„Sans papiers“ – ein entrechtetes Leben
„Sans papiers“ – ein entrechtetes Leben
GV der Schweizerischen Vereinigung der Clubs für die UNESCO, 12. 12. 2010 in Zürich
- Wie ist die aktuelle Situation in der Schweiz?
In menschenrechtlicher Hinsicht entwickelt sich die Schweiz zu einem Unrechtsstaat. Mit den neuen asyl- und ausländerrechtlichen Gesetzen, insbesondere infolge der Nichteintretensentscheide auf Grund mangelnder Dokumentation aus dem Herkunftsland sowie der vom BFM erforderten Quote von Negativentscheiden werden ungezählte Menschen durch schweizerische Behörden, die diese Gesetze umsetzen, zu „Illegalen“ gemacht. Aus Angst vor Gefangennahme und Zwangsrückschaffung tauchen sie unter, leben im Schattenbereich von Bekannten oder Verwandten, übernehmen eventuell Schwarzarbeit, um knapp überleben zu können und stehen Tag für Tag – Nacht für Nacht – Ängste vor Polizeikontrollen aus. Diese Situation zieht sich oft über Jahre hin. Der Blick auf die Zukunft wird von diesen Ängsten beherrscht; Entwürfe oder Pläne kommen Träumen gleich, sie sind kaum realisierbar.
Die aus der in der Schweiz geschaffenen Illegalität wachsenden psychischen Belastungen gehen einher mit Traumata, die im Herkunftsland zur Flucht veranlasst haben oder die im Lauf der Flucht erlebt wurden; die Kumulation traumatischer Erfahrungen bewirkt in der Regel auch schwere somatische Leiden (Magen-Darmleiden, überhaupt Unterleibsschmerzen, Kopfschmerzen, Nacken und Schulterschmerzen, Schlafstörungen u.v.m., deren medizinische Behandlung die politische resp. humanitäre Verlässlichkeit von ÄrztInnen und Pflegepersonal voraussetzt.
Kinder, die unter diesen Bedingungen aufwachsen, können in der Regel zwar Kindergarten und Schule besuchen, stehen jedoch unter der ständigen Schweigepflicht hinsichtlich des Status ihrer Eltern (resp. ihrer Mutter oder ihres Vaters), ein Tabu, das auf vielfältige Weise ihre Entwicklung beherrscht, belastet und verdunkelt. Selbst wenn „papierlosen“ Jugendlichen, wie dies aus Kinderrechtsgründen in der Herbst-Session 2010 des Parlaments beschlossen wurde, eine Ausbildung zugestanden wird, heisst dies keineswegs, dass diese eine Lehrstelle finden können, ohne dass eine existenzgefährdende Situation für sie selber oder für ihre Eltern entsteht. Wer wagt es, sich selber zu denunzieren? Und wo finden sich Lehrmeister oder Arbeitgeber, die sich in erster Linie zu menschenrechtlichem Respekt verpflichtet fühlen.
Selbst asylsuchende Jugendliche, die nicht unter dem Problem der Illegalität stehen, sondern unter jenem des unentschiedenen Aufenthaltstatus (Status N) oder jenem der „Vorläufigkeit“ (Status F), insbesondere wenn Name oder Hautfarbe sie als „Fremde“ erkennbar machen, haben grösste Mühe, eine Lehrstelle oder eine Anstellung zu finden. Dazu gehören auch sog. „Staatenlose“, deren Herkunftsland in ständigem Bürgerkriegszustand und innerem Zerfall ist (z.B. Somalia); sie können zwar nicht zurückgeschafft werden, werden jedoch trotz schwerst belastender Fluchtgründe nicht als Flüchtlinge anerkannt und verharren während Jahren oder Jahrzehnten in der Vorläufigkeit des Bleiberechts, mit allen negativen Folgen dieses Status.
