folter und Tötung von Oppositionellen – resp. von kritischen Denkern und Denkerinnen – gehörten zunehmend zum Alltag. Die Anzahl und das Ausmass brutaler Verbrechen wird kaum je zu schildern sein. Als 1979 in Iran der Shah durch eine Volksrevolte gestürzt wurde und Ayatolla Komeni die Macht übernahm, und als es zur Besetzung der amerikanischen Botschaft in Teheran durch fundamentalistisch islamische Aufständische kam, welche 440 Tage und Nächte dauerte, überrollte in Irak im gleichen Jahr Saddham Hussein den damals herrschenden General Bakr und die ganze Führungsschicht mit seiner Alleinherrschaft.
Ein Jahr später, 1980, wurde Präsident Carter nicht wieder gewählt, sondern Präsident Reagan, dessen Vize-Präsident George Bush war; gleichzeitig begann der acht Jahre dauernde Krieg von Irak gegen Iran. Von 1982 an war Saddham Hussein’s Irak von der amerikan. Liste der Terrorstaaten gestrichen und wurde zunehmend mit militärischem Fachpersonal und mit jeder Art von Waffen ausgerüstet – insbesondere mit chemischen und biologischen, die gegen Iran eingesetzt wurden, 1988 auch gegen die Kurden im Norden Iraks. Den Kurden ging es um Unabhängigkeit – gegen Irak und gegen die Türkei; Saddam Hussein und Reagan – heute auch George W. Bush – geht es vor allem um die Beherrschung der Ölgebiete. Die Militärausgaben Iraks gingen so weit, dass eine erdrückende Schuldenlast sich anzuhäufen begann. Dies mag 1990 ein Hauptgrund gewesen sein für den Angriff Iraks auf Kuwait.
In den USA war die Kenntnis der von Masslosigkeit an Gewalt und menschenrechtlichen Verbrechen geprägten Herrschaft Sadam Hussein’s unbestritten. Doch erst nach dem Angriff auf Kuwait wurde er zum Feind erklärt; im Februar 1991 schlugen die USA unter George Bush und General Norman Schwartzkopf die irakische Armee innerhalb eines Monats zurück. Nicht der Diktator wurde entmachtet, sondern ein System der zusätzlichen ständigen Kontrolle, der Abrüstung und der Vernichtung der von den USA, aber auch von Frankreich, Deutschland und anderen westlichen Ländern gelieferten Waffen (von 1991 bis 1998), bis heute das System des Wirtschaftsembargos. In Irak wuchs in diesen 12 Jahren wirtschaftlicher resp. gesamtgesellschaftlicher Sanktionen ein Ausmass an Demütigung und an Not, an Ernährungsknappheit und an medizinischem Mangel, an lähmender Ohnmacht und an Wut an, das in menschenrechtlicher Hinsicht ebenfalls als Terror beurteilt werden muss – als Terror an Kindern und Jungendlichen, auch an zahllosen nicht-schuldigen Erwachsenen, ausgeübt von der westlichen Welt, insbesondere von den USA
“Kein Krieg gegen Irak” hiess/heisst weltweit, auch in den USA selber, “kein Krieg gegen die Menschen in Irak”. Das irakische Volk, das als Staat in seiner Komplexität von schiitischen, sunitischen und kurdischen Teilen Resultat eines Entscheids der Westmächte nach dem Zweiten Weltkrieg ist, das zu einem grossen Teil Opfer der von S.H. geführten Alleinherrschaft der Suniten und der Baath-Partei ist, von polizeilicher Folter und militärischer Ermordung im eigenen Land, gleichzeitig von Korruption auf der Machtseite und von lebensbedrohlicher Diskriminierung in der Erfüllung zentraler Grundbedürfnisse auf der anderen Seite, als Folge des nun seit zwölf Jahren anhaltenden Wirtschaftsembargos-, dieses Volk darf nicht durch die Masslosigkeit des W eltbeherrschungsanspruchs von George W. Bush Opfer der modernsten Vernichtungswaffen werden, über welche die USA verfügen.
