“Banquet Républicain” für die Flüchtlinge in der Schweiz

“Banquet Républicain” für die Flüchtlinge in der Schweiz

am 19. Mai 1996 im Keller des Schauspielhauses Zürich

 

Menschen dürfen nicht zur politischen Manövriermasse gemacht werden”

 

Meine Damen und Herren

Ich begrüsse Sie herzlich zum Banquert Républicain hier im Schauspielhaus. Ich bin Maja Wicki. Ich danke Ihnen sehr, dass sie gekommen sind.  Ihre Teilnahme an der heutigen Veranstaltung ist ein wichtiges Zeichen zu Gunsten von Menschen, die in der Schweiz Schutz gesucht haben vor Krieg und Gewalt und die in nächster Zeit Zwangsrückschaffungen in ihr Land befürchten müssen.

Dass sich die heutige Versammlung nach den Zusammenkünften der französischen republikanischen Opposition von 1848 “Banquet républicain” nennt, hat seine Richtigkeit, obwohl es sich nicht darum handelt, die Versammlungsfreiheit gegen deren Verbot durchzusetzen. Aber wir bedienen uns eines ausserordentlichen demokratischen Mittels, um einen asylpolitischen  Entscheid unserer Regierung noch zu beeinflussen, bevor er umgesetzt wird. Dieser Entscheid betrifft unmittelbar zwei Gruppen von Menschen – Kriegsvertriebene aus dem ehemaligen Jugosalwien und aus Sri Lanka -, doch die gleichen Bedenken gegen menschlich unerträgliche Zwangsrückschaffungen gelten auch für Flüchtlinge aus Kosova oder aus Türkisch Kurdistan, aus allen Herkunftsländern, in denen die Menschen psychisch und physisch bedroht sind.

Warum diese Rückschaffungsentscheide dringend einer Wiedererwägung bedürfen, aus politischen und aus menschlichen Gründen, erläutern Ihnen die Referentinnen und Referenten während der nächsten drei Stunden.

  1. Stunde

Martina Bovet.und Daniel Fueter am Klavier spielten ein Lied von Hanns Eissler.

Die Situation der bosnischen Kriegsvertriebenen fasst Rolf Widmer, Koordinator der Asylorganisation für den Kanton Zürich, kurz zusammen, worauf Erich Rathfelder, Berichterstatter für den “Tages-Anzeiger” seit Beginn des Krieges, über die aktuellen zustände in Bosnien sprechen wird.

Nun wird Pfarrer Jacob Schädelin vom kirchlichen Amt für Migration in Bern über die Lage der tamilischen Flüchtlinge in der Schweiz informieren, anschliessend Martin Stürzinger über die aktuelle Lage in Sri Lanka, ein freier Journalist, den Sie, wie ich annehme, von seinen Berichten in der “Weltwoche”, im Magazin von amnesty international oder in “Facts” kennen.

Ein Filmbericht von Erich Schmid wird diese Situation veranschaulichen.

 

  1. Stunde

Flüchtlinge aus Sri Lanka und aus Bosnien haben sich bereit erklärt, selber ihre Erfahrungen und Erwartungen hier mitzuteilen. Es sind dies Ina Bakalovic aus Srebrenica, die Sie nachher noch im Filmausschnitt  von Daniel von Aarburg sehen werden, eine angehende Arztgehilfin, die in Davos lebt, deren Ausbildung allerdings durch die kantonalen Behörden wegen der im nächsten Jahr  vorgesehenen Rückschaffung nicht bewilligt wird; sodann die Ärztin Eniza Kusturica aus Sarajewo, die auf Grund ihres Status im Kanton Bern, wo sie lebt, nicht arbeiten kann, und Dunja Zaclan aus Mostar, die hier in Zürich lebt und vor einer Ausbildung aus Sozialpädagogin steht. Sodann Vanita Kumar, die als Kind aus Sri Lanka in die Schweiz kam und in Zürich gut integriert ist, S. Kuganathan, der seit gut sechs Jahren in Bern lebt und lange Zeit in Sri Lanka für die Rehabilitation der internen Kriegsvertriebenen gearbeitet hat und Chandran Kanbasamy, der seit mehr wie acht Jahren in Zürich lebt und arbeitet und den heimatsprachlichen Unterricht der tamilischen Kinder in der Schweiz koordiniert. Das Gespräch wird moderiert von Bettina Volland, Mitarbeiterin beim Hifswerk der Evangelischen Kirchen HEKS, und von Roland Brunner, Verantwortlicher für die Friedens- und Wiederaufbauprojekte der GSoA in Ex-Jugoslawien wie für die Medienhilfe Ex-Jugoslawien.