Wiederholte negative Antwort auf Lehrstellen- und Anstellungsbewerbungen werden als kumulative Diskriminierung und persönliche Entwertung erlebt und haben in der Regel gravierende psychische Folgen, seien es depressive oder aggressive. Der Weg in die Kriminalisierung Jugendlicher wird durch die asyl- und ausländerrechtlich bedingten Erschwernisse einer persönlichkeits- und existenzsichernden Entwicklung vielfach beeinflusst, wenn nicht verursacht.
Es reicht somit nicht, dass die Frage der Berufsbildung Jugendlicher „sans papiers“ geklärt wird, solange nicht eine grundlegende politische und gesellschaftliche Änderung in der Beachtung und Umsetzung der Menschenrechte erfolgt.
- Wie ist die Lage in andern europäischen Ländern?
Nach meiner Kenntnis findet sich allein in den zwei skandinavischen Ländern , d.h. in Norwegen und Schweden, eine eher noch menschenrechtskonformere Grundhaltung gegenüber Aslysuchenden, so dass die Gefahr des Abgleitens in die Papierlosigkeit geringer ist. Fremdenfeindlichkeit und rassistische Diskriminierungen wie zunehmende polizeiliche Härte sind leider fast generell in Europa zu einer erschreckenden Tatsache geworden.
Seit der 1989 erfolgten Öffnung Westeuropas zu Osteuropa hin hat sich zwar zunehmend die Europäische Union zu entwickeln begonnen, jedoch unter dem neolibealen Globalisierungsdruck in erster Linie als Marktgewinnsystem, das mit dem Entstehen kompensatorischer nationalistischer und rassistischer Ideologien, neuer (insbesondere anti-islamischer) Feindbilder und wachsender Verarmung grosser Bevölkerungsteile einherging. Die auch von der Schweiz unterzeichneten Schengen- und Dublin-Abkommen beruhen auf einer Verfestigung und Umsetzung dieser von Misstrauen und feindseliger Abwehr gegenüber „Nicht-Europäern“ oder „europäischen Fremden“ (z.B. Rroma, Ashkali etc.) beschlossenen Massnahmen als ginge es bei ihnen um unbestellt eingedrungene, wertlose Ware, die hin- und hergeschoben oder in die Herkunftsländer zurückgeschoben wird. Die Kosten von Überwachungs- und Kontrollvorrichtungen, von Gefängnissen und Polizei-Armeen gehören offenbar zum marktgerechten System.
Von den Flüchtlingsströmen, die mit den zu Anfang der Neunzigerjahre ausbrechenden und sich zehn Jahre oder länger fortsetzenden Kriegen im ehemaligen Jugoslawien incl. Kosovo, in Tschetschenien und im Kaukasusgebiet, mit den Kriegen in Kurdistan, Irak-Iran, USA-Irak, USA-Afghanistan, mit den Kriegen im Nahen Osten, in den afrikanischen Ländern etc.etc., ferner mit den sich verschärfenden Diskriminierungen gegenüber Minderheiten in den osteuropäischen Staaten einsetzten, gelangte nur eine vergleichsweise kleine Anzahl Erwachsener, Jugendlicher und Kinder in die Schweiz, in dieses schwer abgesicherte europäische Binnenland, das zu den reichsten der Welt gehört, jedoch jede Art von humanitärer Unterstützungspflicht als nationale Belastung erklärt.
- Was tun, wenn Recht gegen Recht steht?