(2) Nie kann Gewalt Gewalt korrigieren, Gewalt erzeugt Gegengewalt – und Krieg ist extremste Umsetzung von Gewalt. Zu befürchten sind Folgen bei der Zivilbevölkerung und im Umkreis der Staaten (Israel; Iran; alle arab. Staaten). Schon das Wirtschaftsembargo war/ist Gewalt gegen das Volk. (Ich erinnere an die Folgen der Wirtschaftssanktionen gegen Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg). Korrektur von Gewalt ist nur möglich – zwischen
Individuen wie zwischen Völkern, zwischen Ethnien und Religionen – wenn
- a) das Prinzip des Dialogs sich umsetzt, nicht auf der abstrakten Ebene, sondern auf jener der wirklichen Verantwortlichen, über freie Presse und breite Partizipationsmöglichkeit des Volkes;
- b) wenn die gleiche Erfüllung der Grundbedürfnisse der Menschen Massstab politischer Strukturen in den einzelnen Nationen und im Verhältnis der Nationen wird.
Entwurf: Aus allen Teilen des irakischen Staates sollten junge Menschen – junge Frauen und junge Männer -, deren Erlebnisse von Angst, Not oder Scham in der Kindheit, deren Bedürfnisse – Wissens- und Lebensbedürfnisse – mit gleichaltrigen Menschen aus Israel, aus dem Balkan, aus Tschetschenien und ans anderen Teilen Russlands, Afghanistan, Türkei, den europäischen, afrikanischen, asiatischen und amerikanischen Teilen der Welt in der Klärung von Fragen miteinbezogen werden, in welchen es um die Gestaltung des tatsächlichen Lebens und Zusammenlebens geht, um die geteilte, gemeinsame Gestaltungsmöglichkeit und Verantwortung der Zukunft wie um die Geschichte, deren Leiden ob dem Mangel an Lebenssicherheit und Beziehungssicherheit infolge durchgestandener Gewalt ebenso wach ist wie deren Hoffnung auf ein angstfreies Leben. Dabei geht es um den aktiven Einbezug in allem, was Korrektur von Machtmissbrauch beinhaltet: um eine genügende materielle Sicherheit aller Menschen im Sinn von Gerechtigkeit, um das aktive Mitgestaltenkönnen der politischen Strukturen, die letztlich Demokratie bedeuten – um das Wiederherstellen von partizipativem, reziprokem Lebenssinn und Lebenswert, so dass keine Rachebedürfnisse auf Grund sich fortsetzender Ohnmacht mehr Angst einflössen. All dies kann nicht durch Krieg erreicht werden. (Erinnerung an das Ende Ceauscescu’s in Rumänien 1988/89).
(3) Analytische Deutung der Bush-Figur als “Chef der Welt”: George W. Bush nimmt die Pose (abgeleitet vom lat. ponere, positum) des unbeirrbaren “Führers” ein, des “Führers” der USA und der Welt. Er setzt die Position des Vaters fort, dessen Herrschaft er, selber ein in jeder Hinsicht “führungsbedürftiger”, weder kluger noch welterfahrener Mann, acht Jahre nach dessen Herrschaft auf fragwürdige Weise übernahm und zu übertreffen sucht – eine Position der wirtschaftlichen (insbesondere der rüstungstechnischen) sowie in Verbindung mit der Wirtschaft der politischen und militärischen Weltkontrolle, der Weltbeherrschung im Sinn von Weltmacht (abgeleitet vom lat. potere), letztlich der Weltpossession (vom lat. possesivus, possidere). Was er als Pflicht erklärt, ist ein Verhalten des Gehorsams dem Vater und dem Grossvater gegenüber sowie einem Clan untereinander vernetzter “Falken”, die sich seit bald dreissig Jahren nahe stehen, deren Gewinn- und Machtanspruch bedenkenlos war/ist. Neo-konservative Oligarchie (resp. Herrschaft weniger, deren Vernetzung zwischen “Wirtschaft – insbesondere Rüstungsindustrie – und politischer Macht sich fortsetzt) und kapitalistischer Imperialismus verbinden sich mit protestantisch-christlichem Fundamentalismus,
im Herrschafts- und Besitzanspruch, was die Presse, die Industrie (in den USA auch die Rüstungsindustrie) wie die Bodenschätze – letztlich in allem das “Geld” betrifft,
in der kritiklosen Beeinflussung seiner Handlungsentscheide und deren Begründung durch macht- und kriegslüsterne “Falken” (Donald Rumsfeld, Wolfowitz, Perle, Cheney),
in der Notwendigkeit von Feinderklärungen aus – vermutlich – innenpolitischen Gründen wie in der Begründung des Kriegs (“Achse des Bösen”, Kreuzzug, Rettung der Welt etc.).
