Väterliche Erbschaften – Ludwig Wittgenstein
Väterliche Erbschaften – Ludwig Wittgenstein
„Gestern Nachmittag ist mein Vater gestorben. Er hatte den schönsten Tod, den ich mir vorstellen kann; ohne die mindesten Schmerzen schlief er ein wie ein Kind. Während der ganzen letzten Stunden war ich keinen Augenblick traurig, sondern voller Freude, und ich glaube, dieser Tod war ein ganzes Leben wert.“[1]
Beim Tod seines 66jährigen Vaters, der während zwei Jahren an Krebs gelitten hatte, war Ludwig Wittgenstein 24 Jahre alt. Er war aus Cambridge zu seiner Familie nach Wien hergereist, die er nach wenigen Tagen wieder verliess, beruhigt und gleichzeitig aufgewühlt durch die Erfahrung des friedlich sterbenden Vaters, der „einschlief wie ein Kind“. So vollzog sich mit dem Ende die Rückkehr in den Anfang? Die schwere Todesangst, die Ludwig Wittgenstein während Jahren wie umfesselt hielt, mag sich dadurch verändert, wenngleich nicht gelöst haben. Noch stand ihm, „der wie jemand wirkt, dessen Leben sehr bedroht ist“[2] vieles bevor. Wir werden darauf eingehen.
Was sich im verschlüsselten Werk Wittgensteins offenbart – im „Tractatus logico-philosophicus“ wie in den posthum veröffentlichten Schriften -, ist das Resultat einer pausenlosen Such- und Reinigungs- und Schleifarbeit, Denkarbeit wie Handwerksarbeit zwischen Lebenshunger und Todesangst, zwischen intellektuellem Erkenntnisstreben und mystisch-intuitiver Sehnsucht nach überintellektuellem Wissen, nach Glauben. Was Wittgenstein in der früheren Phase als Hilfe benutzte, ist die verbissene Suche nach Klarheit der logischen und ethischen Aussage, selbst der Aussage des Nicht-Aussagbaren. Sie setzte sich Jahre später weiter fort in der Suche nach Klarheit der – vielleicht unendlichen – Vielfalt von Wortentstehung und Wortbedeutung im Rekurs auf die Früherfahrungen des Wörterlernens, wobei deutlich wurde, dass jede Analogie von Bedeutung mit einer anderen Bedeutung einhergehen kann, dass sie immer etwas Vorläufiges oder Täuschendes darstellt. Der Entscheid zur Teilnahme am Ersten Weltkrieg und die Jahre des Kriegs entsprachen der verzweifelten Suche nach Lebenssinn – nach dem wirklichen Leben -, das durch die konstante Todesnähe zur abrahamischen Verzweiflung nach dem Sinn des nicht erkennbaren Göttlichen wurde, wobei nach dem Krieg und dem Wissen um die Sinnlosigkeit des Kriegs diese Verzweiflung noch stärker überhand nahm, immer wieder von neuem. Die Suche nach der richtigen Publikation des „Tractatus“ mag als kleiner Anker gedient haben, anschliessend die Suche nach einer nicht-philosophischen, wirklichen, lebensnahen Umsetzung von Lebenssinn und sozialer Verantwortung – gemäss dem Vorbild, das Tolstoi[3] anbot – durch die Tätigkeit als Schullehrer, durch Gärtnerarbeit und Architektur. Doch für Wittgenstein konnte eine vorläufige Lösung nie genügen.
Ausser der schwierigen „Zeugung“ des „Tractatus“[4] und des Bestehens auf dessen Veröffentlichung wies Wittgenstein jede Art „Vaterschaft“ weit von sich. Dass er auch die materielle Erbschaft des Vaters ablehnte[5], entsprach seinem für ihn untrüglichen, zugleich logischen und ethischen Empfinden der „richtigen Aussage“, zu dessen Erfüllung er sich verpflichtet fühlte: sich von allem Überflüssigen, von allem Falschen oder Sinnlosen befreien, im Denken und in der Sprache wie im Materiellen, um auf das Richtige und somit auf das Wesentliche zu stossen.
Diese Konfrontation mit dem väterlichen Erbe äusserte sich bei Wittgenstein weder in einer Art Machtanspruch eigener Vaterschaft wie bei Freud noch in Anklage und Flucht in Traumwelten wie bei Kafka noch in nicht erfüllbaren Erwartungen wie bei Walter Benjamin. Für Wittgenstein bestand sie in dessen Verwerfung. Doch was bewirkte die Verwerfung? Sie hatte weder einen negativen Aspekt noch ermöglichte sie Befreiung oder gar Erlösung, sondern bedeutete in langen Jahren des qualvollen Verharrens im Dunkeln in erster Linie Sehnsucht nach einem anderen, untrüglichen Halt und nach Licht. Wie bei Freud, bei Kafka und bei Benjamin war die Auseinandersetzung mit Herkunft und männlicher Erbschaft für Wittgenstein eine dauernde Erfahrung des Ungenügens, des Zuviel und des Zuwenig. Was Freud zustande brachte durch die Erkenntnis der menschlichen Triebe und Ängste – des Oedipuskomplexes, der Kastrationsangst, der Aggressivität u.v.m. –, der Überlebensnotwendigkeit im Verdrängen belastender Erfahrungen sowie der geheimnisvollen Kraft des Unbewussten, das sich in den Träumen zu verstehen gibt und in den Neurosen äussert, hat durch die Fülle feinster persönlicher Angebote im grossen Fächer der psychoanalytischen Erkenntnis sowohl Kafka wie Benjamin wie Wittgenstein beeinflusst. Doch was aus der primären Flucht des Knaben Wittgenstein in Aphasie zu dessen Philosophie wurde, resp. „das vage Echo, das uns davon erreicht“, wie der Katalane José Ferrater Mora[6] festhält, „ ist nicht eine Theorie, sondern ein ‚Appell’ – ein Appell an das eigene, von Vorurteilen hin und her gerissene, von Angst zerrüttete, von Unruhe unterminierte Bewusstsein“. Dem Appell gilt es nachzugehen.
“Die Welt ist, trotz aller Ätherschwingungen, die sie durchziehen, dunkel. Eines Tages aber macht der Mensch sein sehendes Auge auf, und es wird hell. Unsere Sprache beschreibt zuerst einmal ein Bild. Was mit dem Bild zu geschehen hat, wie es zu verwenden ist, bleibt im Dunkeln. Aber es ist klar, dass es erforscht werden muss, wenn man den Sinn unserer Aussage verstehen will.”[7]
Ludwig Wittgenstein fasst in dieser späten Notiz bildhaft den Prozess der mit der Geburt einsetzenden Sinneswahrnehmung zusammen, welche sich mit dem Bedürfnis nach Benennung des Wahrgenommenen, nach Kommunikation und nach Hinterfragen der Richtigkeit und Sinnhaftigkeit des durch Sprache Vermittelten verbindet. Die “Ätherschwingungen”, von welchen er festhält, dass sie die dunkle, dem Erkennen verschlossen Welt – den Bereich menschlichen Lebens – durchziehen, sind die wortlosen Übertragungen und Ahnungen, welche Empfindungen bewirken, wie Freud sie erkannte, und die beantwortet werden durch Gegenübertragungen, d.h. durch unbewusste Mitteilungen, die im Austausch der menschlichen Empfindungen untereinander erfolgen, die jeder Art von Kommunikation zugrunde liegen und jede begleiten. Was über das Sehen, über das Hören, über das Riechen und Schmecken, über die körperliche Wahrnehmung von Kälte und Wärme, Härte und Weichheit wahrgenommen wird, erhält zusätzliche Bedeutung durch dessen Vermittelbarkeit in Worten. Deren Mangel manifestiert sich u.a. in der Sprachverweigerung (Aphasie), die bis zum vierten Lebensjahr für Ludwig Wittgensteins die nicht reflektierte, jedoch als dringlich empfundene Flucht- und Rückzugsmöglichkeit war.
Was geht mit der Vermittlung von Sprache einher? – und was mit dem Bedürfnis zu verstehen, zu benennen und verstanden zu werden? Ist nicht seit Generationen die Vermittlung der Worte „im wesentlichen eine Abrichtung“[8], wie Wittgenstein sie in den Lebensanfängen des Kindes versteht, da das Kind nicht unterscheiden kann, ob die Worte, die ihm als die richtigen vermittelt werden, mit dem, was es wahrnimmt und empfindet und worüber es nachdenkt, übereinstimmen? „Die Wurzeln dieser Auffassung gehen tief und reichen weit. Denn wie kann das Kind denken lernen, wie ich es beschreibe? Ich sage ja selbst, es wird ‚abgerichtet’! Kann man zum Denken abgerichtet werden? Das Denken ist doch der Gegensatz zum bloss mechanischen Handeln, und abgerichtet wird man zum mechanischen Handeln!“[9]
Was Ludwig Wittgenstein 1934/35 (er war damals 45 resp. 46 Jahre alt) aus Stapeln von Notizblättern auswählte und diktierte[10], sollte einer Klärung dienen, die er jedoch bald als ungenügend betrachtete. Was schliesslich in den „Philosophischen Untersuchungen“ erhalten blieb, wurde nicht von Wittgenstein veröffentlicht, sondern erst nach seinem Tod. Für Wittgenstein selber mag in seiner zweiten philosophischen Phase der Zweifel sowohl an der Sinnhaftigkeit wie an der Richtigkeit der sich fortsetzenden Suche nach einer möglichen Aufhebung des Zweifels an der Bedeutung der Worte der zentrale Antrieb – oder das zentrale Anliegen –gewesen sein; den Einbezug von Mathematik und Psychologie erachtete er als notwendig. Als nicht beendbar erschien ihm die Untersuchung der menschlichen Sprachspiele resp. der Suche nach Sinn des Sagbaren, nicht beendbar wegen der Unausschöpfbarkeit des Gebrauchs von Worten in jedem individuellen und in jedem zwischenmenschlichen Lern- und Erkenntnisprozess. Die Logik mit ihrem festen Regel- und Ordnungssystem konnte hierfür nicht genügen, während diese während der ersten Phase seines Erwachsenenlebens, als er den „Tractatus logico-philosophicus“ schrieb (im Vorfeld und während des I. Weltkriegs), für ihn die Bedeutung einer lebensnotwendigen Struktur des Denkens hatte, deren er damals aufs dringlichste bedurfte und welcher er daher eine zugleich logische und ethische Wahrheitsfunktion zubilligte.
Das ganze Lebenswerk Wittgensteins kann als Fortsetzung der zwischen Sicherheit und Zweifel mal schwebenden, mal hin- und her gerissenen Erfahrungen der eigenen Kindheit und Jugend sowie der Suche nach einem sinngebenden Halt im Erwachsenenalter betrachtet werden, eine Fortsetzung, die sich auf die mittels Wahrnehmen und Denken, Empfinden und Sagen erarbeitete Beziehung des Menschen zu sich selbst konzentriert sowie auf die Beziehung der über die Sprache sich gegenseitig und wechselseitig zu einander äussernden Menschen.
Die Frage stellt sich, warum Ludwig Wittgenstein zum hartnäckigen Skeptiker wurde, zum kryptischen Sprachphilosophen, zum asketischen Gottsucher und Dichter, auch zum schwierigen, jedoch verlässlichen Freund für einen Kreis von Menschen? In welchem Verhältnis steht diese Entwicklung zur Herkunftsgeschichte, insbesondere zur väterlichen Erbschaft? In welchem Mass bestätigt sich meine analytische Annahme, dass Wittgensteins leidenschaftliche Suche nach richtiger Erkenntnis und richtiger Aussage sowie sein steter, sich bis zur Verzweiflung steigernde Zweifel an sich, dessen Kehrseite die Sturheit genialer Besonderheit war, in starkem Mass mitbegründet wurde durch die auf den göttlichen „logos“ abgestützte Urvätergeschichte – „und Gott sprach…“ -, die sich in der „Schrift“ resp. im „Buch“ fortsetzte und zur Nachfolge verpflichtete? Lastete auf diesem jüngsten Sohn nach den von den Grossvätern ersehnten Emanzipationsmöglichkeiten und den damit einher gegangenen Religionswechseln eine diffuse Last von Schuld und Sühne, die sich in beinah messianischer Erwartung auf das Erkennen des alleinrichtigen „logos“ ausrichtete?
Wittgenstein gehört zur gleichen Generation wie Franz Kafka und Walter Benjamin, und er wuchs in Wien im gleichen Klima der Jahrhundertwende auf, das Sigmund Freud unter allen Aspekten von Fortschritt und Zerfall, von kreativer und destruktiver Masslosigkeit vertraut war. Sein Leben war während Jahrzehnten legendenumwoben. Seit einiger Zeit liegen allerdings neue Publikationen vor – Briefwechsel und Tagebücher[11] – sowie hervorragende biographische Untersuchungen[12], die der analytischen Klärung seines Werks sehr entgegen kommen.
Ludwig[13] Josef Johann Wittgenstein wurde am 26. April 1889 als achtes und jüngstes Kind einer der wohlhabendsten Familien des damaligen österreich-ungarischen Reichs geboren. Den Familienamen Wittgenstein hatte um 1808 der Urgrossvater Moses Meier gewählt, der als Gutsverwalter beim Grafen Sayn-Wittgenstein angestellt gewesen war und in Zusammenhang des napoleonischen Dekrets des rechtlich registrierten Familiennamens bedurfte. Sein Sohn Hermann Wittgenstein, Ludwig Wittgensteins Grossvater, wollte die Möglichkeiten der sich auch im habsburgischen Herrschaftsgebiet ausweitenden Emanzipation benutzen und sich vom Judentum befreien. Er trat zum Protestantismus über und nahm den Vornamen Christian an, heiratete 1838 Fanny Figdor, die sich ebenfalls taufen liess und die ihm elf Kinder, acht Töchter und drei Söhne gebar. Als diese erwachsen waren, verbot er ihnen, Frauen oder Männer jüdischer Herkunft zu heiraten. Alle ausser Karl, Ludwig Wittgensteins Vater, fügten sich diesem Assimilationszwang, ohne zu bedenken, dass Herkunft – ob jüdische oder nicht-jüdische Herkunft – weder durch Religionswechsel noch durch Heirat etc. abgelegt werden kann.
Karl Wittgenstein war im Vergleich mit seinen Geschwistern ohne Zweifel nicht nur der rebellischste, sondern auch der vielfach begabteste Sohn. Er kümmerte sich weder um Gebote noch um Verbote. Er floh nach New York, wo er einige Zeit als Kellner und Geiger lebte. Als er 1867 nach Wien zurückkehrte, erlernte er den Ingenieurberuf, begann 1872 als Zeichner in einem Walzwerk in Böhmen zu arbeiten, stieg 1877 zum Direktor auf und war nach wenigen Jahren einer der geschicktesten und reichsten Industriellen im Stahlbereich des kaiserlich-königlichen Österreich. Mit seiner Ehefrau Leopoldine Kalmus, deren Mutter katholisch, deren Vater jüdisch war, führte er einen Haushalt von aristokratischem Stil, der zu einem Zentrum der Musikkultur, ja der Wiener Kultur überhaupt wurde. Seine acht Kinder – Hermine/Mining, Hans, Kurt, Helene, Rudolf, Margarete/Gretl, Paul, Ludwig – liess er katholisch taufen und gebieterisch-herrisch von zahlreichen Hauslehrern nach seinen Vorstellungen erziehen, seine Söhne mit der Forderung, dass sie seinen Spuren folgten. Doch ausser Kurt, der sich dem väterlichen Willen fügte und Firmendirektor wie auch Offizier wurde, der sich aber gegen Ende des Ersten Weltkriegs erschoss[14], als seine Truppen gegen ihn meuterten, folgte ihm keiner der Söhne. Hans, das zweitälteste Kind und der erstgeborene Sohn, musikalisch hoch begabt, ein hervorragender Komponist, Klavier- und Geigenspieler seit der frühen Kindheit, ertrug den väterlichen Druck nicht. Er emigrierte nach Amerika und brach jeglichen Kontakt mit der Familie ab. 1903 erfuhren die Angehörigen in Wien, Hans habe sich ein Jahr zuvor das Leben genommen, indem er in der Chesapeake Bay von einem Boot gesprungen sei. Ludwig Wittgenstein, der seinen ältesten Bruder als Genie zutiefst bewundert und verehrt hatte, war damals 14 Jahre alt. Im selben Jahr – 1903 – , als die Nachricht von Hans’ Tod an die Familie gelangte, hatte sich auch Rudi, der damals 24jährige, dritte Sohn, der mit seinen künstlerischen Talenten den väterlichen Zwang ebenso wenig ertrug, gegen diesen aufgelehnt. Er war nach Berlin gezogen, mit dem Wunsch, im Theaterbereich seinen Platz zu finden. Bekannt ist, dass er bei einer Hilsorganisation für Homosexuelle um Rat angefragt hatte und dass er sich, wie die Familie in Wien über die Presse erfuhr, in einer Bar mit Zyankali das Leben nahm.
Diese schweren Verluste bewogen Karl Wittgenstein, auf die zwei jüngsten Söhne Paul und Ludwig weniger Leistungsdruck auszuüben, sie ein öffentliches Gymnasium besuchen und die Laufbahn selber bestimmen zu lassen. Der um zwei Jahre ältere Paul wählte Musik[15], obwohl er von der streng beurteilenden Mutter nicht als hoch begabt eingestuft wurde, während Ludwig nicht recht wusste, was er tun sollte. Als Kind, das erst mit vier Jahren zu sprechen begonnen hatte, wirkte er verträumt, verschlossen und ohne besondere Talente. Höchstens in technischer Hinsicht wurde er als geschickt beurteilt, hatte er doch mit zehn Jahren eine Nähmaschine gebastelt, die funktionierte. Seine musikalischen Talente, die auch bei ihm bedeutend waren, wurden überhaupt nicht beachtet. Der Selbstmord der zwei bewunderten Brüder hatte auf ihn als Jüngsten während der ganzen Pubertät und noch lange Zeit später gravierendere Folgen als auf seinen Bruder Paul. Möglichst unauffällig und höflich wollte er als Kind sein und „eher lügen als die Wahrheit sagen, wenn es vorteilhafter war“[16], wie er rückblickend später festhielt, als für ihn das Gegenteil, nämlich Kants kategorischer Imperativ mit der Dringlichkeit der Wahrhaftigkeit galt. Im Familiensystem als Sohn vor der doppelten Herrschaft von Mutter und Vater bestehen zu können, war nur möglich, wie ihm damals schien, durch übermässige Anpassung
Doch was bedeutete für den Knaben der Verzicht auf das Aussprechen und Kundtun seines inneren Widerstands und seiner Bedürfnisse? Verschwand das eigene Selbstbild in der „nebelhaften Masse“[17], als welche Wittgenstein später die Sprache der Erwachsenen bezeichnete? Wie viel Selbstzweifel und Selbstgefährdung bahnte sich damit an? Antworten finden sich in der weiteren Entwicklung.