Da diese Frage im Zentrum der humanitären und staatsrechtlichen Recherchen rund um die Plattform Asylon und des von ihr organisierten nationalen Kolloquiums an der Uni Fribourg vom 31. Oktober 2008 war, erlaube ich mir, hier zwei on-line publizierte Auszüge aus der Dokumentation dieses Anlasses zu wiederzugeben[1]:
Gründungsdokument der Plattform Asylon, Zürich, Anfang April 2008:
3a) UNRECHT DARF NICHT RECHT SEIN
Liebe Freundinnen und Freunde
Wir alle befassen uns mit der verhängnisvollen Tatsache des seit dem 1. Januar 2008 geltenden, verschärften Asyl- und Ausländergesetzes, mit der politischen Entwicklung, die dahinter steht und vor allem mit den nicht tragbaren Auswirkungen auf Menschen, die des Rechts bedürfen, in ihrem Gesuch um Asyl ernst genommen zu werden, ob sie über Reisepässe verfügen oder nicht. Wir ertragen die menschliche Entwertung und Entrechtung nicht, die mit den Nichteintretensentscheiden, den Zwangsmassnahmen, der Unterbringung in wechselnden Notunterkünften, dem Verbot jeglicher Arbeit, der täglichen polizeilichen Kontrolle, dem Entzug der Krankenversicherung und all den weiteren Schikanen der Nothilfe einhergeht. Um zu verhindern, dass unter dem Namen des Gesetzes noch mehr Unrecht geschieht, erscheint es dringlich, dass möglichst bald eine nationale Tagung zustande kommt, an welcher die mit der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) und der Verfassung nicht übereinstimmenden gesetzlichen Bestimmungen und Massnahmen belegt werden, um zu erreichen, dass diese korrigiert oder für ungültig erklärt werden, sei es über Bundesrat und Parlament, sei es über das Bundesverwaltungsgericht (da die Schweiz über kein Verfassungsgericht verfügt).
Eine solche Tagung sollte nach Möglichkeit ohne zeitlichen Aufschub, noch zu Beginn der kommenden Sommersession des Eidgenössischen Parlaments, stattfinden können, um den nicht tragbaren Massnahmen menschlicher Entrechtung, denen Kinder und Jugendliche, Frauen und Männer durch die verschärften Massnahmen ausgesetzt sind, Halt zu bieten. Zur Teilnahme werden alle diejenigen eingeladen, die sich mit dem nicht tragbaren Resultat der politischen Entwicklung in der Schweiz theoretisch wie praktisch befassen, einer Entwicklung, deren fremdenfeindlichen, in starkem Mass rassistischen Triebkräften durch Resignation zu begegnen zu deren weiteren Verstärkung führen würde.
Es bedarf eines öffentlichen Austauschs des Wissens und der Erfahrung im Bereich der menschenrechtlichen, öffentlich-rechtlichen und staatsrechtlichen Zusammenhänge wie auch der zivilrechtlichen, strafrechtlichen und sozialrechtlichen, ebenso der Kenntnis der vielfach belastenden, gravierenden psychischen Folgen von Unrecht, das als Recht erklärt ist. Wichtig ist, dass an dieser Tagung die französisch- und italienischsprachige Schweiz ebenso einbezogen wird wie die deutschsprachige, auch dass die Teilnahme einer Auswahl von Pressevertretern und Pressevertreterinnen erreicht wird, die sich für das menschenrechtliche Ziel einsetzen.
Hier ein Entwurf der thematischen Aspekte, die als Diskussionsgrundlage für die Erarbeitung eines Programms dienen können:
Die seit dem 1. Januar 2008 gesetzlich geltenden Einschränkungen und Verschärfungen im Asyl- und Ausländerrecht sowie in den anderen Rechtsgebieten versetzen einen grossen Teil der Bevölkerung in schwere Konflikte mit der beruflichen Ethik, welche Massstäbe setzt für die moralischen Kriterien des Handelns. Es handelt sich um die Mitglieder der Schweizerischen Beobachtungsstelle für Asyl- und Ausländerrecht, um die Verantwortlichen der Flüchtlingsberatungsstellen, um Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter, um Anwältinnen und Anwälte, um Beamte, um Personen aus dem Bereich von Medizin, von Kirchen oder anderen Institutionen sowie aus jenem der öffentlichen Schulen, der Nachbarschaftshilfe und aus vielen mehr. Wer auf die Stimme des Gewissens achtet, spürt den warnenden Missklang und die Dringlichkeit einer menschenrechtskonformen Korrektur. Die durch das Gesetz legalisierte Illegalisierung resp. Entrechtung von Kindern und Jugendlichen, von Frauen und Männern, die auferlegten Zwangsmassnahmen, der Sozialhilfestopp, die Minimalisierung von Unterbringung, Ernährung und persönlicher Sicherheit, die Aufhebung der Krankenkasse – in allem die kalte, eiserne Entwertung von Menschen zum verdinglichten Objekt steht in flagrantem Widerspruch zu den sozialethischen Prinzipien, die der
EMRK und der Verfassung zugrunde liegen.