Überlegungen zu innenpolitische Gründen für die Erklärung der Notwendigkeit eines Kriegs
durch George W. Bush und Konsorten: Analog zur Vorbereitung des Ersten wie des Zweiten Weltkriegs dient die Feinderklärung der Überdeckung der sozialen Missstände im eigenen Staat, der zunehmenden Armut, Arbeitslosigkeit und Zukunftslosigkeit der jungen Bevölkerungsteile in den meisten Gebieten der USA;
der Erprobung, der Benutzung und damit der zusätzlichen Produktion von Waffen; bekannt ist durch Erforschung der Folgen des amerikanischen Bombeneinsatzes im ersten Golfkrieg von 1991 mit enormer Ölkatastrophe im Boden und im Meer, mit der Zerstörung der Bodendecke durch die Präsenz von Hundertausenden von Soldaten, Panzern und Geschosse, insbesondere jene mit schwer toxischem, abgereichertem Uranium, das vor allem der Zerstörung von Panzerwagen dient ( auch in Bosnien und in Serbien/Kosovo, auch in Afghanistan), vermutlich auch mit Plutonium – mit Folgen, die analog zu denjenigen sind, die durch Atomwaffeneinsatz entstehen. (Restbestände des toxischen Materials in der Erde, im Wasser etc; Untersuchungen wurden z.B. in der Schweiz im Laboratorium von Spiez vorgenommen; in Spitälern in Bosnien und in Serbien, aber auch in Irak, z.B. in Basra in Südirak, werden zunehmende schwere Missbildungen von Kindern und zunehmende Krebserkrankungen registriert, analog zu den Folgen der atomaren Angriffe in Hiroshioma und in Nagasaki wie zu jenen der vielfachen amerikanischen Angriffe in Vietnam, ebenso zu jenen des “Unfalls” in Tschernobyl; diese entsetzlichen Folgen, menschliche Folgen durch ökologische Zerstörung).
Völliges Übergehen und Unterlassen diplomatischen Einflusses auf Veränderungsmöglichkeiten in der Beziehung zwischen Staaten Nicht nur völkerrechtliche, sondern auch menschenrechtliche Fehlentscheide: Trotz Bekanntgabe der UNO- Weltgesundheitsorganisation von über eine halbe Million ermordeter Kinder und Erwachsener im Afghanistan-Krieg, trotz – gestützt auf Berichten der gleichen UNO-Organisation – ebenso vieler, durch Verhungern und ungenügende Medizin kranker oder toter Kinder als Folge der Wirtschaftssanktionen in Irak, trotz all der nicht-tragbaren Folgen von 12 Jahren internationaler “Strafmassnahmen” in Irak, wo politischer Widerstand gegen S .H. und eigene Korrektur der politischen Verhältnisse in Hinblick auf demokratische Strukturen einerseits wegen der brutalen Gewalt von S.H’s Diktatur bis heute nicht möglich war, andererseits aber wegen der gesellschaftlichen Lähmung durch die Massnahmen des Embargos – trotz all dem ein “absoluten” Beharren der USA auf Krieg – mit der grosssprecherischen Ankündigung des Einsatzes gewaltiger neuer “High-Tech-Super-Bomben” – ohne geringster Bedenken bezüglich Opfer und bezüglich Zerstörung der Erde.