Als Ludwig Wittgenstein 14 Jahre alt war, wurde er in Linz am Realgymnasium[18] eingeschrieben, das er während drei Jahren (1903-1906) besuchte. Er wohnte nicht in einem Internat, sondern bei einer Familie, mit deren Sohn – Pepi Strigl – er sich befreundete. Andere Kontakte hatte er in Linz keine, er fühlte sich fremd, unglücklich und verloren, zweifelte zutiefst an seinem Lebenswert, hatte schlechte Noten und vertiefte sich ins Lesen. Im Vergleich mit den zwei genialen Brüdern, die nicht mehr lebten, empfand er sich selber als wertlos. Nagende Ängste vor dem Erwachsenwerden belasteten ihn.
Am nächsten stand ihm als holding security die 15 Jahre ältere Schwester Hermine (Mining) sowie die sieben Jahre ältere Margarete (Gret). Mining war von sozialer Verantwortung und einfühlsamer Klugheit, während Gretl die Intellektuelle der Familie war, die bei Sigmund Freud eine Analyse machte und sich mit Anna Freud befreundet hatte[19]. Über Gretl befasste sich Wittgenstein mit Schopenhauers „Welt als Wille und Vorstellung“, eine Lektüre, die ihn vielfach beeinflusste und die ihn, der sich in Linz vom Katholizismus und jeder anderen Religion lösen wollte, vermutlich in der Suche nach inneren Werten auf den Bereich der Philosophie verwies, die andererseits das vom Willen zu leistende Misstrauen gegenüber geschlechtlicher Lust und die Befreiung daraus durch Askese begründete. Diese schwierige Willensleistung so wie die Suche nach Erkenntnis einer transzendenten, metaphysischen Wahrheit wird Wittgenstein nicht loslassen. Als Gegensatz zu Schopenhauers Idealismus und manichäischer Ethik machte Gretl ihm auch die Schriften von Karl Kraus bekannt, sowohl dessen satirische Zeitschrift “Die Fackel” mit jeder Art ätzender gesellschaftlicher Kritik wie dessen antizionistisches Traktat “Eine Krone für Zion”, worin Theodor Herzl’s 1896 erschienenes Buch „Der Judenstaat“ mit dem darin dargestellten zionistischen Entwurf als reaktionär bezeichnet wurde, mit der Begründung, dass der Zionismus den Antisemitismus verstärke und dass die Juden sich nicht anders als durch bedingungslose Assimilation sowie durch eine mutige sozialistische Parteinahme davon befreien könnten[20].
Bezüglich seiner eigenen jüdischen Vaterlinie fühlte sich Ludwig Wittgenstein damals weder betroffen noch herausgefordert, das war erst später der Fall. Doch Karl Kraus hatte für ihn eine Vorbildfunktion. Die Sprache war für Kraus das Medium des Denkens; sein kritischer Blick richtete sich mit jedem Essay der 922 Nummern der „Fackel“ unermüdlich auf die durch machttrunkene Politiker und durch die „Journaille“ töricht und tragisch missbrauchte deutsche Sprache. Mit Hilfe seiner eigenen blitzklaren Sprache durchleuchtete er den Schein und Betrug der zur Verblödung und Abstumpfung des gläubigen Volkes wie zum Zweck politischer Ideologien und irrationalen persönlichen Narzissmus verwendeten Sprache. Die Warnung, die Karl Kraus vor der unkritischen Gläubigkeit ganzer Heerscharen biederer Leser, die sich durch Kriegshetze betören liessen, an die Öffentlichkeit richtete – auch in den über achthundert Seiten des Dramas „Die letzten Tage der Menschheit“ – fand sich im Ersten Weltkrieg verwirklicht sowie in dessen Folge in nicht vorstellbarem Ausmass fortgesetzt im Zweiten Weltkrieg[21].
Im Zwiespalt zwischen der Auseinandersetzung mit den inneren Konflikten und den äusseren – den gesellschaftlichen und politischen – waren für Ludwig Wittgenstein in jenen Jahren erstere zu dringlich und letztere zu fremd. Der Philosophie näher als politische Theorien erschienen ihm die „Prinzipien der Mechanik“ von Heinrich Hertz, auf dessen Klärung der Frage, was „Kraft“ bedeutet, er auch später immer wieder zurückgriff, ebenso die 1905 als „Populäre Schriften“ veröffentlichten Vorlesungen des Physikers Ludwig Boltzmann, die für ihn einen grossen Erklärungswert besassen. Bei Boltzmann, Professor an der Universität Wien, hätte Wittgenstein gewünscht, Physik zu studieren, doch dieser Wunsch konnte nicht realisiert werden. Als er 1906 das Gymnasium in Linz abschloss, nahm sich Boltzmann das Leben.
Von massgeblichem Einfluss auf Ludwig Wittgensteins psychische Entwicklung war die ebenfalls in den Jahren in Linz erfolgte Lektüre von Otto Weinigers Buch „Geschlecht und Charakter“ (1902 erschienen), das Buch eines genialen jungen Denkers, für den die Tragik von jüdischem Selbsthass[22] und Frauenhass eine nicht lösbare Fessel war. Otto Weiniger, der in Wien mit dem wachsenden Zerfall aufklärerischer Werte und deren Kompensation durch Ideologien, Pseudowissenschaften[23] und antijüdischen Hass aufs schärfste konfrontiert wurde, ging auf persönliche Weise auf die Auswirkungen dieser destruktiven gesellschaftlichen Entwicklung ein, in welcher jede künstlerische, dichterische oder philosophische Besonderheit als verfemt galt und nur das als normal erklärte Mittelmass des einseitig männlich oder weiblich deklarierten Menschen geduldet wurde. Er berief sich auf die schon von Platon vertretene Bisexualität in jedem Menschen, die sich bei jedem einzelnen durch unterschiedliche Anteile unterscheide und die sich durch die Homosexualität beweise, jedoch allein in der platonischen Liebe Vollkommenheit erreiche. Weiblichkeit bewertete er mit grösster Verachtung. 1903 – im selben Jahr wie Ludwig Wittgensteins Bruder Hans – nahm sich der dreiundzwanzigjährige Otto Weiniger in Beethovens Sterbehaus in Wien das Leben.[24] (Ein halbes Jahr später, wie schon erwähnt, folgte Rudi Wittgenstein seinem älteren Bruder nach).
Es ist anzunehmen, dass in Otto Weiningers Werk für den jungen Ludwig Wittgenstein ausgesprochen wurde, was diesen zutiefst beschäftigte. Dass allein dem – gesellschaftlich nicht anerkannten – wahren Genie, das Wittgenstein in sich selber in Frage stellte, Lebenswert zukomme, das brachte ihn jener Grenzlinie der Verzweiflung nahe, auf welcher sich Weiniger selber sowie die zwei Brüder Hans und Rudi befanden, als sie sich gegen das Leben entschieden. Es dauerte an die neun Jahre, bis Wittgenstein von der völligen Infragestellung seines Selbstwertes abrücken konnte, wobei es noch Jahrzehnte brauchte, bis er sich selber zeitweise Toleranz zugestand.
Eine erste Wende geschah 1911, anlässlich von Wittgensteins erstem Aufenthalt in Cambridge, als er in Kontakt mit Bertrand Russel trat, dessen „Principles of Mathematics“ er 1908 während des Studiums in Manchester gelesen hatte und die für ihn von umwerfender Bedeutung wurden (wie auch die gleichzeitig von Gottlob Frege in Jena veröffentlichten „Grundgesetze der Mathematik“). Diese Lektüre hatte ihn veranlasst, sich verbissen mit der Lösung von Antinomien zu befassen, wozu Russell „alle Logiker“ dringlich aufgerufen hatte. Als Wittgenstein 1911 auf Freges Rat bei Russell zu studieren begann, ergab sich zuerst eine schwierige Phase, in welcher Russell den „deutschen Ingenieur“ oder den „hitzigen Deutschen“, wie er ihn bezeichnete, als lästig, als kaum verständlich und als aufdringlich, ja als wie besessen empfand, doch im Januar 1912, nachdem Wittgenstein ihm die ersten Entwürfe seines „Tractatus“ vorgelegt hatte, veränderte sich seine Einschätzung völlig. Russell beurteilte den Text als ausgezeichnet und bestätigte dem jungen Mann, er erachte ihn als „philosophisches Genie“. Wittgenstein erschien es erstmals, sich aus dem inneren Konflikt, der ihn seit dem Beginn der Pubertät immer wieder an den Rand des Suizids getrieben hatte, lösen zu können, wie er später seinem Freund David Pinsent schrieb. Trotzdem bedeutete dies nicht mehr als eine vorläufige Erleichterung. Russell bedurfte damals ebenso des begabten „Schülers“, den er bald als seinen Nachfolger betrachtete so wie Wittgenstein eines anderen, wissenschaftlichen „Vaters“ bedurfte, den er bald als ungenügend erklärte, dessen er jedoch immer wieder bedurfte, wie sich zeigen wird.
Dazwischen war zuerst das von Ludwig Wittgensteins Vater, Karl Wittgenstein, als konform erachtete Studium in Maschinenbau an der Technischen Hochschule in Berlin-Charlottenburg von Oktober 1906 bis Mai 1908, sowie nach dessen Abschluss, wieder auf Grund des väterlichen Rates, das Studium des Flugzeugbaus in Manchester. Der Flugzeugbau stand damals in den Anfängen und verband sich mit technischer Pionierlust in der Konstruktion von Drachen, mit dem Studium meteorologischer und physikalischer Komponenten beim Flugeinsatz der Drachen, mit der Herstellung von Propellern[25] und vielem mehr. Die Wetterwarte, in welcher Wittgenstein lebte und arbeitete, befand sich in einem weiten Moorgebiet, das ihn faszinierte und bedrückte. Die Einsamkeit lastete schwer auf ihm, wie er seiner Schwester Hermine schrieb, bis ein vier Jahre älterer Ingenieur, William Eccles, der hier meteorologische Forschungen machte, zu einem seiner verlässlichsten Freunde wurde. Dessen Freundschaft hielt über lange Jahre an. In Zusammenhang der Vorlesungen zu reiner Mathematik und mathematischer Analyse, die er zusätzlich zur praktischen Forschungsarbeit an der Universität von Manchester besuchte, gelangte er zu den von Russell veröffentlichten logischen Grundlagen der Mathematik, die für ihn, wie schon erwähnt, eine Offenbarung bedeuteten.
Die Zeit ab Januar 1912, nachdem der damals 23jährige Wittgenstein sich bei Bertrand Russell am Trinity College in Cambridge voll der Philosophie verschrieben hatte, ist durch die fast täglichen Notizen Russels über seinen „protégé“ genau dokumentiert. Darin wird deutlich, wie ungeschminkt Wittgenstein sich präsentierte und wie hartnäckig und streitsüchtig, sogar unerträglich er auf einzelne der in Cambridge lehrenden oder studierenden Menschen wirkte, so z.B. auf William Ernest Johnson, den damals berühmten Logikprofessor, der Wittgenstein als überheblich und besserwisserisch erlebte, der jedoch später – insbesondere wegen seines Klavierspiels – ein guter Freund Wittgensteins war. Dagegen wurde Wittgenstein von Bertrand Russell selber zunehmend bewundert, geliebt und als überlegen betrachtet, auch von George Edward Moore, dem analytischen Philosophen, als „ungewöhnlich klug“ beurteilt. Mit ihm baute sich allmählich eine Freundschaft auf, die bei aller Differenz beibehalten wurde.
Von grosser Bedeutung war für Wittgenstein die Begegnung mit dem knapp gleichaltrigen Mathematiker David Pinsent anlässlich einer Abendeinladung bei Bertrand Russell. David Pinsent war von ähnlicher Musikalität wie Wittgenstein, sie besuchten in Cambridge zusammen Konzerte und musizierten gemeinsam, indem Pinsent Klavier spielte und Wittgenstein die Singstimme pfiff, sie unterhielten sich stundenlang über Logik, verbrachten gemeinsame Ferien in Island, lebten getrennt und lebten in mancher Hinsicht zusammen, mit ständig wechselnden Zuständen Wittgensteins zwischen Verletztheit, grösster Niedergeschlagenheit oder kaum benennbarer Angst, ja Verzweiflung und kaum überbietbarer Klarheit und Produktivität, die selbst mit Pinsents grossem Verstehen, mit seiner Fähigkeit zu mässigen und sich Wittgensteins Tagesrhythmus anzupassen, oft an die Grenzen der Tragbarkeit führten. Wittgenstein war – gemäss einer Tagebuchnotiz Pinsents aus der ersten Zeit im Herbst 1913 in Norwegen – „ in puncto Gereiztheit nicht besser als Leute wie Beethoven“[26] (wobei gerade Beethoven zu Wittgensteins Vorbildern gehörte).
In jener Zeit fühlte sich Wittgenstein von Todesangst besetzt. Gegenüber Russell war er zu philosophischen Vorlesungsbeiträgen verpflichtet, die er jedoch nicht oder kaum erfüllen konnte. Ihm bangte zu sterben, ohne sein eigenes Werk über die Logik abschliessen zu können. In Cambridge erschien es ihm nicht möglich zu arbeiten. Er beschloss, sich nach Norwegen in die Einsamkeit eines Fijords zurückzuziehen. Die Trennung von David Pinsent erachtete er als Voraussetzung wirklicher Liebe, entsprechend Weiningers Massstab platonischer Liebe. Es war in Birmingham, wo David Pinsent’s Eltern lebten, dass er sich von ihm verabschiedete; er sollte ihn nie wieder sehen[27]. Ein Manuskript mit den „Notes on Logic“ (Aufzeichnungen über Logik) kam mit grosser Mühe zustande, und er stellte es Russell für dessen Vorlesungen in den USA zur Verfügung. Dass Russell damit nicht zurecht kam, ständig neue Fragen stellte und vorlesungsgerechte Resultate forderte, brachte Wittgenstein in Verzweiflung. „Alle Sätze der Logik sind Verallgemeinerungen von Tautologien und alle Verallgemeinerungen von Tautologien sind Sätze der Logik. Andere logische Sätze gibt es nicht. (Dies halte ich für definitiv).“[28]
Es kam nicht zu einem wirklichen Bruch mit Russell, aber zu einer grossen Entfernung, die erst viel später zum Teil korrigierbar wurde. Gleichzeitig verstärkte sich die Zusammenarbeit mit G .E. Moore. Dass Moore nicht zustande brachte, dass Wittgensteins „Logik“ am Trinity College als Doktorarbeit anerkannt wurde – weil sie nicht regelkonform war, keine Quellenangaben und keine Hinweise auf die Unterscheidung der eigenen Aussagen von jenen anderer Wissenschafter vorwies -, das machte Wittgenstein in seiner narzissistischen Verletztheit Moore zum Vorwurf, zu Unrecht, wie er später selber einsah. Doch Moore ertrug damals Wittgensteins „egomanische Verbissenheit“, wie er sie empfand, schlecht und verhielt sich in der Folge zu ihm in strikter Distanz. Als Wittgenstein 1929 das erste Mal wieder nach England zurückkehrte, begegneten sie einander, und die Freundschaft setzte sich fort.
Als am 28. Juli 1914 Österreichs Kriegserklärung an Serbien erfolgte und innerhalb einer Woche der Weltkrieg begann, befand sich Ludwig Wittgenstein in Wien bei seinen Schwestern. Die Ausreise aus Österreich war nicht mehr möglich, und so meldete er sich freiwillig zur Armee, obwohl er ein Jahr zuvor wegen eines doppelten Leistenbruchs vom Militärdienst ausgemustert worden war. Wittgenstein war damals 25 Jahre alt. Seine Schwester Hermine vermerkte zu diesem Entscheid, dass „ein tiefer Wunsch ihn bewegt hatte, etwas Schweres auf sich zu nehmen und nicht bloss geistig zu arbeiten. Ausserdem hatte er seit Januar (1914) das Bedürfnis empfunden, ein ’anderer Mensch’ zu werden“[29]. Diese Erklärung entspricht Äusserungen Wittgensteins, die sich u.a. in Briefen an Russell aus dem Jahr 1913 finden: „Am Grunde meiner Seele aber kocht es fort und fort wie am Grunde eines Geisirs. Und ich hoffe immer noch, es werde endlich einmal ein endgültiger Ausbruch erfolgen, und ich kann ein anderer Mensch werden. (…) Vielleicht glaubst du, dass es Zeitverschwendung ist, über mich selbst nachzudenken; aber wie kann ich Logiker sein, wenn ich noch nicht Mensch bin! Vor allem muss ich mit mir selbst in’s Reine kommen!“[30]
Dass Wittgenstein den Ausbruch des Kriegs begrüsste, hatte keine nationalistischen Beweggründe, im Gegenteil; von einem Tag auf den anderen befand sich England, seine Wahlheimat, auf der Feindesseite. Der Grund war, dass er eine härtere Grenzerfahrung erhoffte als in der Kälte und Einsamkeit des norwegischen Fijords. Wir wissen, dass Walter Benjamin sich in Berlin kriegsunfähig erklären liess und in die Schweiz flüchtete. Wittgenstein dagegen wäre sich vor seinem inneren Auge als Versager vorgekommen; er konnte Flucht sich nicht zugestehen. Fühlte er sich noch immer dem väterlichen Blick ausgesetzt, vor dem er sich als unbegabter Sohn durch seinen männlichen Entscheid zu bestätigen suchte? Auf jeden Fall wünschte er, einer grossen Prüfung standhalten zu können und selbst angesichts des Todes angstfrei zu werden. „Der Tod gibt dem Leben erst seine Bedeutung“, hielt er in einer Tagebuchnotiz fest, und an einer anderen Stelle: „Vielleicht bringt mir die Nähe des Todes das Licht des Lebens. Möchte Gott mich erleuchten. Ich bin ein Wurm, aber durch Gott werde ich zum Menschen. Gott stehe mir bei. Amen“.[31]
Nachdem er eingerückt war und den sinnlosen Feldzug der österreichisch-deutschen Armee in Polen erlebte, war ihm bald klar, dass er sich in seiner Mannschaft so fremd fühlte wie damals in Linz, als er auf der Schulbank sass. So hielt er am 10. August 1914 in einer Tagebuchnotiz fest: „Als ich heute aufwachte, war es mit wie in einem jener Träume, worin man plötzlich ganz unsinnigerweise wieder in der Schule sitzt.“[32] Auch in der Armee fühlte er sich von denjenigen, die ihn umgaben, gehasst. Er selber notierte, dass er sich bemühe, die Anderen nicht zu hassen, obwohl sie ihn anekelten, dass er versuche, sie zu verstehen. Damals, gleich zu Beginn des Kriegs, gelangte die Nachricht an ihn, dass sein Bruder Paul aufs schwerste verwundet worden war, dass ihm der rechte Arm amputiert werden musste. Zutiefst bedrückte ihn diese Nachricht, dazu die Vorstellung, dass seine Freunde – David Pinsent, Russell, Moore, Keynes – nicht auf seiner Seite standen, sondern auf jener der Feinde. Insbesondere die Unkenntnis über das Schicksal von David Pinsent bedrückte ihn.