Es sind zentrale Fragen, die sich stellen. Es geht dabei
- um die Frage der Richtigkeit und Rechtmässigkeit der neuen gesetzlichen Vorschriften, d.h.
um die Frage, ob Gesetze befolgt werden müssen, die das Resultat zweckgerichteter Manipulation der öffentlichen Meinung durch finanzstarke Kräfte nationalistischer und rassistischer Rechtsaussenpolitik sind, die seit über zehn Jahren eine über die Medien geschürte begriffliche Verbindung von Missbrauch und Asyl (Asylanten) sowie von Ausländern und Terror in Hinblick auf jede asylrechtliche Abstimmung benutzt haben – auch auf jene vom 24. September 2006 sowie auf die damit verknüpften parlamentarischen Entscheide –, um eine breite Zukunftsangst in Fremdenfeindlichkeit umzukehren und dadurch die erstrebte Verschärfung im Asyl- und Ausländerrecht zu erreichen;
- um die Frage der Übereinstimmung oder Nichtübereinstimmung der ab dem 1. Januar 2008 als gültig erklärten asyl- und ausländerrechtlichen Gesetze mit den Prinzipien der Sozialethik, die hinsichtlich jeder Berufsausübung von zentraler Bedeutung sind und die den normativen Kriterien der EMRK und der eidgenössischen Verfassung entsprechen (Bezug auf den Namen Gottes und damit auf die Zehn Gebote, auf die Genfer Konvention, auf die Erklärung der Kinderrechte u.a.m.);
- um die Frage der psychischen Zumutbarkeit der Umsetzung und Anwendung der verschärften gesetzlichen Bestimmungen, sowohl für das handelnde Subjekt wie für das behandelte Objekt;
- letztlich um die Frage, ob es notwendig ist zu tun, was das Gesetz gebietet; oder ob es notwendig ist zu tun, was das Gewissen als richtig erachtet, auch wenn es nicht konform ist mit dem Gesetz; oder ob es zusätzliche Möglichkeiten gibt, das Entweder-Oder resp. das Diesseits oder Jenseits der menschenrechtlich duldbaren Grenze, die durch das aktuelle Asyl- und Ausländergesetz überschritten wurde, zu verändern: Möglichkeiten aus der kreativen Verbindung von kritischem Denken, von zwischenmenschlicher Verantwortung und von politischem Mut in der Klärung der Ursachen der aktuellen politischen Situation in der Schweiz.
- Zielsetzung ist die bundesrätliche Korrektur oder die bundesgerichtliche Ungültigkeitserklärung der auf Gesetzesebene angewachsenen Auswüchse menschenfeindlicher, rassistischer Parteipolitik resp. die Wiederherstellung einer tragbaren, menschenrechtlich verantwortbaren Asyl- und Ausländerpolitik.[2] Maja Wicki-Vogt
3b) RESOLUTION ZUM ASYL- UND AUSLÄNDERGESETZ
(verabschiedet an der Tagung „Ethik – Menschenrechte – Asyl: Darf Unrecht Recht
sein?“ – Universität Fribourg, 31. Oktober 2008)
Die neuen Bestimmungen des Asylgesetzes sowie das neue Ausländergesetz haben die Rechtsstellung von Asylsuchenden sowie von Immigrantinnen und Immigranten in der Schweiz prekärer gemacht. Die neuen Gesetzesbestimmungen wirken sich mit erheblichen kantonalen Unterschieden in vielfachen Verschärfungen aus.