Der Betrug der amerikanischen Zweckerklärung; vorgegeben wird die Notwendigkeit der “Entwaffnung” von S.H., aber es geht, wie der ehemalige amerikanische Botschafter in Bagdad, Joseph Wilson, erklärt, um einen “imperialistischen Akt”, um eine amerikanische Besetzung des erdölreichen Nahen und Mittleren Ostens.
Meine persönlichen Gefühle: Was in mir Angst weckt:
Die Masslosigkeit der militärischen Gewalt, welche die USA mit der Begründung der Notwendigkeit von Krieg bedenkenlos einsetzt, Masslosigkeit an zugefügtem Leiden, Masslosigkeit der weltweiten Gefährdung.
Das völlige Beiseiteschieben der langen historischen Kenntnis, dass Gewalt nie durch Gewalt aufgehoben werden kann, dass jede erlebte Gewalt sich irgendwie fortsetzt, als Rache, als sog. Wiedergutmachung, als Wiederholung des Erlebten, als Aufstand gegen Ohnmacht;
dass erneut jede Art von militärischem Angriff eine weitere Folge von Zerstörung und Leiden bewirkt, die nach Rache ruft und somit nach neuem “Terror” oder Krieg;
dass tastsächlich nicht aus der Geschichte gelernt wird, dass alle Toten und alle psychisch, körperlich oder kulturell verstümmelten Überlebenden vergeblich sind;
dass befürchtet werden muss, dass in Ländern wie der Schweiz nach kurzer Zeit eine Verdrängung der unerträglichen Realität erfolgt, eine zunehmende Indifferenz und moralische Abschottung, die sich in rechtsextreme “Sicherheitsmassnahmen” im Asyl- und Ausländerbereich wie auch im Sozial- und Strafrechtsbereich (z.B. im “gesetzmässigen” Verhalten von Behörden, Polizei etc) auswirken wird;
dass weltweit Angst auf Langzeitfolgen von Massenvernichtungswaffen gelenkt wird (und jene der USA?), dass jede andere Gefährdung menschlichen Lebens damit überdeckt wird, die ökologische und gesundheitliche, diejenige des freien, kritischen, verantwortungsbewussten menschlichen Zusammenlebens, damit die Gefährdung durch Massenmedien, durch welche die breiteste Verdummung und Lenkbarkeit der breiten Bevölkerung- der Massen- angestrebt und realisiert wird.
Dass die Erklärung der Menschenrechte von 1948 resp. des gleichen Rechts aller Menschen auf Erfüllung der Grundbedürfnisse, auf Sicherheit, Bildung und politische Mitgestaltung dort, wo sie leben, mehr und mehr als wertlos gilt (s. rassistisch-fremdenfeindliche Zuspitzung in Asyl-/Ausländerrecht).