Tolstois „Kurze Erläuterung des Evangeliums“, die er auf dem Rückzug seiner Truppe vor der russischen Armee in einer Buchhandlung in Galizien fand, bot ihm eine seelische Stärkung, die er vorher nicht gekannt hatte. Er lernte, nachts an der Front den Suchscheinwerfer zu bedienen und sich gleichzeitig mit ungelösten Fragen der Logik zu befassen, die zutiefst ihn selber betrafen. Als im Juni die russische „Brusilow-Offensive“ begann, wurde das Regiment, dem Wittgenstein unterstand, in die heftigsten Gefechte miteinbezogen. Am 11. Juni 1914 notierte er an der Front die Frage: „Gott und den Zweck des Lebens?“ und er fügte eine Reihe von Antworten an:
„Ich weiss, dass diese Welt ist.
Dass ich in ihr stehe wie mein Auge in seinem Gesichtsfeld.
Dass etwas in ihr problematisch ist, was wir ihren Sinn nennen.
Dass dieser Sinn nicht in ihr liegt, sondern ausser ihr.
Dass das Leben die Welt ist.
Dass mein Leben die Welt ist.
Dass mein Wille die Welt durchdringt.
Dass mein Wille gut oder böse ist.
Dass also Gut und Böse mit dem Sinn der Welt irgendwie zusammenhängt.
Denn Sinn des Lebens, d. i. den Sinn der Welt, können wir Gott nennen.
Und das Gleichnis von Gott als einem Vater daran knüpfen.
Das Gebet ist der Gedanke an den Sinn des Lebens.
Ich kann die Geschehnisse der Welt nicht nach meinem Willen lenken, sondern bin vollkommen machtlos.
Nur so kann ich mich unabhängig von der Welt machen – und sie also doch in gewissem Sinn beherrschen – indem ich auf einen Einfluss auf die Geschehnisse verzichte.[33]
Das „Gleichnis von Gott als einem Vater“ war für Wittgenstein damals ein logisches Konstrukt; die „Geschehnisse“ geschahen auf undurchschaubare Weise. Er bemühte sich in erster Linie, seiner inneren Pflicht sich selber gegenüber gerecht zu werden und sich beherrschen zu lernen. Mit strengem Blick beurteilte er sein Verhalten nach dem Massstab des Gewissens. Doch dieser Massstab wurde bestimmt durch väterliche Macht. „Wenn mein Gewissen mich aus dem Gleichgewicht bringt, so bin ich nicht in Übereinstimmung mit Etwas. Aber was ist dies? Ist es die Welt? Gewiss ist es richtig zu sagen: Das Gewissen ist die Stimme Gottes.“[34] Mitten im Krieg, der sich an allen Fronten verschlimmerte – von David Pinsent erfuhr er, dass dessen Bruder in Frankreich getötet worden war -, auch an jener der österreichischen Armee, die von den Russen in die Karpaten zurückgedrängt wurde und unter Dauerfeuer stand, hielt Wittgenstein den Briefwechsel bei und setzte seine philosophischen Überlegungen fort. Gleichzeitig wurde er für anderen Soldaten zu einem Vorbild an Mut und Beharrungsvermögen, bekam eine Tapferkeitsmedaille, wurde befördert und im Oktober 1916 ins mährische Olmütz[35] zur Offiziersausbildung versetzt. Diese dauerte bis Dezember jenes Jahres; die drei Monate erschienen ihm wie eine Erholungspause. Durch die Vermittlung des Wiener Architekten Adolf Loos lernte er Paul Engelmann[36] kennen, einen Architekturstudenten, der über Humor verfügte und den ein ähnliches philosophisches und religiöses Streben beherrschte; er wurde für ihn zum nächststehenden Gesprächspartner während Jahren, ja zu einem wahren Freund – bis ca. 1937 -, trotz Schwierigkeiten und Unterbrechungen. Damals in Olmütz gingen Wittgenstein und Paul Engelmann gemeinsam der Frage nach, wie das Unaussprechbare Ausdruck finden konnte. Ein Gedicht von Uhland – „Graf Eberhards Weissdorn“ -, das Engelmann Wittgenstein vorlegte, galt als Beispiel. „Wenn man sich nicht bemüht, das Unaussprechbare auszusprechen, so geht nichts verloren. Sondern das Unaussprechbare ist – unaussprechlich – in dem Ausgesprochenen enthalten.“[37] Worte liessen sich finden – das Unaussprechbare, das Licht, die Klarheit. Doch das, um was es in diesen Worten ging, nämlich einen Glauben zu finden, der Halt bieten könnte, erschien Wittgenstein unerreichbar.
Als Artillerieoffizier wurde Wittgenstein wieder an die Front versetzt. In Russland brach die Revolution aus, der Zar wurde gestürzt und die Moral der Soldaten brach zusammen. Wittgenstein blieb in der Ukraine stationiert, wo er in Kontakt blieb mit Engelmann, auch mit Frege in Leipzig, und wo er eine erste Fassung des „Tractatus“ zu Ende brachte. Nachdem am 3. März 1918 der Vertrag von Brest-Litowsk Russland aufgezwungen wurde (Lenin und Trotzki unterschrieben ihn), konzentrierte sich der Krieg von österreichischer Seite her auf die italienische Front. Es war in den Trentiner Bergen, wo Wittgenstein eine weitere Ehrenmedaille zugesprochen bekam, nachdem die österreichische Armee durch die französischen, belgischen und italienischen Truppen zurückgeschlagen worden war.
Wittgenstein erhielt Urlaub bis September 1918. In dieser Zeit erreichte ihn die Nachricht, dass David Pinsent, der bei der englischen Aerodynamik arbeitete, bei einem Testflug zu Tode gestürzt war. Wittgensteins Verzweiflung war kaum mehr haltbar. War im Wort „Sinn“ überhaupt eine Bedeutung? Machte seine Arbeit am „Tractatus“ noch Sinn? Er wünschte diesen dem verstorbenen Freund zu widmen, der aufs nächste mit den Ursprüngen der Arbeit verbunden war. David Pinsents Mutter schrieb er: „David war mein erster und einziger Freund, (…) ein Bruder und ein Freund. Jeden Tag habe ich an ihn gedacht und mich gesehnt, ihn wiederzusehen. (…) Wenn ich den Krieg überlebe, werde ich Sie besuchen und wir werden von David sprechen. Noch etwas. Ich habe soeben das philosophische Werk zu Ende gebracht, an dem ich schon in Cambridge gearbeitet habe. (…) Ich werde es Davids Gedächtnis widmen; (…) ihm verdanke ich bei weitem die Mehrzahl der glücklichen Stimmungen, welche es mir erlaubten zu arbeiten.“[38]
Tatsächlich trägt Wittgensteins Vorwort zum „Tractatus“ die Jahreszahl 1918. Er hielt in diesem Vorwort „den ganzen Sinn des Buches“ fest: „Was sich überhaupt sagen lässt, lässt sich klar sagen; und wovon man nicht reden kann, darüber muss man schweigen.“ Auch erschien ihm „die Wahrheit der hier mitgeteilten Gedanken unantastbar und definitiv. Ich bin also der Meinung, die Probleme im Wesentlichen endgültig gelöst zu haben. Und wenn ich mich hierin nicht irre, so besteht nun der Wert dieser Arbeit zweitens darin, dass sie zeigt, wie wenig damit getan ist, dass diese Probleme gelöst sind.“[39] Es ist etwas Endgültiges in diesem Vorwort, das vielleicht nur so von Wittgenstein formuliert wurde, weil mit dem Tod seines Freundes das gemeinsame Werk, das viel weiter reichen sollte, abgeschlossen war. Er wünschte es so schnell wie möglich zu publizieren. Bevor er wieder an die italienische Front zurückkehren musste, schickte er daher ein Exemplar an Jahoda, den Verleger[40] von Karl Kraus’ Schriften, neben denen er sein Werk sehen wollte, sowie eines an Frege und ein weiteres an Engelmann. Dass Jahoda den „Tractatus“ zurückwies, erzürnte ihn; dass dies aus „technischen Gründen“ geschah, erschien ihm unglaubwürdig. Es begann eine andere Art von Kampf, ein Kampf, der wie ein Lebenskampf anmutete: um einen Verleger.
Als Wittgenstein Ende September 1918 wieder die norditalienische Front erreichte, war die österreichische Armee im Zerfall. Viele Truppen weigerten sich weiter zu kämpfen, noch bevor ein Waffenstillstandsvertrag unterzeichnet war. Ludwig Wittgensteins Bruder Kurt, der das Meutern seiner Truppe als persönliches Versagen empfand, erschoss sich Ende Oktober 1918. Der Sieg der Allierten stand fest.
Unter den über 500’000 Kriegsgefangenen war auch Ludwig Wittgenstein. Mit seinem Regiment wurde er zuerst einem Lager in Como, später einem anderen am Fuss des Monte Cassino zugewiesen, in welchem er über zwölf Monate ausharren musste. Unter den Mitgefangenen war Ludwig Hänsel, ein humanistischer Pädagoge und Goethe-Kenner, dessen Freundschaft für Wittgenstein in den Nachkriegsjahren von grosser Bedeutung wurde. Auch nahm er wieder Briefkontakt mit Bertrand Russell auf, sandte ihm das letzte – sein eigenes – Exemplar des „Tractatus“ und bat ihn um Stellungnahme in der Hoffnung, von ihm, der sechs Jahre zuvor sein Genie erkannt hatte, verstanden zu werden.
Der gedankliche Austausch mit Russell liess die auf dem philosophischen Austausch beruhende Freundschaft neu erwachen. Russell las den „Tractatus“ mit Neugier und Interesse. Auch wenn er nicht mit jeder Aussage Wittgensteins einverstanden war, beruhten die kritischen Überlegungen, die er ihm schrieb, auf dem Wunsch zu verstehen. In einer privaten Notiz hielt Russell fest, Wittenstein sei darin „tief in mystisches Denken und Fühlen eingedrungen; er vermute, die Mystik reize ihn vor allem, weil sie ihn vom Denken erlöse“.[41] Wittgenstein bat Russell ungestüm, ihn im Gefangenenlager zu besuchen.
Sobald im zertrümmerten Europa Reisen wieder möglich waren, trafen sie sich während einer Woche in Den Haag und besprachen Aussage um Aussage der auf knapp 60 Seiten zusammengedrängten Arbeit. Deren Methode erschien Russell schwer zu benennen, handelte es sich doch „nicht um einen logischen, geschweige um einen systematischen, sondern (…) um einen therapeutischen Positivismus, um eine intellektuelle Psychoanalyse, um medizinische Analytik“, wie sie später beurteilt wurde[42]. Um eine Publikation zu erleichtern, schlug Russell vor, ein Vorwort[43] zu schreiben und, falls sich kein deutscher Verleger finden liesse, zuerst eine Ausgabe auf Englisch in Betracht zu ziehen.
Woran konnte Wittgenstein sich halten wenn nicht an sein Werk? Der „Tractatus“ war das verbindende Zeichen zwischen dem Menschen, den er vor dem Krieg zu sein trachtete und jenem, der er nach dem Krieg war. Durch die Teilnahme am Krieg hatte er einen „grossen Wandel“ in sich ersehnt, und diesen Wandel hatte er zu einem Preis durchgestanden, der nicht vorhersehbar war: fortgesetzte Todesnähe, Kälte und Schmutz, grosse Einsamkeit und gleichzeitig knappes Zusammenleben und Überleben mit zahllosen Unbekannten, wachsende Verantwortung für Menschen, die ihm untergeordnet waren, der Verlust des geliebten Freundes, Gefangenschaft, Erniedrigung, nochmaliges Überleben. Den hochneurotischen, überempfindlichen Aussenseiter, der er einst war, kannte er noch in der Erinnerung an die Spannungen, Enttäuschungen und Glücksmomente während der Jahre in Berlin, in Manchester und in Cambridge. Er war ihm fremd geworden und gleichzeitig auf unheimliche Weise nah geblieben. Er war derselbe, der er war, und gleichzeitig nicht derselbe. Als er am 21. August 1919 nach vier Jahren Krieg und einem Jahr im Gefangenenlager nach Wien zurückkehrte, war er auch seiner Familie fremd, und seine Familie war ihm fremd, obwohl sie ihm nach wie vor am nächsten stand. Wittgenstein trug weiter seine Uniform, wie um sich selber Halt zu geben.
Aus dem väterlichen Palast an der Alleegasse zog er aus und mietete ein Zimmer in der Nähe der Lehrerbildungsanstalt, bei welcher er sich einschrieb, wohnte später als Untermieter bei einer Freundin Hermines, die Witwe war und deren drei Söhne er aufziehen half, zog jedoch erschreckt wieder weg, als die junge Frau sich in ihn verliebte, und erneut gab er sich mit einem einfachen Zimmer zufrieden. Die Lehrerbildungsanstalt war für ihn eine Qual, da die Studierenden um mehr als die Hälfte jünger waren als er. Das grosse Vermögen, das dank der Geschicklichkeit seines Vaters die Inflation überstanden hatte[44], liess er an seine Schwestern Hermine und Helene – Gretl erschien ihm durch die Heirat mit dem Amerikaner Stonborough reich genug – sowie an seinen Bruder Paul überschreiben und bestand darauf, dass nichts für ihn zurückblieb.
Ludwig Wittgenstein war tatsächlich anders geworden und sich selbst geblieben. Er wünschte, Teil des einfachen Volkes zu sein, entsprechend dem Vorbild von Leo Tolstoi, doch er gehörte nicht dazu und blieb ein Aussenseiter. Er wollte Philosophie mit seinem Vorkriegs-Ich zurücklassen, doch er hoffte weiter auf die Publikation des „Tractatus“, kämpfte darum, schrieb verzweifelt dafür – selbst an Ludwig von Ficker vom „Brenner“ in Innsbruck, der jedoch die Publikation aus finanziellen Gründe nicht riskieren wollte, schliesslich an den Reclam Verlag in Leipzig, der sie ebenfalls ablehnte. Mit Russell kommunizierte er wegen der Verlagsprobleme und der ihn zermürbenden Tatsache, dass niemand die Bedeutung seines Werks verstand, mit Engelmann wegen der inneren Verzweiflung, die nicht von ihm weichen wollte und die ihn immer wieder an die Grenze des Selbstmords trieb.
Mit Paul Engelmann erlaubte sich Wittgenstein nicht nur den Austausch religiöser Überlegungen, sondern auch den Appell um Hilfe, wenn ihm das Leben nicht mehr tragbar erschien. Engelmanns Antwort darauf war eine nach logischen Kriterien einleuchtende Erklärung, warum vom Selbstmord abzusehen war: … „Der Selbstmord ist bestimmt ein Irrtum. Solange ein Mensch lebt, ist er noch nicht endgültig verloren. Was den Menschen zum Selbstmord treibt, ist aber die Angst, endgültig verloren zu sein. Diese Angst ist aber nach dem vorher gesagten stets unbegründet. In dieser Angst tut der Mensch das falscheste, was er tun kann. Er beraubt sich der Zeit, in der es ihm möglich wäre, der Verlorenheit zu entgehen.“[45] Wittgenstein war dankbar für Engelmanns Überlegungen, doch er hielt fest, dass er sich in einem Zustand befände, in welchem er schon öfters war und der für ihn furchtbar sei: „Es ist der Zustand ’wenn man über eine bestimmte Tatsache nicht hinwegkommt’. Dass dieser Zustand kläglich ist, weiss ich. Aber es gibt nur ein Mittel gegen ihn, das ich sehe, das ist eben mit der Tatsache fertig werden. Da ist es aber genau so, wie wenn jemand, der nicht schwimmen kann, ins Wasser gefallen ist und nun mit Händen und Füssen herumschlägt und fühlt, dass er sich nicht oben erhalten kann. In dieser Lage bin ich jetzt. (…) Alles läuft natürlich darauf hinaus, dass ich keinen Glauben habe!“[46]
Bedeutete dies, dass Wittgenstein sich als zu wenig einfach beurteilte und sich deshalb verurteilte? War es die Sinnlosigkeit des durchgestandenen Kriegs, die ihn ohne Ausweg befangen hielt? War es der abgrundtiefe Zweifel an sich selbst, der erneut überhand nahm? Hatte er sich nicht zu Beginn des Kriegs in eine Art gläubiger Hoffnung auf einen „Wandel zum einfachen Menschsein, zum eins sein mit sich selbst“ versetzt, wie er notiert hatte? War somit jeder Glaube – oder jede Gläubigkeit – ein sich selber zugefügter Betrug? Im August 1920 schrieb er Russell, dass er täglich an David Pinsent denke. „Er hat mein halbes Leben mit sich genommen. Die andere Hälfte wird der Teufel holen.“[47] Damals arbeitete er als Gärtnergehilfe im Augustiner Stiftsgarten von Klosterneuburg. Im Frühjahr hatte er die Lehrerausbildung abgeschlossen; er war 31 Jahre alt und wartete auf den Einsatz als Volksschullehrer in einem möglichst armseligen, kleinen, ländlichen Dorf.
Die erste Erfahrung als Lehrer machte Wittgenstein in Trattenbach im Feistritztal, „vier Stunden südlich von Wien im Gebirge“, wie er in einem Brief an Russell schrieb. Während etwas mehr wie einem Jahr setzte er sich dort zuerst mit Begeisterung und grossem Eifer ein, auch mit strengen Forderungen und mit Ungehaltenheit, wenn diese nicht erfüllt wurden. Wer nicht aufmerksam lernte, wurde bestraft; Mädchen riss er an den Haaren, Knaben teilte er Ohrfeigen aus. Weshalb wurde Wittgenstein Kindern gegenüber nicht nur ungehalten, sondern gewalttätig? Er selber war kaum geschlagen worden, als er Kind war, ein schlechter Schüler, jedoch aus reichem Haus. Sein Entscheid, den Kindern von Arbeitslosen, von Kleinbauern und Arbeitern der Texilfabrik, die es in Trattenbach gab, Mathematik und deutsche Literatur, Biologie und Weltkunde, Architektur und Astronomie zu unterrichten, um insbesondere zwei-drei begabten Knaben, denen er zusätzliche Stunden erteilte, den Besuch eines Gymnasiums zu ermöglichen, dieser Entscheid beruhte auf dem Bedürfnis, den Wandel, den er durch den Krieg erlebt hatte, eisern durchzusetzen. Es war ein ethischer Entscheid, den er durch ein einfaches Leben und durch sinnvolle Arbeit im Sinne Tolstois umzusetzen trachtete. Die Härte sich selber gegenüber und die Härte den Kindern gegenüber verband sich mit der Angst, in ethischer Hinsicht zu versagen, mit einer Steigerung des Schuldgefühls und mit noch stärkeren Forderungen sich selber gegenüber.