Obwohl beide Gesetze Normen enthalten, die einen humanen Umgang mit Asylsuchenden sowie Immigrantinnen und Immigranten gewährleisten sollen, bleibt das Instrumentarium zur humanen Umsetzung der Gesetze weitgehend ungenutzt.
Bereits sind parlamentarische Vorstösse zur weiteren Verschlechterung der Rechtsstellung von Menschen ohne Schweizer Pass eingereicht worden. Die hängigen verfassungs- und menschenrechtswidrigen Volksinitiativen (Minarettverbotsinitiative, Ausschaffungsinitiative) sind nur die extremen Spitzen eines Eisberges, der Asylsuchenden sowie Immigrantinnen und Immigranten mit Härte und Kälte begegnet. Das Drehen an der Verschärfungsspirale beraubt immer mehr Menschen in unerträglicher Weise ihrer Würde und verletzt ihre elementaren Rechte.
Die vorherrschenden Tendenzen sind nicht akzeptabel und mit dem Selbstverständnis der Schweiz als rechtsstaatliche Demokratie mit humanitärem Anspruch nicht vereinbar. Es muss dringlich gehandelt werden.
Die versammelten Teilnehmerinnen und Teilnehmer appellieren an Parlament und Bundesrat, aber auch an kantonale Behörden und an die Justiz, menschenrechtskonforme, ethische Lösungen im Asylverfahren und im Ausländerrecht zu respektieren bzw. eine entsprechende gesetzliche Anwendungspraxis sicherzustellen.
Besonders dringlich sind folgende Punkte:
Die Tatsache, dass die Härtefallbestimmungen im Asyl- und Ausländergesetz für abgewiesene Asylsuchende und Sans papiers weitgehend unbeachtet bleiben, widerspricht in krasser Weise dem gesetzlichen Bekenntnis zum Prinzip der Humanität sowie den Intentionen des Gesetzgebers. Bundesrat und Kantone werden deshalb aufgefordert, Immigrantinnen und Immigranten, die sich während vier bis fünf Jahren in der Schweiz aufhalten, zu regularisieren. Besonders dringlich ist dies bei Jugendlichen, die in der Schweiz die Volksschule beendet haben.
In allen Kantonen ist der Rechtsweg für alle zu öffnen. Zur Beurteilung von Härtefällen sind unabhängige kantonale Härtefallkommissionen mit Entscheidungskompetenz einzurichten.
Auch für Sans papiers ist ein freier Zugang zu qualifizierter unabhängiger medizinischer Versorgung sicherzustellen. Der besonderen Verletzlichkeit von Kindern und Jugendlichen ist
Rechnung zu tragen.
Die „entschuldbaren Gründe“ bei Asylsuchenden ohne gültige Papiere sind von der Rechtspraxis extensiv auszulegen, bzw. der Nichteintretensentscheid ist bei fehlenden Papieren restriktiv einzusetzen.
Auch Asylsuchenden, die auf dem Flugweg einreisen, ist im Regelfall der Zugang zum ordentlichen Asylverfahren zu öffnen. Vorbehalten bleibt die Abweisung bei offensichtlich unbegründeten Gesuchen. Ein Aufenthalt von über 20 Tagen im Transitbereich ist auf jeden Fall unzumutbar. Rechtsvertretung und Rechtsberatung sind im Flughafenverfahren von Amtes wegen sicherzustellen, insbesondere erhalten minderjährige Jugendliche eine anwaltschaftliche Vertretung.
Der Sozialhilfeausschluss und die entwürdigende Nothilfepraxis gegenüber Asylsuchenden mit Nichteintretensentscheid oder abgewiesenem Asylgesuch sind unverzüglich einzustellen. Mit diesem gesetzlichen Instrument wird die Menschenwürde missachtet und das beabsichtigte Ziel nicht erreicht. Die Menschen tauchen unter, reisen aber nicht aus, da sie in ihrer Heimat nicht leben können.
