Gefährdet der Rechtsextremismus die Demokratie? – Podiumsgesprach in der ICZ am 26.1.93
Gefährdet der Rechtsextremismus die Demokratie?
Podiumsgesprach in der ICZ am 26.1.93
( 1) Weiche Voraussetzungen müssen erfüllt sein – nicht ein für allemal. sondern in ständiger Erneuerung und Bewährung-, damit eine Demokratie stark ist, damit sich in ihr die Grundwerte der Freiheit und der politischen Rechte ihrer Bürgerinnen und Bürger sowohl erhalten wie weiter ausbauen lassen? – Herr Fleiner?
(2) Politische Kultur: Was ist darunter zu verstehen? Ist darunter die “Sprachfähigkeit” zu verstehen, die Hannah Arendt in ihrer Demokratiereflexion als Ausdruck der Freiheit darstellt? Zwar war ihr Modell die athenische Demokratie, in der als “sprachfähig” allein die freien, besitzenden Männer galten, die im politischen Diskurs die Macht aufteilten und ausübten; und es brauchte lange, bis auch die Nichtbesitzenden und die Frauen an der Macht partizipieren konnten, d.h. als “sprachfähig” anerkannt wurden, dass sie ein Wort hatten in der Politik und mitsprechen konnten. Wie erlebten und erleben Sie, HerrRickenbacher –als langjähriger Zentralsekretär einer grossen Partei der demokratischen Mitte, die Qualität des politischen Diskurses? Zeigen sich hier eventuell Schwächen und Mängel, die eine zunehmende Radikalisierung erklären können?
(3) Wesentliche individuelle und gesellschaftliche Werte, die auch den politischen Alltag bestimmen, sind religiöser Art. Wie beeinflussen die religiösen Werte und Standortbestimmungen die Politik bei uns, Herr Feigel? Wie ist Ihre diesbezügliche Erfahrung als langjähriger Präsident dieser grossen jüdischen Gemeinde? Trägt der Austausch und Kontakt zwischen den Religionsgemeinschaften zu einer gut funktionierenden Demokratie bei? Oder zeigen sich gerade hier Erscheinungen der Gesprächsverweigerung, eventuell Ängste und eine defensive Abschottung, eine Verteidigung der Eigeninteressen, die die gemeinsamen Interessen in den Hintergrund treten lassen?
(4) Wie sind, Herr Frischknecht, Ihrer Meinung nach die “Linke” und die “Rechte” zu unterscheiden? Lassen sie sich eventuell in Hinblick auf die Qualität des demokratischen Diskurses unterscheiden? Und was bedeutet die Radikalisierung einer politischen Position? Wann muss von Rechtsradikalismus gesprochen werden? Vor allem: Wie kommt es von der Radikalisierung der Gesinnung zur tatsächlich ausgeübten Gewalt?
(5) Gibt es, Herr Fleiner, verfassungsrechtliche Instrumente gegen rechtsradikale Parteien und Gruppierungen? – oder müssen sie als Teil einer pluralistischen, demokratischen Staatsform akzeptiert werden?
(6) Ist Rassismus – als besonders gefährliche Erscheinung rechtsradikaler Politik – ein Element, das auch in anderen politischen Parteien vorkommt? Was denken Sie, Herr Rickenbacher? Sind weltanschaulich offenere Parteien und deren Mitglieder gegen Rassismus gefeit?
(7) Wie erklären Sie die – europaweit festzustellende – Radikalisierung der rechtskonservativen, rassistischen Bewegungen, Herr Feigel? Wie reagieren die jüdischen Gemeinden auf die aggressive Ausgrenzung von Menschen, die als “Fremde” bezeichnet werden? Und was verändert für die Schweiz die Tatsache, dass in der letzten Dezembersession die Anti-Rassismus- Konvention der UNO endlich ratifiziert wurde?
(8) Herr Frischkecht: Sie haben in Ihrem jüngst erschienenen Buch “Schweiz wir kommen” die Entwicklung des Rechtsradikalismus und der gewalttätigen Fremdenfeindlichkeit untersucht. Welches sind die wichtigsten Einsichten, die Sie aus diesen Untersuchungen gezogen haben und vermitteln können?
(9) Spielt das Ende der Hochkonjunktur, der Rückgang der Vollbeschäftigung und der wirtschaftlichen Expansion der Schweiz mit eine bestimmende Rolle in der Radikalisiernng der politischen Szene? Was meinen Sie, Herr Rickenbacher? – 0der hat die politische Indifferenz, die sich zu Zeiten der Hochkonjunktur breitgemacht hat, die Radikalisierung latent vorbereitet?
(10) Was bleibt zu tun, welche Aufgaben stellen sich, um die Demokratie zu stärken, um den Rechtsradikalismus nicht so weit gedeihen zu lassen, dass er die Demokratie gefährdet?
Vielleicht müssen wir fragen: Was können wir tun gegen die Verzweiflung, die überall in der Welt Gestalt annimmt, auch die Gestalt der Fremdenfeindlichkeit und Gewalt?
Braucht es Erziehungsprogramme? – Aufklärungsprogramme? – Beschäftigungsprogramme? – Eine andere Ausländer-, Migrations- und Flüchtlingspolitik? –
Was braucht es, damit eine freundlichere, offenere Stadt- und Lebenskultur entsteht? –
Kann das im letzten Jahr gegründete “Forum gegen Rassismus” hier eine entscheidende Aufgabe übernehmen? Welche Rolle spielen die Medien?
Ich möchte Sie alle derReihe.nach dazu befragen: bitte Herr Feigel, Herr Fleiner, Herr Frischknecht, Herr Rickenbacher.
Nun bitte ich Sie, verehrte Damen und Herren, Fragen, die Sie beschäftigen, zu stellen.
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