Im Dorf entstand Misstrauen gegen den merkwürdigen Baron aus Wien, wie er bezeichnet wurde, der die Kinder von der Arbeit auf dem Feld oder in der Fabrik abhalten und zum Lernen zwingen wollte. Auch in Hasselbach, wo Wittgenstein anschliessend für kurze Zeit unterrichtete, verzweifelte er ob der Engspurigkeit und Dummheit der österreichischen Bevölkerung, die durch den Krieg, wie er in einem Brief an Russell beurteilte, „bodenlos tief gesunken ist.“ Ebenso war die nächste Anstellung in Puchberg am Schneeberg mit Beschwernissen verbunden, doch Wittgenstein lernte dort den Musiklehrer Rudolf Koder kennen[48], einen hervorragenden Pianisten, mit dem eine Freundschaft entstand und den er auf der Klarinette begleitete. Fast täglich spielten sie zusammen Werke von Schubert und Brahms. Es waren für Wittgenstein beinah glückhafte Stunden, die ihn an David Pinsent erinnerten.
Schliesslich wechselte Wittgenstein im Herbst 1924 von Puchberg nach Otterthal im Bezirk Neunkirchen – nah bei Trattenbach -, wo er sich bald wieder am falschen Ort fühlte. Doch er entschied sich zu bleiben und umzusetzen, was er an Regentagen schon mit den Schülerinnen und Schülern in Puchberg durch das Diktieren von Wörtern eingeübt hatte, nämlich ein deutsches „Wörterbuch für Volksschulen“ zusammenzustellen, das sich auf Wörter der Alltags- und Umgangssprache, auch auf Mundartausdrücke, beschränkte. Mit wenigen Veränderungen wurde Wittgensteins Manuskript vom österreichischen Ministerium für Bildung akzeptiert und das „Wörterbuch“ erschien im Frühjahr 1926, allerdings ohne grosse Verbreitung zu finden.
Dank der Bemühungen einer mit Russell befreundeten Mathematikerin und Logikerin, Dorothy Wrinch, war inzwischen der „Tractatus“ in Ostwalds „Annalen der Naturphilosophie“ mit Russells Vorwort veröffentlicht worden, ohne dass Wittgenstein die Druckversion hätte lesen können. Wittgenstein war darob sehr unzufrieden, gleichzeitig war er dankbar zu erfahren, dass Dorothy Wrinch auch C.K. Ogden, den Herausgeber der beim Verlag Kegan Paul publizierten Monographien-Reihe „The International Library of Psychology, Philosophy and Scientific Method“ für die Veröffentlichung seines „Tractatus“ hatte gewinnen können. Für die Übersetzung ins Englische erklärte sich der erst 19jährige Frank Ramsey[49] bereit, einer der begabtesten Mathematikstudenten von John Maynard Keynes’ am King’s College in Cambridge. Die Zusammenarbeit mit ihm und mit Ogden war für Wittgenstein von ungewohnter Sorgfalt und Übereinstimmung. Frank Ramsey traf Mitte September 1923 bei Wittgenstein in Puchberg ein, und während zwei Wochen arbeiteten sie nach dem sechsstündigen Morgenunterricht Wittgensteins täglich Seite für Seite des „Tractatus“ durch. Die englische Fassung wurde zu einem neuen Werk.
Frank Ramsey bemühte sich, für Wittgenstein nicht nur als Übersetzer, sondern überhaupt als „mediator“ zu wirken. Er versuchte, ihn zu überzeugen, die Tätigkeit als Volksschullehrer in Puchberg aufzugeben und wieder nach Cambridge zu ziehen, er vermittelte auch einen neuen Kontakt mit J. M. Keynes. Später kam er zusammen mit Thomas Stonborough, Gretls Sohn und Wittgensteins Neffen, der ebenfalls bei Keyens studierte, ein weiteres Mal nach Wien und blieb dort mehrere Monate, um eine Analyse zu machen, traf jedoch Wittgenstein auf Grund von dessen Befangenheit selten. Dieser hatte wohl den dringlichen Wunsch, den Kontakt mit den alten Freunden in Cambridge, die er seit zehn oder elf Jahren nicht mehr gesehen hatte, wieder aufzunehmen, doch gleichzeitig scheute er davor zurück, voller Selbstzweifel und Angst, nicht mehr verstanden, ja nicht mehr erkannt zu werden, war er doch ein anderer Mensch geworden.. Mit Russell war nach einem Treffen in Innsbruck ein Abbruch der nach dem Krieg wieder neu erwachten Beziehung erfolgt; erst Jahre später wurde eine Fortsetzung nochmals möglich. Doch als unerwartet von William Eccles ein Brief aus Manchester eintraf, in welchem er Wittgenstein einlud, ihn in den Sommerferien 1925 zu besuchen, nahm er die Einladung an; er besuchte auch Keynes und Johnson. Eine grosse Erleichterung war in ihm zu spüren, als ihm die Rückkehr nach England wieder möglich erschien.
Vorerst nahm Wittgenstein nach der Rückkehr aus Cambridge die Lehrertätigkeit in Otterthal wieder auf. Dass diese im April 1926 von einem Tag auf den anderen abgebrochen werden musste, löste bei ihm fast untragbare Scham aus. Einem kränklichen und vaterlosen elfjährigen Schüler[50], der allzu langsam auf seine Fragen antwortete, hatte er so heftige Ohrfeigen ausgeteilt, dass dieser zusammenbrach. Wittgenstein geriet in Panik, schickte die Klasse nach Hause, trug den Knaben ins Zimmer des Schulleiters und rief einen Arzt aus der nächst gelegenen Stadt um Hilfe an. Darauf verliess er die Schule und kehrte nicht mehr zurück. Es wurde ein Verfahren wegen Misshandlung des Knaben gegen ihn eröffnet. Einer der Klassenkameraden hatte u. a. ausgesagt: „Davon, dass Wittgenstein den Buben misshandelt hätte, kann keine Rede sein. Wenn diese Strafe eine Misshandlung gewesen wäre, wären achtzig Prozent von Wittgensteins Strafen Misshandlungen gewesen.“[51] Wittgenstein wurde zwar nicht für schuldig erklärt, doch vor seinem eigenen Gewissen empfand er Schuld. Er hatte als Lehrer versagt, er hatte in ethischer Hinsicht versagt, er hatte zutiefst versagt; er wusste nicht mehr weiter.
Er erwog, in ein Kloster einzutreten. Der Abt, mit dem er ins Gespräch trat, riet ihm ab, Mönch zu werden. So zog er sich während drei Monaten wieder als Gärtner zurück, diesmal in den Klostergarten von Johannitermönchen. Stundenlang leistete er harte Arbeit mit Pickel und Schaufel ohne zu sprechen und ohne sich auszuruhen; nachts schlief er im Werkzeugschuppen. Einerseits war, was mit schwerer körperlicher Arbeit und mit Schweigen einherging, für ihn eine Art Kasteiung, die er sich auferlegte, andererseits ein therapeutischer Rückzug, den er brauchte. Das Erschrecken über sich selber suchte ihn immer wieder heim; der Unbekannte, der er sich selber war, war zudem eingepackt in die sich selber aufgestülpten Kleider Otto Weiningers. Noch war er zu scheu und zu unsicher, um diese von sich zu lösen. Es gibt Zeilen von Wislawa Symborska, die auf Wittgenstein zutreffen:
„Nur das, was menschlich ist,
kann wahrhaft fremd sein.
Der Rest ist Mischwald, Maulwurfsarbeit, Wind.“[52]
Anfang Juni 1926 starb mit 76 Jahren Leopoldine Wittgenstein-Kalmus, Ludwig Wittgensteins Mutter. Eine grosse Veränderung geschah dadurch in Wittgensteins Leben. Leopoldine Wittgenstein hatte nach dem Tod ihres Ehemannes (1913) weiter das ganze Familiensystem repräsentiert, so wie sie schon immer in erster Linie die Ehefrau Karl Wittgensteins gewesen war und gesellschaftliche Funktionen ausgeübt hatte, eine mächtige, schöne und bewunderte Herrin mit streng beurteilendem Blick, deren Forderungen und Erwartungen zu genügen Ludwig Wittgenstein unmöglich erschien. Nicht dass er den Tod der Mutter gewünscht hätte, doch Trauer blieb ihm fern, wie er in verschiedenen Briefen verstehen liess. Es ist anzunehmen, dass eine nicht aussprechbare Erleichterung in ihm spürbar war, als sei ihm erst jetzt erlaubt, sich aus dem Bild des verzögerten und ungenügenden, gross gewordenen Nachkömmlings lösen zu dürfen, nachdem er nach dem Tod seines Vaters gewagt hatte, aus dem Rahmen auszusteigen. Allerdings liessen Ängste und Unwertgefühle ihn nicht los; er trug das Bild seiner selbst weiter auf sich. Er war damals 37 Jahre alt. Hermine resp. Mining, die ihn seit der Kindheit durch alle schweren Krisen hindurch mit Aufmerksamkeit begleitet hatte, wurde „Familienoberhaupt“. Der Wechsel, der damit einherging, betraf in starkem Mass Wittgensteins Verhältnis innerhalb der Familie zu den Familienmitgliedern[53].
Als älteste Tochter der acht Kinder war Hermine auf andere Weise dem Familiesystem ausgesetzt gewesen wie ihr jüngster Bruder. Wie sehr sie für ihn eine stärkende Präsenz bedeutete, ohne dadurch die ihn belastenden Ängste lösen zu können, war ihm immer bewusst gewesen. Dies wurde u. a. in einem Traum deutlich, den Wittgenstein in der Nacht vom 22. Januar 1922 erlebt hatte, als er in Trattenbach als Lehrer arbeitete. Frühmorgens nach dem Erwachen hatte er den Traum in einem Heft neben den Unterrichtsplänen notiert. Das erschreckende innere Bild seiner selbst, das Wittgenstein beherrschte, wurde dadurch festgehalten. „(…) Ich träumte, dass mir meine Schwester Mining bei irgend einer Gelegenheit (…) eine mir schmeichelnde Bemerkung über meine Geistigkeit machte. Sie sagte in einem für mich lobenden Sinn etwas wie: ‚Da sieht man eben den Unterschied zwischen den Geistern’. Ich lehnte die besondere Stellung zwar ab, indem ich die anderen, die Mining auf eine tiefere Stufe stellte, verteidigte, freute mich aber im Grunde doch über die Schmeichelei und über meinen anerkannt hohen Geist. Darauf erwachte ich und schämte mich meiner Eitelkeit und Gemeinheit in einer Art Reue – meiner genauen Gedanken erinnere ich mich nicht mehr – und machte ein Kreuz. Ich empfand, dass ich mich dazu im Bett zum mindesten aufsetzen oder niederknien sollte, war aber dazu zu faul und machte das Kreuz halb aufgerichtet und legte mich wieder. Da aber empfand ich, dass ich jetzt aufstehen müsse, dass Gott es von mir verlange. Das geschah so: Ich empfand auf einmal meine völlige Nichtigkeit und ich sah ein, dass Gott von mir verlangen konnte, was er wollte, mit der Bedingung nämlich, dass mein Leben sofort sinnlos würde, wenn ich ungehorsam bin. Ich dachte sofort, ob ich nicht erklären könne, das Ganze sei eine Täuschung und es wäre kein Befehl Gottes; aber es war mir klar, dass ich dann alle Religion in mir für Täuschung erklären müsste. Dass ich den Sinn des Lebens verleugnen müsste. Nach einigem Widerstreben folgte ich dem Befehl, machte Licht und stand auf. Mit einer schrecklichen Empfindung stand ich im Zimmer. Ich ging zum Spiegel, sah mich hinein, und mein Spiegelbild schaute mich so Grauen erregend an, dass ich mein Gesicht in den Händen verbarg. Ich fühlte, dass ich gänzlich zerschlagen und in der Hand Gottes sei, der mit mir in jedem Moment machen kann, was er will. Ich fühlte, dass mich Gott jederzeit zwingen könne, augenblicklich meine Gemeinheiten einzugestehen. Dass er mich jederzeit zwingen könnte, das Schrecklichste auf mich zu nehmen und dass ich nicht bereit sei, das Schrecklichste auf mich zu nehmen. Dass ich nicht bereit bin, der Freundschaft und allem irdischen Glück zu entsagen. Ob ich aber jemals bereit sein werde?! Ich hatte nicht die Erlaubnis, ins Bett zurück zu gehen, fürchtete mich aber vor weiteren Befehlen und ging wie ein schlechter Soldat, wie ein Deserteur, gegen den Befehl voll schrecklicher Furcht ins Bett. – Beim Auslöschen hatte ich einen Unfall. Die Fassung der elektrischen Birne schraubte sich auf, ich berührte den elektrischen Draht und bekam einen Schlag. Ich zuckte heftig zurück und schlug den Ellbogen äusserst schmerzhaft an die Bettlehne. Der heftige Schmerz aber war in meiner Lage eine wahre Erleichterung, er lenkte mich etwas von meinen Gefühlen ab. So lag ich nun einige Zeit mit einem schrecklichen Gefühl da und fürchtete mich davor einzuschlafen, damit mir nicht in einem Traum meine ganze Lage in aller Dringlichkeit zum Bewusstsein käme und ich das Schrecklichste auf mich nehmen müsste oder den Verstand verlöre – Ich schlief dann ein und träumte nicht mehr oder doch nicht von jener Sache. In der Früh fühlte ich mich ziemlich normal. Jetzt bin ich recht matt und abgespannt.
Wie gesagt habe ich heute in der Nacht meine völlige Nichtigkeit eingesehen. Gott hat geruht sie mir zu zeigen. Ich habe dabei immer an Kierkegaard gedacht und habe geglaubt, dass mein Zustand ‚Furcht und Zittern’[54] sei.“[55]
Wittgensteins zermürbende Angst geht weiter als Kierkegaards „Furcht und Zittern“. Kierkegaard berief sich nach eigenen Angaben auf ein Zitat aus Paulus’ und Thimotheus’ „Brief an die Römer“ (2,12), wobei Kierkegaard ausführte, dass „Furcht und Zittern nicht der ‚primus motor’ im christlichen Leben ist, denn das ist die Liebe, aber es ist, was die
U n r u h e in der Uhr ist – es ist die U n r u h e des christlichen Lebens.“[56] Kierkegaards Gottesbild ist das strenge Gottesbild Luthers, das Bild des „unendlich hohen Vaters“, der vielleicht einem Kind noch erreichbar erscheint, „denn für das Kind ist nichts zu hoch, das Kind sagt zum Kaiser wie zum Kindermädchen du“, während Erwachsene des „Mittlers“ resp. des „Versöhners“ bedürfen, wie Kierkegaard schreibt, „des Sohnes, der zugleich Vorbild ist“, wobei auch „das Vorbild so unendlich erhaben geworden wurde, dass ein Mensch nicht so ohne weiteres im guten Sinn kameradlich danach streben darf ihm zu gleichen. Da weist das Vorbild wieder von sich an ‚den Geist’. Du musst einen Geist zur Hilfe haben.“ [57]
Wittgenstein fand sich in seinem nächtlichen Albtraum bar jeden Vermittlers. Wie er aus dem Traum erwachte, in welchem er sich zuerst gefreut hatte, dass Mingin ihn für seinen Geist gelobt hatte, d.h. für den „Tractatus“, für das Werk, das er gezeugt hatte, dass sie ihn gewissermassen als Genius (gignere – zeugen) anerkannt und dadurch vergöttlicht hatte, da fühlte er sich einem archaischen Gott ausgeliefert, der ihn für seinen Hochmut bestrafen würde, der ihn zwingen könnte, das Schrecklichste auf sich zu nehmen. Wohl machte er ein Kreuz, doch das genügte nicht, er musste sich erheben, er musste sich Gott stellen. Welchem Gott? Es war der angsteinflössende, rächende Gott, es war Jahwe, der Gott Abrahams, der dessen Gehorsam geprüft hatte, indem er als Brandopfer Isaak, den Sohn von ihm gefordert hatte. Nur auf Grund des blinden Gehorsams war Isaak verschont geblieben und Abraham wurde belohnt (Genesis 22,1 – 22, 20). Die Bedingungen für Jahwes Gunst erschienen Wittgenstein gnadenlos, nicht nur in jener Nacht, als er sein Gesicht, das ihm so Grauen erregend erschien, als er es als Spiegelbild vor sich sah, in den Händen verhüllte.
Doch worin bestand die Schuld, die Wittgenstein vor dem Gott-Richter in sich trug und die er mit keiner Art Sühne zu löschen vermochte? Hätte er bereit sein müssen, den „Tractatus“ zu vernichten? War es sein Stolz, das Werk geschaffen zu haben, wie er meinte? – oder war es die nicht kontrollierbare Triebhaftigkeit, deren er sich schämte, da er damit kein „Werk“ resp. keinen Nachkommen zustande brachte? – oder war es die Tatsache, dass er voller Feigheit, wie er immer wieder festhielt, lebte, während drei seiner Brüder das Leben nicht hatten ertragen können? – oder ging die Schuld über Generationen zurück, war es eine transgenerationelle Schuld vor dem jüdischen Gott, die er als jüngster männlicher Nachkomme seiner väterlichen Familie tragen musste?
Eine grosse Nähe zu Franz Kafka tut sich dabei kund, der sich ausweglos dem Prozess und Urteil ausgesetzt fühlte, ohne in der Lage zu sein, die Schuld zu kennen noch durch Sühne zu löschen. Für Wittgenstein blieb dieser strenge, strafende Gott auch in der katholischen Religion präsent, so wie er sie empfand, bis kurz vor seinem Tod (am 29. April 1951 in Cambridge). Die Tagebuchnotiz vom 15. März 1951 war wie eine letzte Fortsetzung der Aufzeichnung vom 13. Januar 1922: „Gott kann mir sagen: ‚Ich richte Dich aus Deinem eigenen Munde. Du hast Dich vor Ekel vor Deinen eigenen Handlungen geschüttelt, wenn Du sie an Andern gesehen hast.“ [58]
Der Vergleich mit Matthäus 12, 37, den Ilse Somavilla vornimmt, erscheint mir gerechtfertigt. Auch in Gesprächen mit Paul Engelmann kam es häufig vor, dass Wittgenstein auf das Jüngste Gericht hinwies[59]. Ob Wittenstein schon damals unter dem manichäisch nachwirkenden Einfluss von Augustinus’ „Bekenntnissen“ stand, ist unklar; doch so oder so waren „die Katakomben der Seele mit Vorstellungen tatsächlicher oder erklügelter Vergehen verpestet“[60].