In Übereinstimmung mit Art. 7 der UNO-Kinderrechts-Konvention sind Kinder unverzüglich nach ihrer Geburt auch dann zu registrieren, wenn die Identität der Eltern nicht durch Dokumente eindeutig nachgewiesen werden kann.
Die Vereitelung der Eheschliessung von abgewiesenen Asylsuchenden und Sans papiers verstösst gegen das Recht auf Ehe gemäss Bundesverfassung und Europäische Menschenrechtskonvention. Die parlamentarische Initiative Brunner „Scheinehen unterbinden“ ist daher abzuweisen, weil sie eine unzulässige gesetzliche Vermutung aufstellt und die Eheschliessung einer bestimmten Ausländerkategorie pauschal verwehrt.
Die faktische Wegweisung von Kindern mit schweizerischer Staatsangehörigkeit ist unverzüglich zu unterbinden, indem ausländischen Elternteilen eine Aufenthaltsbewilligung erteilt wird, damit sie die Betreuung ihrer Kinder und den Kontakt mit ihnen in der Schweiz pflegen können. Eine entsprechende Regelung ist auch unerlässlich zur Vermeidung einer Inländerdiskriminierung, da Kinder mit EU-Staatsangehörigkeit aus Freizügigkeitsrecht ihren Eltern ein Aufenthaltsrecht verschaffen. Die parlamentarische Initiative Tschümperlin „Beseitigung und Verhinderung von Inländerdiskriminierung“ ist im Parlament dringlich gutzuheissen. [3]
Abschliessende Überlegungen
Menschen, die auf Grund politischer Entwicklungen und damit zusammenhängender Gesetze „ohne Papiere“ leben, leben als Entrechtete. Sie können ihre Situation kaum selber verbessern; sie bedürfen derjenigen, die über „Papiere“ resp. über Rechte verfügen, damit die Bedingungen menschlichen Lebenswertes und Existenzwertes aus der Entwürdigung gelöst werden. Bildung ist ein Teil der Erweiterung von Wissen, sie kann den kulturellen und interkulturellen Dialog erleichtern. Doch Bildung bedeutet noch keine Verbesserung der mangelnden Freiheit deren Umsetzung.
Es ist dringlich, dass die demokratischen Mittel – u.a. die Initiative – genutzt werden, um die menschenrechtlichen Korrekturen im Asyl- und Ausländerrecht zustande zu bringen, insbesondere die Legalisierung von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen, die durch menschenrechtswidrige Gesetze illegalisiert wurden. Eine grosse Aufgabe stellt sich mit dem Rückgewinn einer Presse, die nicht vom neoliberalen Marktdiktat von Rechtsaussen beherrscht wird, sondern den Menschenrechten einen offenen Informationsraum gewährt.
[1] cf. weitere staats- und asylrechtliche Beiträge, die an dieser Tagung von Bedeutung waren und es auch im aktuellen Zusammenhang sind, unter: Uni Fribourg / Institut Interdisciplinaire d’Ethique et de des Droits de l’Homme IIEDH
[2] La version française:
Document fondateur de la plate-forme Asylon, Zurich, au début d’avril 2008:
L’INJUSTICE NE PEUT PAS ETRE LEGALE
Chers amis, chères amies
Nous sommes tous confrontés à la funeste réalité du durcissement des lois fédérales sur les étrangers et l’asile depuis le 1er janvier 2008. Surtout nous sommes confrontés aux conséquences intolérables de ces dispositions sur les personnes qui ont besoin d’un cadre juridique pour que leur demande d’asile soit prise au sérieux, qu’elles disposent de leur passeport ou non. Nous ne tolérons pas le mépris et la privation des droits des personnes, qui vont de pair avec les décisions de non-entrée en matière, les mesures de contrainte, les hébergements de fortune successifs, l’interdiction de toute activité lucrative, les contrôles de police quotidiens, la privation d’assurance maladie et toute autre entrave à l’accès aux soins d’urgence.