Was mich aufbrachte:
die fanatische Sturheit von George W. Bush und seiner Adlaten – insbesondere von Rumsfeld – auf dem Bestehen der Kriegsnotwendigkeit; dabei das kalte, wie abstrakte Erwähnen und selbstverständliche Inkaufnehmen von “Kollateralschäden” – womit die Tötung und Verwundung, auch die langfristige psychische und lebenspraktische Schädigung von Millionen von Menschen “abgehäckelt” wird als etwas völlig Bedeutungsloses;
die Macht über einen Grossteil der Medien in den USA durch das Bush-Regime und die Benutzung von Fernsehen und Presse für fanatisierte Täuschungen der Informationen zum Zweck der Betörung der breiten Bevölkerung;
der damit verbundene Missbrauch der Ohnmacht und Abhängigkeit der zunehmenden breiten Bevölkerung, deren Armut, Arbeitslosigkeit und Zukunftslosigkeit überhand nimmt;
die bedenkenlose Benutzung der Sprache (bei den Reden Bush’s, bei jenen von Rumsfeld etc., Benutzung der Medien) und der Bilder zu Täuschungsmanövern der nicht-intellektuellen, nicht sprachkritischen, autoritätsgläubigen Bevölkerung;
das gleichzeitige Vertuschen der Tatsache, dass die Kriegsgefahr in Israel wegen der Fortsetzung der seit drei Generationen sich verstärkenden Entrechtung der Palästinenser durch den amerikanisch- israelischen Pakt anwächst, wobei die infolge der Ohnmacht anwachsende Gewalt der palästinensischen Bevölkerung nicht als Antwort auf die militärische Gewalt, die von Israel selber ausgeübt wird, verstanden wird, sondern als eigentliche Bedrohung erklärt wird; auch dass die getöteten palästinensischen Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen nicht “zählen”, sondern allein die Opfer auf israelischer Seite – als sei der Wert menschlichen Lebens, unterschiedlich hoch (Wiederholung auf umgekehrter Seite der eigenen durchgemachten Erfahrung von Antisemitismus. Ghettoisierung, Entrechtung und programmierter Tötung – dessen, was Millionen von Vorfahren in Deutschland und in ganz Europa insbesondere von 193 3 bis 1945 erlebt haben); auch dass das Ausmass der politischen und militärischen Fehlentscheide und Gewalt von Seiten Israels in breiten jüdischen Kreisen tabuisiert wird.
Was mich freute und stärkte:
die weltweite, zunehmend intensivere und stärkere Demonstration gegen den Krieg, gegen Waffendestruktion und gegen menschliches Leiden – und für den Aufbau eines friedlichen Zusammenlebens der Völker, für eine Korrektur jeglichen Gewaltregimes, auch jenes von Saddam Hussein, auch jenes der Weltmacht Amerika, auch zahlreicher anderer politischer, wirtschaflticher und fundamentalistisch-religiöser Machtsysteme;
so auch eine Demonstration von ca. 800’000 muslimischer Menschen in Indonesien – nicht für Saddam Hussein, sondern gegen den Krieg, der nicht vorhersehbare Folgen für Millionen von Menschen nach sich ziehen würde;
das Eintreten afrikanischer Länder, so Süd-Afrikas durch Nelson Mandela, und arabischer Länder auf diplomatischem Weg mit der Aufforderung an Saddam Hussein, ins Exil zu gehen (mit Angeboten der Straffreiheit – was letztlich zu weit geht, wie ich denke);
Anfang März die Ablehnung des türkischen Regierungsentscheids durch das türkische Parlament, die Kriegsstrategie der USA im eigenen Land zuzulassen, mit besonderer Berücksichtigung der erneuten extremen Gefährdung Kurdistans;
die wachsende Kritik auch in Grossbritannien gegen Tony Blair’s Bündnis mit George W. Bush, auch in den USA gegen die Macht der wirtschaftsvernetzten “Falken”, deren gehorsames Vollzugsobjekt der Präsident ist;
immer wieder das Erkennen und Spüren, dass Bilder und Sprache als breites und wirksames Instrument des Widerstands gegen Gewalt benutzt werden können und tatsächlich benutzt werden (Bedeutung von Presse, von Theater und Literatur, von Songs, von öffentlichen Gesprächen etc.), dass Sprache eingesetzt und gebraucht wird zur Übersetzung wichtiger menschlicher Empfindungen und Bedürfnisse, auch zur Klärung von Täuschungen resp. von Sprachmissbrauch zum Zweck von Propaganda, auf vielfache Weise zur Stärkung dessen, was “Solidarität” oder gemeinsame Verantwortung heisst.