Um den Bruder nach dem beschämenden Abbruch seiner Tätigkeit als Volksschullehrer aus der Krise herauszuholen, bot Margarete resp. Gretl ihm an, mit Paul Engelmann, dem sie 1925 den Auftrag gegeben hatte, für sie an der Kundmanngasse im III. Bezirk Wiens ein neues Stadthaus zu entwerfen, dieses gemeinsam zu bauen. Engelmann war einverstanden, und der schon bestehende Entwurf wurde durch „P. Engelmann & L. Wittgenstein, Architekten“ neu überarbeitet. 1928 konnte Gretl in das Haus einziehen, das in seiner Kargheit von merkwürdiger Schönheit und vollkommener Ausgewogenheit war, eine „hausgewordene Logik“, wie Hermine sagte und die Gretl „wie ein Handschuh passte“[61].
Wittgenstein löste sich durch die Arbeit an der Kundmanngasse aus seiner Bedrücktheit. Er verliebte sich sogar in eine junge Frau, die Schweizerin Marguerite Respinger, die aus reichem Haus kam und in Wien eine Kunstschule besuchen wollte. Thomas Stonborough, Gretls ältester Sohn, hatte sie in Cambridge kennen gelernt und zu seiner Mutter eingeladen, die während der Bauarbeiten in Schloss Schönbrunn wohnte und die sie gerne mochte. Marguerite Respinger liess sich von Wittgenstein Geschichten von J. P. Hebel vorlesen, schaute bei ihm auf der Baustelle vorbei, besuchte ab und zu mit ihm einen Film und trank darauf mit ihm ein Glas Milch, stand ihm auch Modell für eine Portraitbüste, die er für Gretl modellierte. Dass nichts Gemeinsames die zwei untereinander verband, war allen, die darüber den Kopf schüttelten klar, und trotzdem – oder gerade deshalb – war Marguerite Respinger für Wittgenstein von besonderer Bedeutung. Ihre Präsenz hatte für ihn etwas Beruhigendes, da sie ihm gegenüber keine Erwartungen spüren liess; sie war künstlerisch begabt und von lebensfroher, heiterer Art. Dass sie zutiefst antisemitisch eingestellt war und annahm, es handle sich bei den Wittgensteins um eine ganz und gar katholische, reiche Familie, störte ihn nicht. Er empfand für sie zärtliche Gefühle und sogar Eifersucht, wenn sie in Wien andere, jüngere Männer traf.
Nachdem Wittgenstein Anfang Januar 1929, nach Abschluss seiner Tätigkeit als Architekt, wieder nach Cambridge gezogen war, schrieb er Marguerite Respinger fast täglich. Sie liess sich von ihm überzeugen, eine Ausbildung als Krankenschwester zu machen, um eine sinnvolle Tätigkeit auszuüben. Er setzte in seiner religiösen Phantasie gewissermassen die Architekturarbeit fort und entwarf für sich ein gemeinsames Leben mit ihr, ein platonisches Eheleben à la Otto Weininger, ohne dass er sich um die Gefühle und Bedürfnisse der jungen Frau gekümmert hätte. Hatte er die Hoffnung, mit seinem Entwurf den Forderungen des ihn beherrschenden Gottes eher genügen zu können? Ab und zu traf er „seine Braut“ in Wien, wenn er aus familiären Gründen dort weilte. Im Sommer 1931 lud er sie nach Skjolden, seinen norwegischen Fluchtort ein, damit sie sich gemeinsam für die Ehe vorbereiten könnten, wie er Frank Ramsey erklärte. Doch in Skjolden sahen Marguerite Respinger und Wittgenstein einander kaum. Wittgenstein hatte sich allein in seine Hütte zurückgezogen und hatte Marguerite Respinger auf dem Bauernhof von Anna Rebni, der nächsten Nachbarin, untergebracht. Während er die Zeit mit Nachdenken und Bibellektüre verbrachte (insbesondere Paulus’ Brief an die Korinther), ging sie im Fijord schwimmen, machte Wanderungen durch die Wälder und reiste nach zwei Wochen wieder ab. Die Korrespondenz setzte sich fort, ohne dass geklärt worden wäre, was die Beziehung für sie bedeutete. An Weihnachten 1933, als er bei seiner Schwester Gretl in Wien war, erfuhr er, dass Marguerite Respinger am Sylvestertag Talle Sjögren, den jüngeren Bruder des mit Wittgenstein befreundeten Arztes Arvid Sjögren, heiraten werde. Eine Stunde vor der Hochzeit soll Wittgenstein Marguerite Respinger aufgesucht haben und, wie sie in ihrem Notizheft festhielt, ihr seine Unersetzbarkeit mitgeteilt haben: „(…)’Du machst eine Schiffsreise, und das Meer wird rauh sein. Bleibe mir immer verbunden, so wirst du nicht untergehen’, beschwor er mich. Bis dahin hatte ich weder seine tiefe Verbundenheit noch seinen grossen Irrtum wahrgenommen. Jahrelang war ich in seinen Händen wie weicher Wachs gewesen, den er nach seinem Ideal kneten wollte.“[62] Dass sie von Wittgensteins Entwurf eines gemeinsamen, platonischen Lebens nichts gewusst oder geahnt hatte, mutet merkwürdig an, doch auf jeden Fall erschien es ihr nicht möglich, seinen Erwartungen und Forderungen zu genügen. Sie wählte eine Lebensweise, die ihr entsprach und hatte Kinder und Enkelkinder.
Vielleicht noch bedeutender war für Wittgenstein, dass Gretl in der gleichen Zeit, d.h. während der Bauarbeiten an ihrem Haus in Wien, die Bekanntschaft zwischen ihrem jüngeren Bruder und dem sieben Jahre älteren Moritz Schlick[63] geglückt war, diesem bedeutenden, mit Max Planck und Albert Einstein befreundeten Naturwissenschafter und Philosophen, der auch zwei Jahre Psychologie bei Wilhelm Wundt in Zürich studiert hatte, der an den Universitäten Rostock und Kiel gelehrt hatte und seit 1922 in der Nachfolge von Ludwig Boltzmann und Ernst Mach an der Universität Wien den Lehrstuhl für Naturphilosophie übernommen hatte. Moritz Schlick hatte sich für demokratische Reformen im Hochschulwesen eingesetzt und als Rahmen der philosophischen Diskussion 1924 den „Wiener Kreis“[64] gegründet, an welchem die bedeutendsten Denker und Denkerinnen aus dem Bereich der Logik teilnahmen[65]. Moritz Schlick hatte gleich nach der englischen Publikation von Wittgensteins „Tractatus“ ein Exemplar von Frank Ramsey zugeschickt bekommen, hatte es gelesen und im „Wiener Kreis“ vorgestellt. Von der überragenden Qualität dieses Werks war er überzeugt. Er hatte Wittgenstein in Puchberg, dann in Otterthal aufsuchen wollen, um mit ihm über seine Logik zu diskutieren, wozu Wittgenstein mit grosser Hemmung zugestimmt hatte. Doch weder am einen noch am anderen Ort konnte eine erste Begegnung realisiert werden. Nun trafen sich die beiden Männer im Rahmen eines Abendessens bei Gretl und es entstand ein intensiver Austausch von begrifflichen und erkenntnistheoretischen Überlegungen, der für Wittgenstein die Rückkehr zur Philosophie bedeutete und der eine Freundschaft anbahnte, die sich über lange Jahre vertiefte. Sie nahm ein Ende, als Moritz Schlick am 22. Juni 1936 in aller Öffentlichkeit auf der sog. Philosophentreppe der Universität Wien durch einen jungen Nationalsozialisten, einen ehemaligen Studenten, ermordet wurde.
Dank der Begegnung mit Moritz Schlick kam es allmählich zu einem breiteren, wenngleich harzigen Austausch innerhalb des „Wiener Kreises“, insbesondere mit Hans Hahn, mit Rudolf Carnap und mit Friedrich Waismann. Es war Waismann, der die Gespräche über Logik und Mathematik in Notizen festhielt und der sich auch bereit erklärte, mit Wittgenstein ein gemeinsames Buch über das Wesen der Mathematik herauszugeben. Doch die Zusammenarbeit, die sich über Jahre hinzog, wurde zunehmend schwieriger, ob sie während Wittgensteins Aufenthalt in Cambridge durch Briefaustausch erfolgte oder in Form von Diktaten oder Gesprächen in Wien. Was Wittgenstein am einen Tag gesagt hatte, erklärte er am nächsten Tag für falsch. Oft geschahen Änderungen seiner Aussagen innerhalb weniger Stunden. Waismann gegenüber wurde er zunehmend ungehaltener und schickte seine Notizen nicht mehr ihm direkt, sondern über Schlick, bei dem er sich beklagte, von Waismann nicht richtig verstanden zu werden. Wie fordernd und dominant, ja beinah despotisch Wittgenstein sich im Austausch mit Kollegen verhalten konnte, wurde in der Zusammenarbeit mit Friedrich Waismann deutlich; gleichzeitig findet sich hier die thematische Fülle von Überlegungen und Thesen, die Wittgenstein in Zusammenhang der Korrektur und Erweiterung des „Tractatus“ als dringlich erachtete[66], die sich in seinen Notizheften und Briefen, Manuskripten und Typoskripten anhäuften und in den „Vorlesungen“[67], im „Blauen Buch“ und „Braunen Buch“[68], in den „Philosophischen Untersuchungen“[69] und in der „Philosophischen Grammatik“[70] gesammelt wurden: Mathematik und Geometrie, Physik, Phänomenologie und Psychologie[71], Ethik und Religion, Sprachanalyse, Sprachspiele und Pädagogik. Für Wittgenstein wird „alles in der Sprache ausgetragen“[72].
Es war dank der Begegnung mit Moritz Schlick der neu einsetzende philosophische Austausch, der Wittgenstein die Rückkehr nach Cambridge ermöglichte. Cambridge wurde erneut zu Wittgensteins Wohn- und Wirkungsort, zum Ort wichtiger Beziehungen und ständiger Fortsetzung seiner philosophischen Arbeit, mit kurzen oder z. T. längeren Unterbrüchen – immer wieder in Wien oder auf dem Wittgenstein’schen Sommergut in Tirol, vor allem in Norwegen, wohin er sich häufig zurückzog, jedoch auch in Dublin und im walisischen Swansea, dann während der Zeit des Zweiten Weltkriegs zuerst in Cambridge, dann in London, später im nordenglischen Newcastle und wieder in Swansea, nach dem Krieg erneut in Irland (in Red Cross/Wicklov sowie in Galway), in Ithaca (New York) an der Cornell University, noch ein letztes Mal in Wien, dann zum Sterben in Cambridge. Während Jahren war Wittgenstein ohne festen Wohnsitz; was er besass, trug er mit sich von Ort zu Ort.
Nachdem Wittgenstein 1929 Wien verlassen hatte, erlangte er dank des Einsatzes von Moore und Russell noch im selben Jahr in Cambridge den Doktortitel; der „Tractatus“ wurde als Doktorarbeit anerkannt. Auch brachte Moore es zustande, dass Wittgenstein vom Trinity College ein Forschungsstipendium zugestanden wurde. 1930 erhielt er auf Grund der in jenem Jahr entstandenen „Remarks on Logical Form“ sowie eines Vortrags über Ethik für fünf Jahre die Anerkennung als Fellow. Er wurde zu Vorlesungen verpflichtet, die er für sein Wertgefühl begrüsste, die ihm jedoch in formaler Hinsicht grösste Mühe bereiteten. Die Zeit in Wien, insbesondere der Austausch mit Moritz Schlick, hatte den Blick auf sein väterliches Erbe verändert; er konnte es einbeziehen in seine Arbeit über die Logik der Sprache. „Die Grammatik, das sind die Geschäftsbücher der Sprache, aus denen alles zu ersehen sein muss, was nicht begleitende Empfindungen betrifft, sondern die tatsächlichen Transaktionen der Sprache.“[73]
Zum kleinen Kreis von fünf-sechs Studierenden, die Wittgenstein akzeptierte und denen er seine „Betrachtungen“ und „Untersuchungen“ diktierte, gehörte Francis Skinner, ein 20jähriger Mathematiker, mit dem eine der intensivsten und längsten Beziehungen begann. Ähnlich wie Marguerite Respinger und David Pinsent wirkte Francis Skinner beruhigend auf Wittgenstein. Jedoch anders als Marguerite Respinger, die sich nicht – oder nur scheinbar – auf Wittgensteins Phantasien eingelassen hatte, auch anders als David Pinsent, der gegenüber Wittgensteins Ansprüchen und Forderungen immer wieder Distanz gesucht hatte, war Francis Skinners Liebe von uneingeschränkter Anpassung und Bewunderung geprägt. So hatte er sich z. B. nach Abschluss seines Studiums dem Drängen Wittgensteins gefügt, hatte seine akademische Karriere aufgeben und begonnen, in einer Schraubenfabrik zu arbeiten, um eine Mechanikerlehre zu machen. Diese Arbeit war so eintönig und langweilig, dass es Francis Skinner schien, dabei seinen Geist zu verlieren. Er sehnte sich nach Fortsetzung der Arbeit am „Braunen Buch“, bei welcher er der Schreibende und Wittgenstein der Diktierende war. Doch Wittgensteins sture Befolgung von Weinigers Forderung, Liebe durch Distanz zu prüfen, überhaupt seine grossen emotionalen Wechsel versetzten den viel jüngeren Francis Skinner, der sich nach einem gemeinsamen Leben sehnte, in einen kaum tragbaren Mangelzustand, den er nicht lösen konnte.
Es erstaunt daher nicht, dass Francis Skinner zustimmend auf Wittgensteins Plan reagierte, gemeinsam das westliche Europa zu verlassen und in Russland in einer Kolchose zu arbeiten, oder, wie Wittgenstein auch erwog, noch Medizin zu studieren und in Russland als Arzt tätig zu sein. Zu diesem Zweck nahmen beide Russischstunden bei Fania Pascal, und Wittgenstein holte mit Hilfe von Keynes eine ganze Reihe von Empfehlungsschreiben ein, die er Anfang September 1935 benutzte, als er nach Leningrad, nach Moskau und nach Kasan reiste, wo ihm ein Lehrstuhl an der Universität angeboten wurde. Doch zwei Wochen später kehrte er wieder nach England zurück, ohne grosse Kommentare. Seine kritische Einstellung dem Stalinismus gegenüber war sehr beschränkt, zumal er weder Marxist noch gar Stalinist gewesen wäre. Die Tatsache, dass es gemäss seiner Einschätzung kaum Arbeitslosigkeit gab und dass das Bildungssystem eine mit dem Westen kaum vergleichbare Qualität aufzeigte, hatte für ihn etwas Überzeugendes, während in Russland zu leben ihm ähnlich erschien wie als Freiwilliger in der Armee auszuhalten. Über die Tyrannei regte er sich nicht auf, wohl aber über die Vorstellung, dass durch die Bürokratisierung wieder Klassenunterschiede geschaffen würden[74].
Als Francis Skinner im Herbst 1941 an Kinderlähmung (Poliomyelitis)[75] erkrankte und nach kurzer Zeit, am 11. Oktober, daran starb – noch nicht dreissig Jahre alt -, war Wittgenstein täglich in seiner Nähe. Der Tod dieses Freundes versetzte ihn erneut in Schuldgefühle, die er während Monaten kaum tragen konnte und die ihn bis zu seinem eigenen Lebensende nicht losliessen.
Diese Schuldgefühle setzten fort, was schon im Albtraum vom 13. Januar 1922 deutlich geworden war und was Wittgenstein 1936, nach Abschluss des Fellowship in Cambridge, durch den Rückzug nach Skjolden und die Aufarbeitung all seiner seit der Kindheit begangenen Sünden in sich zu löschen versucht hatte, indem er diese in Form eines „Bekenntnisses“ aufs Kleinlichste zusammenstellte – im Sinn von Augustinus’ „Confessiones“. Das „Bekenntnis“ seinen nächsten Freunden in Cambridge wie in Wien vorzutragen, dort auch seinen Angehörigen, war ihm damals dringlich erschienen. Ob es diesen peinlich erschien, seine Beichte anzuhören, wie es bei allen – ausser bei Francis Skinner, der damals noch lebte – der Fall war, kümmerte ihn nicht. Schuld und Sühne waren für Wittgenstein untrennbar mit seiner Person verbunden, und zur Sühne gehörte das Bekenntnis seiner vielfachen Schuld. Da war einerseits das Gefühl des Versagens, andererseits das geheime Streben nach unübertrefflicher Vollkommenheit, wie es im Traum über den Stolz ob Hermines Lob deutlich wurde und wie er es mehreren Freunden gegenüber gegenüber bekannte. „Das Gebäude Deines Stolzes ist abzutragen, und das gibt furchtbare Arbeit“, hielt er fest. „Wer in sich selbst nicht heruntersteigen will, weil es zu schmerzhaft ist, bleibt natürlich auch mit dem Schreiben an der Oberfläche.“[76]
Zusätzlich zum Stolz waren weitere Sünden, die Wittgenstein in seinem Bekenntnis aufgeführt hatte, alle Eitelkeiten und Feigheiten, alle Lügen und bewussten Täuschungen, die er sich vorwarf. Er erwähnte dabei auch die wiederholte Leugnung seiner jüdischen Herkunft. Dass drei seiner christlich getauften Grosseltern – die Eltern seines Vaters sowie die Mutter seine Mutter – nicht arisch waren, habe er fast immer (ausser Paul Engelmann gegenüber) zu vertuschen versucht. Dass Wittgenstein sich nun dazu bekannte, war von besonderer Bedeutung, da er nach den „Nürnberger Gesetzen“ vom 15. September 1935 tatsächlich ein „Volljude“ und somit eine „völkische Schande“ war[77]. Nun erschien ihm wichtig, eine über lange Zeit fortgesetzte Selbsttäuschung zu korrigieren. Aus den Jahren seiner platonischen Liaison und seiner „Ehe“-Pläne mit Marguerite Respinger, die auf Grund ihres Antisemitismus bedenkenlos „Juden wie Paul Engelmann als unerträglich“ [78] bezeichnet hatte, finden sich in Wittgensteins Notizheften viele Hinweise, dass er selber als „Aristokrat“ und auf keinen Fall als Jude gelten wollte.