Pour empêcher qu’au nom de la loi ne se commettent davantage d’injustices, il paraît urgent
qu’une Conférence nationale ait lieu au plus vite pour identifier les dispositions légales et les mesures incompatibles avec la Convention européenne des droits de l’homme et avec la Constitution fédérale dans le but d’obtenir qu’elles soient amendées ou invalidées, soit par le Conseil fédéral et le Parlement, soit par le Tribunal administratif fédéral (car la Suisse ne dispose pas d’une juridiction de contrôle de la constitutionnalité des lois).
Une telle Conférence devrait avoir lieu dans les plus brefs délais, si possible au début de la prochaine session d’automne des Chambres fédérales, afin de mettre un frein aux mesures inacceptables de privation des droits humains qui mettent en situation d’exclusion des enfants, des jeunes, des femmes et des hommes.
Sont invitées à participer toutes les personnes confrontées, dans la théorie et la pratique, aux résultats intolérables de l’évolution politique en Suisse, évolution dont les composantes xénophobes et fortement racistes pourraient se renforcer ultérieurement par le biais de la résignation.
Il s’agit d’établir un échange public basé, d’une part, sur la connaissance et l’expérience des relations entre les droits humains, le droit public et constitutionnel, et, d’autre part, sur la prise de conscience des nombreuses et éprouvantes conséquences psychologiques que l’injustice entraîne lorsqu’elle proclame relever du droit.
Il importe que la Suisse francophone et italophone soient associées à la Suisse alémanique et que les représentant-e-s de la presse qui se sentent concerné-e-s par la défense des droits humains prennent part à cette journée.
Voici une esquisse des thématiques qui pourraient servir de base de discussion pour l’élaboration d’un programme.
Les limitations légales en vigueur depuis le 1er janvier 2008 et le durcissement de la loi d’asile et sur les étrangers génèrent de graves conflits chez les professionnels pour qui
l’éthique est une règle d’action. Il s’agit des membres de l’Observatoire Suisse du droit d’asile et des étrangers, des responsables des services de conseil aux réfugiés, des travailleurs-euses sociaux-ales, des avocat-e-s, des fonctionnaires, des personnes actives dans les domaines de la médecine, des églises ou d’autres institutions, des écoles publiques, du voisinage proche et bien d’autres.
Celui-celle qui écoute la voix de sa conscience perçoit la dissonance alarmante et l’urgence d’une rectification de la loi pour que celle-ci soit conforme au respect des droits humains. L’illégitimité rendue légale par la loi, c’est-à-dire la privation des droits à l’égard d’enfants, de femmes et d’hommes, les mesures de contrainte, l’abolition de l’aide sociale, la réduction au minimum de l’hébergement, de la nourriture et de la sécurité individuelle, la suppression de l’assurance maladie etc… en résumé la froide et impitoyable dévalorisation des personnes au rang de simples „objets d’assistance“ est en flagrante contradiction avec les principes sociaux et éthiques que la Convention européenne des droits de l’homme et la Constitution fédérale ont pour fondement.