 

  1. Stunde

Das war ein Ausschnitt aus Daniel von Aarburgs Dokumentarfilm “Letters to Srebrenica” mit Ina Bakalovic in der Hauptrolle.

Bevor Flüchtlinge, die sich über kürzere oder längere Zeit in der Schweiz aufgehalten haben, in ihr kriegszerstörtes Land zurückkehren, bedürfen sie dringend einer angemessenen Vorbereitung. Warum diese erfordert ist, was darunter zu verstehen ist, erläutern Ihnen in den nächsten 40 Minuten erfahrene Fachleute: Frau Brigitte Morgenthaler-Subramaniam aus Biel, ursprünglich Lehrerin, mit jahrelanger Erfahrung in der Beratung tamilischer Flüchtlinge, Herr Jean-Claude Métraux, Kinder- und Jugendpsychiater aus Lausanne, der dort in der “Association Appartenances” arbeitet und auf Grund seiner Kenntnisse aus der Rückführung grosser Gruppen von Kriegsvertriebene in Nicaragua ein wichtiges Rückkehrhilfeprogramm entwickelt hat; Frau Milena Strihic, eine Kinderpsychiaterin aus Kroatien, die im schulpsychiatrischen Dienst der Stadt Zürich Flüchtlingskinder betreut; der Kinder- und Jugendpsychiater Thomas Schnyder, der seit Jahren eine bedürfnisgerechte psycho-soziale Betreuung der Flüchtlinge aus Ex-Jugoslawien unterstützt, ebenso wie der Sozialpädagoge Rolf Widmer, der Koordinator der Asylorganisation für den Kanton Zürich, den ich Ihnen schon vorgestellt habe und der Kinder- und Jugendpsychiater Thomas von Salis aus Zürich, der das Gespräch moderieren wird.

 

Schluss: Ich danke aufs herzlichste Martina Bovet und Daniel Fueter für die Musik, und den Gesprächsteilnehmerinnen und teilnehmern, den Referenten, den Moderatorinnen und Moderatoren sowie den Filmschaffenden für ihre überaus informativen und ergreifenden Beiträge – für all diese unentgeltlich gebotenen wichtigen Beiträge. Mein herzlicher Dank gilt auch dem Schauspielhaus für die grosszügig gebotene Gastfreundschaft, sodann dem “Tages-Anzeiger”, der die Teilnahme von Erich Rathfelder ermöglicht hat.

Ihnen allen und auch Ihnen, meine Damen und Herren, danke ich für Ihr Interesse, für Ihren Einsatz zu Gunsten der von Zwangsrückschaffungen bedrohten Flüchtlinge. Erlauben Sie, dass ich die Forderungen des “Banquet Républicain” kurz zusammenfasse. Sie sollen dem bundesrat in Form einer Resolution vorgelegt werden:  Denjenigen Menschen, den aus eigenem Wunsch in ihre Heimat zruückkehren möchten, sollte durch den Bund vorgängig eine Besuchs- oder abklärungsreise ermöglicht werden, damit geprüft werden kann, ob und wie eine Rückkehr zu realisieren ist. Der Zeitpunkt für eine Rückkehr soll von den Menschen selbst festgelegt werden können. Zwangsrückschaffungen sind nicht zu verantworten. Die Rückkehrfrist muss genutzt werden können für eine sinnvolle und bedürfnisgerechte Vorbereitung; bei Jugendlichen für eine brauchbare Berufsausbildung. Eine gute psycho-soziale und matrielle Rückkehrvorbereitung ist sowohl hier wie in den Herkunftsländern ein wichtiger Beitrag zum Friedensprozess, zum Prozess der Versöhnung und des erneuten Zusammenlebens.

Wir sind der Meinung, dass eine humane Flüchtlingspolitik nicht durch unverantwortbare Zwangsrückschaffungen in Frage gestellt werden darf. Ein menschlich verantwortungsvolles Asylrecht ist eine kulturpolitische Forderung. Der Bundesrat wird daher dringend ersucht, die Rückschaffungsentscheide nochmals zu erwägen und die kriegsvertriebenen Menschen, die Hilfswerke sowie die kantonalen Asylorganisationen nicht im Stich zu lassen. Menschen, die auf den Schutz durch ihr Asylland angewiesen sind, dürfen nicht zur politischen Manövriermasse gemacht werden.

 

Und nun lade ich Sie herzlich ein ins Foyer zum Buffet, das bosnische Flüchtlingsfrauen vorbereitet haben. Denjenigen, die einen Beitrag zur Deckung der Kosten leisten möchten, oder zur Äufnung eines Fonds für die Rückkehrvorbereitung  sei herzlich gedankt. Adieu und viel Vergnügen beim Buffet!

 

 

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