Wieder war es ein Traum, den Wittgenstein im Dezember 1930 notiert hatte, der den tief in ihm verwurzelten Zwiespalt deutlich werden liess. Er hatte geträumt, dass er in einer Zeitschrift eine Photographie von „Vertsagt, einem viel besprochenen Tageshelden“ sah und dass neben ihm sein Freund Hänsel und jemand anderer stand, der seinem Bruder Kurt ähnlich war. „Dieser sagt, dass Vertsag (sic) ein Jude sei, aber die Erziehung eines reichen schottischen Lords genossen habe. Jetzt ist er Arbeiterführer. Seinen Namen hat er nicht geändert, weil das dort nicht Sitte sei. Es ist mir neu, dass Vertsagt, den ich mit der Betonung auf der ersten Silbe ausspreche, ein Jude ist, und ich erkenne, dass sein Name einfach ‚verzagt’ heisst. Ich denke, muss denn hinter jeder Unanständigkeit ein Jude stecken.“ Der Traum ging weiter. Vertsag erschoss mit einem Maschinengewehr einen vorbeifahrenden Radfahrer und darauf ein junges, ärmliches Mädchen, das auch auf einem Rad daher kam. „Ich hatte Mitleid mit dem Mädchen und dachte nur, in Österreich kann geschehen, dass dieses Mädchen kein hilfreiches Mitleid findet und die Leute zusehen, wie sie leidet und umgebracht wird. Ich selbst fürchte mich auch davor, ihr zu helfen, weil ich die Schüsse Vertsags fürchte. Ich nähere mich ihr, suche aber Deckung hinter einer Planke. Dann erwache ich. Ich muss nachtragen … dass ich ja selbst von Juden abstamme oder dass der Fall Vertsags ja auch mein Fall ist.“[79]
Wittgensteins eigene Traumdeutung deckte sich mit seinen Schuldgefühlen sowie mit seinen Gefühlen der Feigheit und der „Verzagtheit“. Noch immer wirkte in ihm Otto Weiningers Selbsthass nach, der in „Geschlecht und Charakter“ Ausdruck gefunden hatte und der an Wittgensteins Innenleben seit der Gymnasialzeit in Linz nagte. Ebenso stand Wittgenstein 1930 unter dem Einfluss von Oswald Spenglers „Untergang des Abendlandes“, der bei seinen Emigrationsplänen nach Russland mitgewirkt hatte. Spenglers Aufruf, „starke Begabungen durch Zucht und Züchtung zu selektionieren“, näherte sich in vielem der nationalsozialistischen Rassentheorie, die damals die Medien beherrschte.[80] Es war eine konservative, vom Adel und von der Industrie ausgehende Revolution, die Spengler als nötig erachtete, um die seines Erachtens verhängnisvolle Demokratie der Weimarer Republik umzustossen; er bewunderte Mussolini und den italienischen Faschismus, beurteilte jedoch Hitler als völlig unfähig und lehnte es ab, Mitglied der nationalsozialistischen Partei zu sein. Dass Wittgenstein Spenglers „Untergang des Abendlandes“ mehrmals gelesen und weiter empfohlen hatte, wird durch Tagebuchnotizen und Briefe dokumentiert. Unklar ist dagegen, ob er auch in Kenntnis von Hitlers „Mein Kampf“ zu den Aufzeichnungen aus jener Zeit kam, die merkwürdig anmuten. (Möglicherweise hatte er das Buch unter Marguerite Respingers Einfluss gelesen).
Wittgensteins Bedürfnis, sich von der belastenden Nichtübereinstimmung zwischen seiner Intelligenz und seinen Schwächen, Unklarheiten und Ängsten zu lösen, das sich in seinen „Bekenntnissen“ äussert, hatte vermutlich seit 1926 – seit dem Tode seiner Mutter – nicht mehr bloss nach Erfüllung gedrängt, sondern eine solche in die Nähe gerückt, allerdings nur scheinbar, indem zuerst meinte, neuen Assimilationsforderungen genügen zu müssen. Die Anerkennung, die ihm in Cambridge entgegen kam, der wissenschaftliche Austausch mit Moritz Schlick und dem „Wiener Kreis“, die Liebe von Francis Skinner, die Erfahrung verlässlicher Freundschaften – all dies hatte nicht genügen können. War er sich selber näher gekommen? – oder befand er sich weiterhin in einem geschlossenen Raum, wie in Platons Höhle, in welche das wirkliche Licht gar nicht hineindringen konnte? Wirkte in ihm ein anderes und trotzdem ähnliches Anpassungsstreben als jenes seines Vaters und Grossvaters nach? Es bedurfte des überraschenden Heiratsentscheids Marguerite Respingers Ende Dezember 1931, damit er sich über das von ihm geschaffene konventionelle Konstrukt einer Ehe, das seiner während fünf Jahren aufrechterhaltenen Selbsttäuschung entsprach, klar werden konnte. Dass eine Ehe nicht wie ein sprachlicher Satz ausschliesslich von seiner Vorstellung abhing, sondern dass diese der Zustimmung Marguerite’s, ja der Übereinstimmung mit ihr bedurft hätte, war von ihm unbeachtet geblieben. Auf jeden Fall entsprach der Phantasie-Entwurf einer konventionellen Ehe für Wittgenstein, der sich seiner Homosexualität bewusst war, einer – letztlich gesuchten – Selbsttäuschung wie das Konstrukt einer „arischen“ Adelsherkunft, das er auf unausgesprochene Weise während seiner vorgegebenen „Verlobungszeit“ in Cambridge vorgegeben hatte.
Immer wieder, schon viele Jahre vor dem 1936 zustande gebrachten „Bekenntnis“, hatte Wittgenstein die Sehnsucht nach Verlassen der Höhle, nach Licht und nach Befreiung von jeglicher herkunftsgeprägter Selbsttäuschung zum Ausdruck gebracht. Ein Beispiel findet sich in einem Brieffragment an Hermine (ohne Datum, noch aus der Volksschullehrerzeit). „… Denk Dir einen Menschen, der von seiner Geburt an immer in einem Raum lebt, in welchen das Licht nur durch rote Scheiben eindringt. Dieser wird sich vielleicht nicht vorstellen können, dass es ein anderes Licht als das rote gebe. (…) Er wird sein Licht für d a s Licht halten und nicht für eine besondere Art der Trübung des einen Lichts (die es doch in Wirklichkeit ist). Der Mensch bewegt sich nun in seinem Raum umher, besieht sich die Gegenstände, beurteilt sie etc. (…) er wird, wenn er sich nur weit genug bewegt, an die Grenze dieses Raumes stossen. Dann kann Verschiedenes geschehen: Der eine wird die Begrenztheit nun erkennen, er kann das Glas aber nicht durchbrechen und wird nun wohl resignieren. (…) Ein anderer Mensch wird an die Umgrenzung des Raumes anstossen, wird sich aber nicht ganz klar darüber, dass es die Umgrenzung ist und nimmt die Sache, als wäre er an einen Körper innerhalb des Raumes gestossen. Für diesen ändert sich eigentlich nichts; er lebt weiter wie früher. Ein Dritter endlich sagt: Ich muss hindurch in d e n Raum und das Licht. Er durchbricht das Glas und tritt aus seiner Begrenzung aus und ins Freie. (…) Je intensiver, desto mehr; je weniger intensiv, desto weniger“…[81]
Wittgenstein war sich bewusst, dass, um das eigentliche, wahre Licht zu erleben, er den Mut brauchte, die Glaskugel zu durchbrechen. Es hiess zu erkennen, dass die Negation einer Tatsache die Tatsache nicht aufhebt, sondern zum Problem werden lässt; dass es daher einer Lösung des Problems bedarf. Diese Erkenntnis gehörte zu den wichtigen Aspekten dessen, was später von Wittgenstein als Logik der Psychologie bezeichnet wird. „Dass das Leben problematisch ist, heisst, dass Dein Leben nicht in die Form des Lebens passt. Du musst dann Dein Leben verändern, und passt es in die Form, dann verschwindet das Problematische.“ Wittgensteins Selbsterkenntis verfeinerte sich, doch trotzdem blieb er weiter in seiner Selbstbeurteilung und –verurteilung im Zwiespalt haften.
Der erneute Rückzug Wittgensteins zu sich selbst in die Einsamkeit und Stille seiner norwegischen Hütte war diesmal umso dringlicher geworden, als Anfang September 1935, wie schon erwähnt, die Nürnberger Gesetze deklariert worden waren. Er spürte, dass Selbsttäuschung für ihn nicht mehr tragbar war, dass das Falsche nicht länger als richtig vorgegeben werden durfte, dass er ebenso sehr einer Grammatik der Seele bedurfte wie einer Logik des Denkens, dass er mit den Fragen des Glaubens ins Reine kommen musste. Zu seiner jüdischen Herkunft zu stehen – im Denken sei er „hundertprozentig hebräisch“[82], wie er später sagte – und gleichzeitig in der Suche nach dem Glauben sich annähernd katholisch zu fühlen, das war in geistiger Hinsicht von grosser Bedeutung.
Im Herbst 1941, nach dem Tod von Francis Skinner und der Ausweitung des zweiten Weltkriegs, gab Wittgenstein interimistisch die Professur in Cambridge auf, die er seit 1939 in der Nachfolge von C.E. Moore inne gehabt hatte. Er fühlte sich verpflichtet, einen „Kriegsbeitrag“ zu leisten, und er begann als Apothekenbote im Guy’s Hospital in London zu arbeiten, später – bis Ende 1943 – in Newcastle als Mitarbeiter in einem Forschungsteam, welches die Behandlung von „Schockproblemen“ untersuchte. Er nahm teil an histologischen Arbeiten, die in diesem Zusammenhang von Bedeutung waren und er erfand ein Gerät zur besseren Erforschung des „paradoxen Pulses“, d.h. atembedingter Pulsschwankungen, die bei schwerverletzten Soldaten festgestellt wurden. Diese technische Hilfsarbeit, die er im Labor von Newcastle leistete, wurde für Wittgenstein in psychischer Hinsicht beschwerlich, als zwei mit ihm befreundete Ärzte im Oktober 1943 an die italienische Front versetzt wurden. Im Februar 1944 kehrte er nach Cambridge zurück, jedoch nur, um anderswohin zu ziehen, diesmal für mehr als ein Jahr nach Swansea an der Südküste von Wales. An der dortigen Universität unterrichtete Rush Rhees, einer seiner meist geschätzten Schüler, der zu den Herausgebern seiner Schriften gehören wird. Wittgenstein hoffte, mit seinen „Philosophischen Untersuchungen“ so voran zu kommen, dass er sie abschliessen könnte. Die grösste Beachtung widmete er dabei der Philosophie der Mathematik, doch ebenso sehr der Philosophie der Psychologie. Er war dazu angeregt worden durch die Lektüre von William James’ “Principles of Psychology“[83], die ihm einen neuen Ansatz boten, sich zu fragen, was das eigene Selbst bedeutet – nicht „selbst“ als Wort, sondern als Bedeutung im Zustand der Aufmerksamkeit auf das innere, verborgene Ich. Damals stellte sich Wittgenstein die Frage: „Was ist Dein Ziel in der Philosophie?“ und er antwortete: „Der Fliege den Ausweg aus dem Fliegenglas zu zeigen“[84].
War das Fliegenglas für ihn von analoger Bedeutung wie die rote Glasglocke? Wollte er zu verstehen geben, dass es ihm möglich erschien, die Höhle zu verlassen, in welcher er sich seit über zwanzig Jahre eingeschlossen empfand? – dass es ihm möglich erschien, ans Licht zu gelangen und frei zu werden? Einige Monate später, die er wieder in Cambridge verbracht hatte, im Januar 1945, betrachtete er die „Philosophischen Untersuchungen“ tatsächlich als abgeschlossen. In einem Vorwort, das er damals schrieb, hielt er fest: „Ich übergebe sie mit zweifelhaften Gefühlen der Öffentlichkeit. Dass es dieser Arbeit in ihrer Dürftigkeit und der Finsternis dieser Zeit beschieden sein sollte, Licht in ein oder das andere Gehirn zu werfen, ist nicht unmöglich, aber freilich nicht wahrscheinlich. Ich möchte nicht mit meiner Schrift andern das Denken ersparen. Sondern, wenn es möglich wäre, jemand zu eigenen Gedanken anregen. Ich hätte gerne ein gutes Buch hervorgebracht. Es ist nicht so ausgefallen; aber die Zeit ist vorbei, in der es von mir verbessert werden könnte.“[85] Tatsächlich liessen die „zweifelhaften Gefühle“ die Publikation nicht zu; es erschien ihm dringlich, noch näher auf alles einzugehen, was mit den psychologischen Begriffen gemeint war.
Dazu kam die „Finsternis dieser Zeit“, die sich gegen Ende des Kriegs ins Unsagbare hinein steigerte. Schon als die Allierten1944 in Frankreich voranrückten und an der Ostfront die russischen Truppen sich Polen näherten, als die Niederlage der deutschen Armee zu erwarten war, empfand Wittgenstein keine leiseste Hoffnung mehr. „Ich bin sicher, dass der Frieden nach diesem Krieg schrecklicher sein wird als der Kriegs selbst.“[86] Das Entsetzen, das ihn erfüllte, betraf die Masslosigkeit der unmenschlichen Vernichtung menschlichen Lebens durch die Nazis – er wurde u.a. mit den Bildern von Leichen in den Lagern von Buchenwald und Bergen-Belsen konfrontiert, er wusste um die Gasöfen zur Massenvernichtung menschlicher Körper –, doch es betraf auch die Masslosigkeit und Grausamkeit der Brand- und Flächenvernichtung deutscher Städte durch die Bomben der Allierten, schliesslich japanischer Städte durch die ersten Atombomben der amerikanischen Armee. Wittgenstein litt mit jedem Teil seiner Identität – mit dem Teil seiner jüdischen Herkunftsgeschichte, der ihn zu den von den Nazis Verfolgten und Vernichteten versetzte, mit dem Teil seiner österreichischen Teilnahme am Ersten Weltkrieg und seiner damaligen nationalen Zugehörigkeit, die weiter an ihm haften blieb, sowie mit dem Teil seiner englischen Nationalität, der in die Kriegführung der Allierten einbezogen wurde. Kein Teil in ihm war für ihn mehr erträglich. „Die letzten sechs Monate waren grausiger als alles zuvor“, schrieb er einem Freund. „Ich wünschte, ich könnte dieses Land für eine Weile verlassen und irgendwo allein leben wie früher in Norwegen.“[87]
Was schliesslich als Friede erklärt wurde, konnte Wittgenstein nur als Waffenstillstand auf Zeit sehen. Er betrachtete es als „anmassende Lüge, diese Welt sei ein besserer Aufenthalt geworden durch die restlose Bezwingung der ‚Aggressoren’ dieses Kriegs, da ein künftiger Krieg natürlich nur von ihnen ausgelöst werden könne. Dies stinkt zum Himmel und verspricht eigentlich eine entsetzliche Zukunft“. [88] Seine eher konservativen politischen Wertmassstäbe, die er früher vertreten hatte, erschienen ihm nun mitschuldig zu sein am politischen Betrug und er trat für die Labour-Partei ein, um einer Fortsetzung der verhängnisvollen Sühne- und Rachepolitik Churchills entgegenzuwirken. An seiner prophetischen Ahnung zweifelte er nicht; sie beruhte auf der Einsicht in die Zusammenhänge der Masslosigkeit mit den von beiden Kriegsseiten benutzten und voran getriebenen Ergebnissen wissenschaftlichen und industriellen Fortschritts.
Tatsächlich setzten sich die mit dem technischen Fortschritt verbundenen wirtschaftlichen Machtwünsche auf allen Seiten in neuen Kriegen fort – im Vietnamkrieg, im Afghanistan-Krieg, im Krieg um die Falkland-Inseln, in Kriegen im Nahen Osten und in Afrika, im sog. Kalten Krieg. Für Wittgenstein stand fest, dass „das wissenschaftliche und technische Zeitalter der Anfang vom Ende der Menschheit ist; dass die Idee vom grossen Fortschritt eine Verblendung ist (…); dass an der wissenschaftlichen Erkenntnis nichts Gutes oder Wünschenswertes ist und dass die Menschheit, die nach ihr strebt, in eine Falle läuft. (…) Es könnte sein (…), dass Wissenschaft und Industrie nach und nach mit unendlichem Jammer die Welt einigen werden, ich meine sie zu e i n e m zusammenfassen werden, in welchem dann freilich alles eher als der Friede wohnen wird. Denn die Wissenschaft und Industrie entscheiden doch die Kriege (…).[89] Der Zweite Weltkrieg hatte bestätigt, dass das, was Fortschritt bedeutete, die möglichen Grenzen einer Weltherrschaft durchbrochen hatte.
Wittgenstein fühlte sich erschöpft. Worauf sollte sich sein Denken ausrichten? – worin bestand noch Sinn? „Es scheint, als wäre die zivilisierte Umgebung, auch die Bäume und Pflanzen in ihr, billig eingeschlagen in Zellophan und isoliert von allem Grossen und sozusagen von Gott.“ In ihm war die Sehnsucht, mit Hilfe eines leidenschaftlichen religiösen Glaubens – eines Glaubens, der mit keiner doktrinären Religion einherginge[90] – die Kälte der Theorie und den Betrug von Ideologie und Wissenschaft zu überwinden. Doch wie sollte sich diese Sehnsucht erfüllen? Wie konnte er mit seinem denkerischen Streben zu einem Gottesbild gelangen, das seinem seelischen Bedürfnis entsprach? – das zugleich Transzendenz und persönliche Nähe bedeutete? „Ich kann nicht niederknien zu beten, weil gleichsam meine Knie steif sind. Ich fürchte mich vor der Auflösung (meiner Auflösung), wenn ich weich würde.“[91] Noch immer hielt Angst ihn steif; das manichäische Gottesbild, das er bei Augustinus fand, blieb noch tiefer dem archaischen, strafenden Gott nahe, der über sein Ungenügen richtete.
Einerseits wurde Wittgenstein von einer grossen Anzahl Philosophiestudenten und -studentinnen, von denen die wenigsten ihn kannten, blindlings verehrt; andererseits stand er mit seiner unwissenschaftlichen Art des Vortrags, mit seinem fremd und derb anmutenden Auftreten und seiner Schwierigkeit, auf Andere einzugehen in ständigem Clinch mit den Philosophen seines „Rangs“ – so z.B. mit Popper, wieder mit Russell, auch mit den in Oxford – gemäss Wittgenstein einer „philosophischen Wüste“ – anwesenden „erlauchten Gästen“ (Gilbert Ryle, J. O. Urmson, Isaiah Berlin und H. A. Prichard)[92], die sich eingefunden hatten, als er im Mai 1947 einer Einladung folgte, um auf ein vorangegangenes Referat über Descartes’ „cogito ergo sum“ ein Gegenreferat zu halten. Wittgenstein hatte sich offenbar in seinem Vortrag weder um das vorangegangene Referat noch um Descartes gekümmert, wie einer der dort anwesenden Studenten festhielt, sondern sei mit seiner willkürlich anmutenden Redeweise einem Grossteil des Publikums arrogant erschienen; einige seien weggelaufen, während er redete.
Ausschlaggebend für die Einladung nach Oxford war eine junge Philosophin gewesen, Elisabeth Anscombe, die seit 1944, d.h. seit Wittgensteins Wiederaufnahme der Vorlesungen in Cambridge, zu den bedeutendsten und engsten Studierenden gehörte. (Sie war später eine der wichtigsten Übersetzerinnen und Herausgeberinnen von Wittgensteins Werk). Sie fühlte sich durch seine Methode des Denkens zutiefst angesprochen – im Gegensatz zu Iris Murdoch, die eine seiner Vorlesungen hörte und ihn als zermürbend empfand -, und Wittgenstein fühlte sich Elizabeth Anscombe ebenfalls verbunden, obwohl er sonst intellektuellen Frauen gegenüber lauter Abneigung zeigte. Er nannte sie „old man“ auf zärtliche Weise. Es war eine völlig andere Beziehung als jene zu Marguerite Respinger und mit dieser nur insofern vergleichbar, als es sich in beiden Zusammenhängen um ein ungewöhnliches Beziehungsverhalten Wittgensteins handelte. Als Elizabeth Anscombe ihm die Erzählungen von Franz Kafka lieh, die sie damals mit grosser Ergriffenheit las, gab Wittgenstein ihr das Buch zurück mit der Bemerkung, Kafka „gibt sich viel Mühe, nicht über seine Mühe zu schreiben“, und er empfahl ihr, eher Otto Weininger zu lesen. Über welche Mühe Kafka mühevoll vermied zu schreiben, erklärte Wittgenstein nicht, da auch für ihn diese Mühe mit dem tabuisierten und sündhaft empfundenen Bereich der Sexualität verbunden war. Dass unausgesprochen ausgesprochen wurde, was er meinte, ergibt sich aus der Elizabeth Anscombe gegenüber geäusserten Empfehlung, Otto Weinigers „Geschlecht und Charakter“ zu lesen.
Oft erscheint mir die tödliche Erkrankung Wittgensteins durch das Prostatakarzinom wie eine unbewusst voraus geahnte Erfüllung seiner Angst vor dem Phallus als dem körperlichen Symbol seiner väterlichen Erbschaft zu sein. Tatsächlich wurde Wittgenstein nach der am 25. November 1949 endlich erfolgten Diagnose von seiner Angst zunehmend befreit. Doch bis er zu dieser Erkenntnis gelangte, war noch vieles durchzustehen.
Wittgenstein hatte sich im Frühjahr 1946 nochmals in einen sehr viel jüngeren Studenten verliebt, Ben Richards, einen Medizinstudenten in Cambridge. Erinnerte er ihn in seiner Sanftmut und Warmherzigkeit an Francis Skinner? Es war eine starke Erfahrung, die zugleich Glück bedeutete und vielfältiges Bangen, Unsicherheit und erneut Gefühle der Schuld und des Versagens. Ihm war „unheimlich zu Mute“, wie er festhielt, „ich fühle mich, als hätte ich etwas noch nicht eingesehen; als müsste ich einen Standpunkt finden, von dem aus mehr Wahrheit zu finden ist.“ War der Standpunkt, den er zu finden hoffte, derjenige des anderen, des geliebten Menschen, den er nie wahrgenommen oder beachtet hatte? „Zu einer
r i c h t i g e n Liebe gehört, dass man daran denkt, was der A n d e r e leidet. Den der Andere leidet auch, ist auch ein armer Teufel“.[93]
Dass es Wittgenstein „unheimlich zu Mute“ war, sagt viel über seine verstärkte Sensibilisierung aus, über die nähere Empfindung dessen, was sein Herz (Mut – courage –coeur) ihm auf untrügliche Weise zu verstehen anbot, was ihm ermöglichte, den Selbstbetrug aufzulösen, der mit allem, was verdrängt wird, oft während Jahren eine Art Halt vorgibt. Was verdrängt wird (von Wittgenstein während langer Zeit verdrängt wurde), ist die Angst vor dem Unbekannten, das in nächster Nähe ist, vor dem Unheimlichen. Dem Unheimlichen gegenüber geschieht die grösstmögliche Steigerung von Angst, da sie sich auf das Unbekannte innerhalb des eigenen Ich bezieht, auf das Unbekannte im eigenen Haut-Haus, wie ich es bezeichne. Allein die deutsche Sprache vermag so klar auszudrücken, was damit gemeint ist: was unheimlich ist, betrifft das Heim resp. das eigene Ich und was darin verborgen resp. heimlich ist. Diese Verdoppelung von Intimität und Tabu, die sich im Unheimlichen[94] findet, betraf bei Wittgenstein zugleich die nicht kontrollierbare sexuelle Anziehungskraft, die er im Verhältnis zu Ben Richards wieder spürte, und zugleich die vielfach gesteigerte Angst vor dem eigenen Ungenügen, vor Verlust und vor Sünde. Wie konnte er damit umgehen? „Der Mensch kann aus seiner Haut nicht heraus. Ich kann nicht eine Forderung, die tief in mir, meinem ganzen Leben verankert, liegt, aufgeben. Denn die
L i e b e ist mit der Natur verbunden; und würde ich unnatürlich, so würde//müsste die Liebe aufhören. (…) Das Furchtbare ist die Ungewissheit.“[95] Im Sommer 1947 beschloss Wittgenstein, seine Professur aufzugeben und er bat Georg von Wright, diese zu übernehmen. Er fürchtete, im Zustand der Erschöpfung, in welchem er sich befand, verrückt zu werden. „Wozu dient mir all meine Geschicklichkeit, wenn ich im Herzen unglücklich bin? Was hilft es mir, philosophische Probleme zu lösen, wenn ich mit der Hauptsache nicht ins Reine kommen kann? (…) Der Glaube an einen gütigen Vater ist eigentlich der Ausdruck gerade dieses Lebens.“ Was Glaube für Wittgenstein bedeutete, war Ausdruck des Mangels in ihm, der ihn verzehrte; er ging einher mit dem Zweifel, dass er ohne Täuschung erfüllbar sein könnte, und gleichzeitig bedeutete er Halt in Hinblick auf die Zielsetzung seiner emotionalen Sehnsucht. Für ihn galt, was Simone Weil festgehalten hatte; dass „der ewige Teil der Seele sich von Hunger ernährt“[96].
Wittgenstein entschied sich, für einige Zeit Cambridge zu verlassen und in Irland zu leben. Er bedurfte des Rückzugs und der Einsamkeit, gleichzeitig fürchtete er sich davor. In Dublin unterrichtete sein verlässlicher Schüler und Freund Maurice Drury als Psychiater; ihn brauchte er als Halt. Zunehmend befasste er sich mit Aspekten der Psychologie, ging über die Lektüre der morphologischen Schriften Goethes auf die Bedeutung des Begriffs Gestalt[97] ein und begann, sich mit den Farben[98] auseinanderzusetzen. In einem Brief an seine Schwester Helene hielt er fest: „Die Gegend hier würde nicht viel Anziehendes für mich haben, wenn die Farben nicht oft so wunderbar wären. Ich glaube, es muss an der Atmosphäre liegen, denn nicht nur das Gras, sondern auch alles Braune, der Himmel und das Meer sind herrlich.“[99] Immer wieder erschien ihm, dass es um ein Licht gehe, das dahinter leuchte. Er arbeitete zugleich intensiv und wenig, er fühlte sich erschöpft, nervlich belastet und krank, zuerst in Red Cross in Wickley, nachher in einer kleinen Hütte in Rosro an der Mündung des Hafens von Killary, wo er schon 1934 mit Francis Skinner und Maurice Drury eine Ferienzeit verbracht hatte. Den ganzen Sommer 1948 verbrachte er in Roslo, er machte Spaziergänge im gebirgigen Hinterland, befasste sich mit den Pflanzen und beobachtete die Vögel, von denen er Rotkehlchen und Buchfinken so zu zähmen verstand, dass sie ihm die Brotkrumen aus der Hand wegpickten. Obwohl es ihm besser ging, fühlte er sich körperlich geschwächt, oft auch von Traurigkeit und Trauer überwältigt. „Du solltest sie ins Herz einlassen und auch den Wahnsinn nicht fürchten“, sprach er sich selber zu. „Er kommt vielleicht als Freund und nicht als Feind zu dir und nur dein W e h r e n ist das Übel. Lass die Trauer ins Herz ein, verschliess ihr nicht die Tür. Draussen vor der Tür im Verstand stehend ist sie furchtbar, aber im H e r z e n ist sie sie’s nicht.“[100]
Den Herbst und Winter 1948/49 verbrachte Wittgenstein in einem Hotel in Dublin; es verstärkte sich ihm das Gefühl, dass er tatsächlich schwer krank war. Ben Richards besuchte ihn, auch Elizabeth Anscombe und Rush Rhees, mit denen er die weitere Arbeit an den „Philosophischen Untersuchungen“ besprach. Er bedurfte der täglichen Begegnung mit Maurice Drury. Im Gespräch mit ihm hielt er fest: „Denken ist schwer. Doch was heisst das eigentlich? Warum ist es schwer? – Es ist beinah ähnlich, als sagte man ‚Schauen ist schwer’. Denn angestrengtes Schauen ist schwer. Und man kann angestrengt schauen und doch nichts sehen, oder immer wieder etwas zu sehen glauben, und doch nicht deutlich sehen können. Man kann müde werden vom Schauen, auch wenn man nichts sieht.“ Und etwas später: „Ich finde es unmöglich, in meinem Buch auch nur ein einziges Wort zu sagen über alles, was die Musik für mich in meinem Leben bedeutet hat. Wie kann ich dann darauf hoffen, dass man mich versteht?“
Anfang Februar 1949, als sich Schmerzen und Entkräftung verstärkten, erfuhr er, dass Mining, seine Schwester, am Sterben war. Er fühlte sich durch die Nachricht erschüttert.
„G r o s s e r Verlust für mich und Alle. G r ö s s e r als ich geglaubt habe.“ Er fuhr im April nach Wien und blieb während drei Wochen in Minings Nähe. Als er sie verliess und wieder nach Dublin zurückreiste, empfand er sich weiter in ihrer Nähe. Gleichzeitig fühlte er sich selber dem Tod nah. Noch kannte er die richtige Diagnose seines Krankheitszustandes nicht (mal war eine Gastritis, mal eine Anämie diagnostiziert worden, doch jeder medizinischen Erklärung gegenüber war er misstrauisch geblieben). Zusätzlich fühlte sich Wittgenstein weiter seiner unabgeschlossenen Arbeit nah, insbesondere Fragen der Psychologie und der Gewissheit von Erkenntnis. Er beschloss, die Einladung seines Freundes Norman Malcolm anzunehmen, eines ehemaligen Schülers, der sich von 1938 bis Kriegsbeginn mit ihm in Cambridge über die Grundlagen der Mathematik befasst hatte und der seit 1947 an der Cornell University in Ithaca lehrte.
Wittgenstein schiffte sich am 21. Juli 1949 auf einem grossen Antlantik-Dampfer ein und blieb bis Ende Oktober in Ithaca. Er fühlte sich geschwächt und krank, doch gleichzeitig beteiligte er sich mit grossem Interesse an Malcolm’s Auseinandersetzung mit G. E. Moore’s Commonsense-Äusserungen[101], die er in langen Gesprächen mit O. K. Bouesma[102] fortsetzte. Als er Ende Oktober nach England zurückkehrte und am 9. November in Cambridge eintraf, war sein Gesundheitszustand so schlecht, dass Edward Bevan, ein Freund von Marice Drury und Hausarzt bei von Wrights, ihn untersuchte. Die Krebsdiagnose, die zwei Wochen später vorlag, erschreckte Wittgenstein nicht. Er entschloss sich, ein letztes Mal nach Wien zu fahren, jedoch ohne die Familie über seine tödliche Erkrankung zu informieren. Er bat seine Schwester Helene, ihm sein altes Zimmer mit dem Dachfenster vorzubereiten, und am 24. Dezember 1949 reiste er ab. Am 10. Februar 1950 starb Mining. Nach dem langen, schweren Leiden, das sie durchgestanden hatte, erschien ihr Tod als eine Erlösung. Wittgenstein fühlte sich in Wien eher besser, er traf öfters Elizabeth Anscombe, die ebenfalls in Wien war, um ihr Deutsch zu verbessern, und er nahm mit ihr zusammen teil an den philosophischen Diskussionen einer kleinen Gruppe von Studenten, zu denen Paul Feyerabend gehörte, den Elizabeth Anscombe in die Schriften Wittgensteins eingeführt hatte.
Als Wittgenstein am 4. April 1950 wieder in Cambridge eintraf, war er sich bewusst, dass sein Leben dem Ende zuging. Er war ohne Einkommen und ohne eigene Wohnung, er lebte zuerst in Cambridge bei von Whrigt’s, die letzten Monate im Haus seines Arztes Dr. Bevan, dessen Frau ihn pflegte, zwischendurch in Oxford bei Elizabeth Anscombe. Anfang Oktober 1950 wagte er eine letzte Reise gemeinsam mit Ben Richards nach Norwegen. Das Gespräch mit Norman Malcolm setzte er schriftlich fort und erweiterte seine Überlegungen über Gewissheit. „Alles, was ich gesehen oder gehört habe, macht mich der Überzeugung, dass kein Mensch sich je weit von der Erde entfernt hat. Nichts spricht in meinem Weltbild für das Gegenteil. Aber mein Weltbild habe ich nicht, weil ich mich von seiner Richtigkeit überzeugt habe; auch nicht, weil ich von seiner Richtigkeit überzeugt bin. Sondern es ist der überkommene Hintergrund, auf welchem ich zwischen wahr und falsch unterscheide.“ Auch das Gespräch über den Glauben ging weiter, sowohl mit Malcolm wie mit Elizabeth Anscombe, die zum Katholizismus übergetreten war. „Ich könnte mich unmöglich dazu durchringen, all das zu glauben, was sie glauben“, hielt er fest, doch sein Respekt vor dem Glauben Anderer hinderte ihn daran, Glaubensäusserungen als Irrtum zu bezeichnen. „Wie weiss ich, dass zwei Menschen das Gleiche meinen, wenn jeder sagt, er glaube an Gott? Und ganz dasselbe kann man bezüglich der drei Menschen sagen. Die ganze Theologie, die auf den Gebrauch g e w i s s e r Worte und Phrasen dringt und andere verbannt, macht nichts klarer (Karl Barth). Sie fuchtelt sozusagen mit Worten, weil sie etwas sagen will und es nicht ausdrücken kann. Die P r a x i s gibt den Worten den Sinn.“[103] Für Wittgenstein war das menschliche Empfinden der untrüglichste Massstab für richtig und falsch, Psychologie, wie er sie als Kritik der Sprache verstand, die einzige Metaphysik, die er akzeptierte.
Am 26 April 1951 feierte Wittgenstein den 62. Geburtstag. Er wollte weder Gratulationen noch Geschenke, es gebe nichts mehr zu feiern, sagte er. Sein Zustand verschlimmerte sich in der Nacht vom 27. auf den 28. April. Frau Bevan blieb die Nacht über bei ihm. Sie sagte ihm, kurz bevor er das Bewusstsein verlor und für immer einschlief, dass seine nächsten Freunde – unter ihnen Elizabeth Anscombe, Maurice Drury und Ben Richards – ihn am nächsten Tag besuchen werden. „Sagen Sie ihnen, dass ich ein wunderbares Leben hatte.“ [104] In seinem eigenen Empfinden war sein Tod – wie der seines Vaters – „ein ganzes Leben wert gewesen“. Mit dem Tod machte er deutlich, dass er das väterliche Erbe auf eigene Weise hatte wählen können.
Am nächsten Morgen wurde Ludwig Wittgenstein in Cambridge nach römisch-katholischem Ritus beerdigt; ein katholischer Priester sprach auf traditionelle Weise die Gebete. War es richtig oder falsch? Nachdem Wittgenstein selber den Entscheid nicht getroffen hatte, oblag es Freunden zu entscheiden. Nach Überlegungen und Gesprächen waren sie sich einig, dass letztlich nicht der Zweifel entscheiden konnte, sondern das Wissen, dass Wittgenstein gerade wegen seines verzweifelten Suchens nach dem richtigen Glauben ein zutiefst religiöser Mensch gewesen war.
[1] Brief an Bertrand Russell vom 21. 1. 1913, in: Ray Monk. Wittgenstein. Das Handwerk des Genies. Ernst Klett-Verlag, Stuttgart 1992, S. 89
[2] cf. 129), S. 74 (Notiz von Bertrand Russell)
[3] Ludwig Wittgenstein hatte Tolstoi’s Werk zum Teil schon vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs in Cambridge gelesen, zum Teil während des Kriegs (damals z.B. Hadschi Murat, erst 1912, d.h. posthum, veröffentlicht).
[4] Der „Tractatus“ erschien erstmals 1921 in Bd. 14 (dem letzten) der 1902 von Wilhelm Ostwald gegründeten Viertelsjahresschrift „Annalen der Naturphilosophie“. (W. Ostwald wurde von Ludwig Wittgenstein nicht geschätzt. Ostwalds Theorien, z.B. der „energetische Imperativ“- „Vergeude keine Energie, verwerte sie“ mögen ihm zu einfach und zu kategorisch erschienen sein. Ostwald war Professor für physikalische Chemie in Leipzig, 1909 Chemie-Nobelpreisträger, Vertreter einer weltweiten Kommunikationsmöglichkeit über Esperanto resp. Ido und einer religionsfreien Religion auf Grund wissenschaftlicher Erkenntnis entsprechend E.Haeckels „Monismus“; er vertrat Volksaufklärung und Bildung auf breiter Basis, Pazifismus und zugleich Unterstützung der Sinnhaftigkeit des I.Weltkriegs im Sinn einer möglichen Hegemonie Deutschlands in Europa etc.).
[5] Wittgenstein hat einen Teil des Vermögens kurz vor Ausbruch des I. Weltkriegs an „bedürftige österreichische Künstler“ verteilen lassen (u.a. an R. M. Rilke, an G. Trakl, an Else Lasker-Schüler, an O. Kokoschka, an A. Loos, an Th. Haecker u.v.m.), wozu er Luwig von Ficker beauftragte, den Herausgeber von „Der Brenner“ in Innsbruck (analog zur „Fackel“ von Karl Kraus in Wien), den er nach dem Krieg auch um die Publikation des „Tractatus“ anfragte, ohne dass Fickel darauf einging. – Als Wittgenstein während des I. Weltkriegs mit seiner Truppe sich Krakau näherte, wo Georg Trakl in einem Militärspital psychiatrisch behandelt wurde, wollte er ihn besuchen. Doch als er am 3. November 1914 dort anlangte, hatte sich Trakl zwei Tage zuvor mit einer Überdosis Kokain das Leben genommen.
[6] José Ferrater Mora. Wittgenstein oder die Destruktion. In: L.W. Schriften/Beiheft. Suhrkamp Verlag, Frankfurt a. M.1960, S. 24
[7] Ludwig Wittgenstein. Schriften. Tractatus logico-philosophicus. Tagebücher 1914 – 1916. Philosophische Untersuchungen. Suhrkamp Verlag, Frankfurt a. M. 1960. – Aus: Philosophische Untersuchungen. Teil II / VII, S. 495
[8] Ludwig Wittgenstein. Eine philosophische Betrachtung (Das sogenannte Braune Buch). Hrsg. Rush Rhees. Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft 313, Frankfurt a. M. 1980, S. 117
[9] cf. 130), S. 152
[10] Francis Skinner, seinem damaligen Freund, und Alice Ambrose, einer Studentin, die nach Wittgenstiens Tod zu einer der Herausgeberinnen seiner Schriften wurde.
[11] Ludwig Hänsel – Ludwig Wittgenstein. Eine Freundschaft. Briefe. Aufsätze. Kommentare. Hrsg. Ilse Somavilla. Haymon Verlag, Innsbruck-Wien, 1994. – Ludwig Wittgenstein. Tagebücher 1930-1932 / 1936 – 1937. Hrsg. Ilse Somavilla. Hayman Verlag, Innsbruck-Wien 1997. – Wittgenstein – Engelmann. Briefe. Begegnungen. Erinnerungen. Hrsg. Ilse Somavilla. Haymon Verlag, Innsbruck-Wien 2006
[12] Genaue biographische Angaben bei Ray Monk “Wittgenstein. Das Handwerk des Genies”. Verlag Kett-Cotta, Stuttgart 1992. (Übersetzung von Ludwig Wittgenstein. The Duty of Genius. Onathan Cape Ltd. London / The Free Press, New York 1990), sowie bei Allan Janik & Stephan Toulmin. Wittgensteins Wien. Carl Hanser Verlag, München/Wien 1984. Übersetzung von: Wittgenstein’s Vienna. Simon and Schuster, New York 1973).
[13] „Ludwig“ hiess auch der um zwei Jahre ältere Bruder seines Vaters, der bis 1925 lebte. Welche Art von Beziehung Luwig Wittgenstein zu seinem gleichnamigen Onkel hatte, ist nicht bekannt.
[14] Den Selbstmord von Kurt erlebte dessen Vater Karl Wittgenstein, der 1913 starb, nicht mehr, wohl aber Leopoldine Wittgenstein, die Mutter, die 1926 starb.
[15] Paul Wittgenstein wurde ein bedeutender Pianist. Im Ersten Weltkrieg verlor er den rechten Arm, ohne dass er das Klavierspiel aufgab. Er spielte weiter mit der linken Hand, und zwar auf unübertreffliche Weise. (Maurice Ravel komponierte für ihn 1931 das „Konzert für die linke Hand“). Er starb 1961 in New York.
[16] cf. 132), S. 19
[17] Ludwig Wittgenstein. Eine philosophische Betrachtung. (Das sogenannte Braune Buch). In: Das blaue Buch. Hrsg. Rush Rhess, Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft 313, Frankfurt a. M. 1980, S. 122
[18] Zwei Klassen unter Wittgenstein in der gleichen Schule war Adolf Hitler, der jedoch wegen ungenügender Noten entlassen wurde.
[19] 1938, nach dem Anschluss Österreichs, hatte Margarete Stonborough-Wittgenstein viel dazu beigetragen dass in letzter Minute dem Ehepaar Freud und Anna Freud zur Flucht nach London verholfen werden konnte.
[20] Theodor Herzls Buch, das 1896 erschien, war eine Reaktion auf den ersten Dreyfus-Prozess von 1894 in Paris, dem er als österreichischer Journalist beigewohnt hatte. – Eine andere Reaktion bestand im rechtlichen und politischen Kampf um eine Revision dieser von Antisemitismus geprägten Anschuldigung und des darauf folgenden Fehlurteils, der in erster Linie von der Ehefrau Lucie und vom Bruder des verurteilten Alfred Dreyfus, Mathieu Dreyfus, ausging, jedoch von Sozialisten und linken Intellektuellen mitgetragen wurde. Als 1896 der eigentliche Täter, Ferdinand Walsin-Esterhazy vor Gericht kam, frei gesprochen wurde und sich nach England absetzen konnte, erschien noch im gleichen Jahr Emil Zola’s „J’accuse“ und bewirkte eine grosse politische Bewegung. Es kam zur Gründung der „Ligue française pour la défense des droits de l’homme et citoyen“, 1902 zur Wahl des republikanischen Staatspräsidenten Félix Faure, 1905 zur Trennung von Religion und Staat durch die „Lois Combes“ und schliesslich 1906 zu einem neuen Revisionsverfahren, zum Freispruch von Alfred Dreyfus, zu dessen Rehabilitation, militärischen Beförderung und Erklärung zum Ritter der Ehrenlegion.
[21] Karl Kraus (geb. 28. 4. 1874, gest. 12. 6. 1036) schrieb noch 1933 nach Hitlers Machtübernahme als prophetische Warnung „Die drittte Walpurgisnacht“ (erst posthum erschienen).
[22] cf. Theodor Lessing. Der jüdische Selbsthass. Vorwort von Boris Groys. Matthes & Seitz Verlag, München 1984. (Erstdruck: Jüdischer Verlag, Berlin 1930)
[23] Nicht zu vergessen ist der Einfluss, den das Werk des italienischen Arztes Cesare Lombroso (1836-1909) damals hatte, der zugleich Kriminalität als angeboren bezeichnete wie geniales Verhalten, wobei er beides als dem Irrsinn nahe bewertete.
[24] Im Flur des Hauses an der Schwarzspanierstrasse in Wien, in welchem Beethoven gestorben war.
[25] Ein von Wittgenstein entworfenes Propellermodell wurde im August 1911 patentiert. Ein anderes, das er entworfen hatte, wurde im Zweiten Weltkrieg bei bestimmten Hubschraubern verwendet.
[26] cf. 137), S. 104
[27] David Pinsent starb gegen Ende des I. Weltkrieg (s. später); nach dem Abschied in Birmingham hatten er und Wittgenstein geplant, im Sommer 1914 gemeinsam Ferien zu verbringen und anschliessend Eccles in Manchester zu besuchen, dessen Frau auf den August „einen kleinen Fremdling“ erwartete. Mit dem Ausbruch des Kriegs, durch welchen Österreich und England Feinde wurden, war keiner der Pläne mehr realisierbar.
[28] cf. 137). S. 112
[29] cf. 137), S. 129
[30] cf. 137), S. 114
[31] cf. 137), S. 156
[32] cf. 137), S. 132
[33] cf. 137), S. 158-159
[34] cf. 137), S. 160
[35] heute Olomuc (Tschechien)
[36] Paul Engelmann (1891 – 1965) liess sich vom Zionismus überzeugen und emigrierte 1934 nach Tel Aviv.
[37] cf. 137), S. 169
[38] cf. 137), S. 172
[39] cf. 135), S. 10
[40] Beim Verlag Jahoda & Siegel in Wien (eine Zweigstelle war auch in Leipzig) hatte Karl Kraus seit 1901 die „Fackel“ veröffentlicht, später auch seine übrigen Werke.
[41] cf. 137), S. 201
[42] José Ferrater Mora. Wittgenstein und die Destruktion. In: L.W. Schriften / Beiheft. Suhrkamp, Frankfurt a.M. 1960, S. 24
[43] Russell’s Vorwort war für Wittgenstein jedoch so enttäuschend, dass er es nicht publiziert sehen wollte.
[44] Karl Wittgenstein hatte es vor seinem Tod rechtzeitig in amerikanischen Aktien angelegt.
[45] cf. 137) S. 205-206
[46] cf. 137), S. 206
[47] cf. 137), S. 210
[48] Wittgenstein und die Musik. Briefwechsel Ludwig Wittgenstein – Rudolf Koder. Hrsg. Martin Alber, Brian McGuinness und Monika Seekircher. Haymon Verlag, Innsbruck und Wien.
[49] Als Wittgenstein 1929 wieder nach Cambridge kam, war Frank Ramsey
[50] Der Knabe hiess Josef Haidbauer; er starb mit 14 Jahren an Leukämie.
[51] cf. 137), S. 252
[52] Wislawa Symborska, geb. 1923 in Kornik (im westlichen Teil Polens), lebte ab 1931 in Krakau, auch während des Kriegs, schrieb immer Gedichte, wurde 1991 mit dem Goethe-Preis ausgezeichnet, 1995 mit dem Herder-Preis und 1996 mit dem Nobel-Preis.
[53] Ein klares Zeichen für die Veränderung mag sein, dass Wittgenstein fortan die Weihnachtsfeste im Familienkreis nicht mehr zu meiden trachtete, sondern sie Jahr für Jahr besuchte – mit Ausnahme der Jahre von 1938, dem Anschluss Österreichs an Hitler-Deutschland, bis nach dem II. Weltkrieg 1946.
[54] Sören Kierkegaard. Furcht und Zittern / Wiederholung. Eugen Diederichs Verlag Jena 1909.
[55] Ludwig Wittgenstein. Licht und Schatten. Ein nächtliches (Traum-)Erlebnis und ein Brief-Fragment. Hrsg. Ilse Somavilla. Haymon Verlag, Innsbruck-Wien 2004, S. 20-21
[56] Sören Kierkegaard. Buch des Richters. Seine Tagebücher 1833 – 1855. Verlag Eugen Diederichs, Jena und Leipzig 1905, S. 110 – 111
[57] cf. 179), S. 113
[58] cf. 137), S. 613; auch cf. 178), S. 58
[59] Wittgenstein – Engelmann. Briefe. Begegnungen. Erinnerungen. Hrsg. Ilse Somavilla. Haymon Verlag, Innsbruck und Wien 2006, S. 57
[60] Friedrich Wilhelm Korff. Der Philosoph und die Frau. Zur Geschichte der Mesalliance. Verlag Klöpfer & Meyer, Tübingen 1994, S. 11
[61] cf. 137), S. 257. Ab 1929, dem Jahr des Börsenkrachs, lebte Gretl in diesem Haus auf bescheidenere Weise als geplant. 1938 musste sie vor den Nazis fliehen und überliess es ihrer letzten Angestellten. 1945, nach der Besetzung Wiens durch die Russen, wurden dort Soldaten und Pferde untergebracht. 1947 kam Gretl aus den USA zurück und lebte dort noch bis zu ihrem Tod 1958. Thomas Stonborough, ihr Sohn, liess das Haus leer stehen und verkaufte es 1971 an einen Spekulanten, der es abreissen wollte. Von offizieller Seite wurde dies verhindert; es wurde als nationales Denkmal erklärt, und die Kulturabteilung der bulgarischen Botschaft bezog es, veränderte jedoch die Inneneinrichtung auf eine Weise, die für Wittgenstein widerlich gewesen wäre.
[62] Cf. 137), S. 362
[63] Moritz Schlick (geb. 1882 in Berlin) wurde am 23. 6. 1936 durch seinen ehemaligen Studenten Hans Nelböck erschossen. Nelböck wurde 1937 zu zehn Jahren Zuchthaus verurteilt, jedoch 1938 durch die Nazis wieder auf freien Fuss gesetzt. Die Ermordung von Moritz Schlick wurde als „Heldentum“ gegen die jüdische Philosophie“ gefeiert. Auch nach 1945 lebte der Mörder Schlicks weiter auf freiem Fuss.
[64] Der „Wiener Kreis“ wurde von der „Frankfurter Schule“, insbesondere von Adorno und Horkheimer, auch von Karl Popper angefeindet, da er sich auf eine klare, analytische Metaphysikkritik bezog und sich nicht auf eine marxistische Theorie bezog.
[65] u.a. Rudolf Carnap, Herbert Feigl, Philipp Frank, Kurt Gödel, Hans Hahn, Olga Hahn-Neurath, Otto Neurath, Friedrich Waismann, u.a.m.
[66] Wittgenstein und der Wiener Kreis. Von Friedrich Waismann. Aus dem Nachlass hrsg. Von B. F. McGuiness. Suhrkamp Verlag, Frankfurt a. M. 1980
[67] Ludwig Wittgenstein. Vorlesungen 1930 – 1935. Cambridge 1930-1932: Aus den Aufzeichnungen von John King und Desmond Lee. Hrsg. von Desmond Lee. – Cambridge 1932 – 1935. Aus den Aufzeichnungen von Alice Ambrose und Margaret macdonald. Hrsg. Von Alice Ambrose. Übersetzt von Joachim Schulte. Suhrkamp Verlag, Frankfurt a. M. 1984
[68] Ludwig Wittgenstein. Das Blaue Buch / Eine Philosophische Betrachtung (Das Braune Buch). Hrsg. von Rush Rhees. Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft 313, Frankfurt a. M. 1980.
[69] Ludwig Wittgenstein. Tractatus logico-philosophicus. Tagebücher 1914 – 1916. Philosophische Untersuchungen. Suhrkamp Verlag, Frankfurt a. M. 1960
[70] Ludwig Wittgenstein. Philosophische Grammatik. Hrsg. von Rush Rhees. Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft 5, Frankfurt a. M. 1973.
[71] Ludwig Wittgenstein. Bemerkungen über die Philosophie der Psychologie. Suhrkamp Verlag, Frankfurt a. M. 1982
[72] cf. 193, S. 143
[73] Ludwig Wittgenstein. Philosophische Grammatik. Hrsg. von Rush Rhees. Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft 5. Frankfurt a. M. 1973. S. 87
[74] Es handelt sich dabei um Aussagen Wittgensteins gegenüber seine Freund Gilbert Pattisson sowie gegenüber Rush Rhees, einem seiner verlässlichsten Studenten., der zum Herausgeber seiner Schriften wurde; cf. 137),
- 377
[75] Francis Skinner war schon als Jugendlicher an Osteomyelitis erkrankt und hatte deswegen immer wieder Lähmungserscheinungen am rechten Bein. Seine Eltern warfen Wittgenstein daher Unbesonnenheit vor, ihrem Sohn einen belastenden Handwerksberuf aufgedrängt zu haben, somit eine Mitverantwortung für die erneute schwere Erkrankung, die den Tod bewirkte.
[76] cf. 137) S. 390
[77] Bei Kriegsausbruch 1939 bemühte er sich um einen englischen Pass, konnte diesen auch erlangen und unter dessen Schutz nach Wien und nach Berlingelangen, um mit Hilfe einer grossen Überweisung des Wittgenstein’schen Vermögens an die deutsche Staatskasse zu erreichen, dass seine in Wien gebliebenen Angehörigen geschützt blieben.
[78] cf. 137) S. 259
[79] cf. 137) S. 300-301
[80] cf. 137) S. 336 – 340
[81] Ludwig Wittgenstein. Licht und Schatten. Hrsg. Ilse Somavilla. Haymon Verlag, Innsbruck-Wien 2004,
- 44-45
[82] cf. 137), S. 571
[83] William James (1842 -1910), der ältere Bruder des Schriftstellers Henry James, von 1876 bis 1907 Prof. für Psychologie und Philosophie in Harvard; wollte zuerst Maler werden, studierte dann Chemie, anschliessend Medizin und gelangte an die Psychologe auf Grund eigener depressiver Zustände. Die 2 Bände „The Principles of Psychologie“ erschienen 1890 in New York und in London. Ein weiteres Werk von William James, das für Wittgenstein wichtig war, ist „The varieties of religious experience“. New York und London 1902.
[84] cf. 137), S. 505
[85] cf. 195), S. 286-287
[86] cf, 137), S. 497
[87] cf. 137), S. 508
[88] cf. 137), S. 508
[89] cf. 137), S. 514
[90] u.a. befasste sich Wittgenstein mit dem Mormonentum resp. der um 1830/38 vom Amerikaner Joseph Smith gegründeten „Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage“, beruhend auf dem von Joseph Smith verfassten „Buch Mormon“, das sich auf eine – vermutlich literarische – prophetische Gestalt unter dem gleichen Namen beruft, der um 310 n. Chr. gelebt haben soll und dessen Lehre auf den hasserfüllten Kriegen zwischen Mormons Volk der Nephiten und den diese bekämpfenden Lamiten beruht. Die „Nephiten“ sollen sich nach dem Turmbau von Babel auf den amerikanischen Kontinent abgesetzt haben, mit welchem die gläubigen Mormonen den Ursprung ihrer Religion verbinden.
[91] cf. 137), S. 520
[92] Gilbert Ryle (1900-1976) stand Wittenstein nahe durch seine Untersuchungen der Alltagssprache; 1949 erschien sein wichtigste Werk „The concept of Mind“. – J. O. Urmson vertrat eine utilitaristische, moralisch begründete sprachphilosophische Linie. – Isaiah Berlin (1909-1997) war wohl einer der packendsten Denker, die damals in Oxford weilten, sowohl hinsichtlich seiner in Riga beginnenden Herkunfts- und Entwicklungsgeschichte wie wegen seiner Unterscheidung zwischen positiver und negativer Freiheit. – Harald Arthur Prichard (1871 – 1947), der eine auf kant bezogene Moralphilosophie vertrat, starb eine Woche nach Wittgensteins Vortrag in Oxford.
[93] cf. 137), S. 521
[94] Sigmund Freud schrieb 1919 einen Essay über „Das Unheimliche“, der sehr lesenswert ist. – cf. S. Freud. Studienausgabe. Psychologische Schriften. S. Fischer Verlag, Frankfurt a. M. 1970, S. 241 ff
[95] cf. 137), S. 535
[96] 1943 war Simone Weil in Ashford / Südengland an den Folgen von Lungentuberkulose und Anorexie mit 34 Jahren gestorben. cf. Maja Wicki-Vogt. Simone Weil. Eine Logik des Absurden. Paul Haupt-Verlag, Bern/Stuttgart 1983. – M. W.-V. Simone Weil. Kontingenz im Widerspruch der Identität. In: Philosophinnen des 20. Jahrhunderts. Hrsg. Regine Munz. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2004
[97] Diese Auseinandersetzungen finden sich in den „Bemerkungen über die Philosophie der Psychologie“. Hrsg. G. E. M. Anscombe und G. H. von Wtight. Suhrkamp Verlag, Frankfurt a. M. 1982
[98] Diese wurden zweisprachig publiziert unter „Bemerkungen über die Farben“. Ludwig Wittgenstein. Hrsg. G. E. M. Anscombe / Remarks on Colour. Ludwig Wittgenstein. Edited by G. E. M. Anscombe. Translated by Linda L. McAlister and Margarete Schättle. Basil Blackwell. Oxford 1977 / 1978.
[99] cf. 137), S, 551
[100]cf. 137), S. 565
[101] Wittgensteins Beiträge finden sich im Band „Über Gewissheit“. Hrsg. von G. E. M. Anscombe und G. H. von Wright. Suhrkamp Verlag, Frankfurt a. M. 1997.
[102] Wittgenstein Conversations 1949-1951. O.K. Bouwsma. Edited by J- L- Craft and Ronald E. Hustwit. Hackett Publishing Company, Indianapolis 1986
[103] alle Zitate finden sich in „Über Gewissheit“
[104] cf. 137), S. 612