Des questions centrales se posent; il en va :
- … de la justice et de la légitimité des nouvelles prescriptions juridiques: à savoir peut-on appliquer des lois qui sont le résultat d’une manipulation ciblée de l’opinion publique à travers une politique extérieure fondée sur la puissance financière, le nationalisme et le racisme, orchestrée depuis plus de 10 ans dans les médias lors de chaque votation sur le droit d’asile. Ces campagnes politiques, en associant les demandeurs d’asile à la notion d’abus et les étrangers à la notion de terrorisme, alimentent la peur de l’avenir, la xénophobie et visent à restreindre les droits des demandeurs d’asile et des étrangers ;
- …. de la concordance ou non-concordance des lois sur le droit d’asile et des étrangers en vigueur depuis le 1er janvier 2008 avec les principes d’éthique sociale, qui sont d’une importance fondamentale dans la pratique de chaque profession et qui correspondent aux critères normatifs de la Convention européenne des droits de l’homme et de la Constitution fédérale (référence au nom de Dieu et par là même aux dix commandements, à la Convention de Genève, à la Déclaration des droits de l’enfant etc…);
- … de la possibilité d’assumer psychologiquement la mise en oeuvre du durcissement des prescriptions juridiques aussi bien de la part des sujets qui doivent les appliquer que des personnes qui les subissent ;
- … enfin de la question de savoir s’il est légitime de faire ce que la loi ordonne, ou bien s’il est nécessaire de faire ce que la conscience estime juste, même si cela n’est pas conforme à la loi. Existe-t-il d’autres possibilités de déplacer, d’une manière ou d’une autre, la limite de
l’acceptable en matière de respect des droits humains actuellement outrepassée par la loi sur
l’asile et les étrangers? Quelles possibilités émergent des synergies créatrices, des réflexions
critiques, du sentiment de responsabilité qui relie les êtres humains et du courage politique
pour mettre en lumière les causes de la situation politique actuelle en Suisse.
- Le but visé est la correction de la part du Conseil fédéral et du Parlement ou l’invalidation par le Tribunal fédéral des aberrations d’une politique partisane xénophobe, raciste qui ont pris racine au niveau juridique, afin de rétablir une politique d’asile et des étrangers raisonnable, respectueuse des droits humains et responsable. Dr. Maja Wicki-Vogt
(Traduit de l’allemand par Michèle Roquancourt).
[3] La version française:
RESOLUTION RELATIVE AU DROIT D’ASILE ET DES ETRANGERS
(adoptée lors du colloque « Éthique – droits humains – asile: L’injustice peut-elle
être légale ? », Université de Fribourg, 31 octobre 2008)
Les nouvelles dispositions de la loi sur l’asile et la nouvelle loi sur les étrangers ont rendu plus précaire la situation juridique des hommes et des femmes qui demandent l’asile en Suisse et des immigré-e-s. Les nouvelles dispositions se traduisent par de nombreux durcissements et
d’importantes disparités cantonales.
Bien que ces deux lois comprennent des normes dont le but est de garantir que ces personnes
soient traitées avec humanité, les instruments prévus à cette fin restent largement inutilisés.
Déjà, de nouvelles interventions parlementaires ont été déposées, visant à aggraver encore la situation juridique des personnes qui ne détiennent pas de passeport suisse. Les initiatives populaires pendantes qui violent la Constitution et les droits humains (initiatives « contre la construction de minarets » et « sur le renvoi ») ne sont que la pointe d’un iceberg de dureté et de froideur opposé aux hommes et aux femmes qui cherchent asile en Suisse ou y vivent en immigré-e-s. Le durcissement continu auquel nous assistons prive un nombre croissant de personnes de leur dignité et de leurs droits élémentaires. Cette situation est insupportable.
On ne peut tolérer les tendances qui dominent en ce moment. Elles sont incompatibles avec une Suisse qui se présente comme un Etat de droit démocratique à tradition humanitaire. Il est urgent d’intervenir.
Les participant-e-s au colloque en appellent au Parlement et au Conseil fédéral, ainsi qu’aux autorités cantonales et à la justice : ils demandent le respect, dans la procédure de l’asile et le droit des étrangers, de solutions en conformité avec l’éthique et les droits humains et la garantie d’une jurisprudence respectueuse de ces principes.
Ils demandent qu’une attention urgente soit portée aux questions et demandes suivantes :
Les requérants d’asile déboutés ou dont la demande est frappée de non-entrée en matière ne bénéficient quasiment pas des disposition applicables aux cas de rigueur prévues par les loi sur l’asile et sur les étrangers. Cette pratique contrevient gravement à la reconnaissance du principe d’humanité dans le système juridique et aux intentions du législateur.
Le Conseil fédéral et les cantons sont donc invités à régulariser la situation des immigrants et immigrantes ayant séjourné pendant quatre à cinq ans en Suisse. Cela est particulièrement urgent pour les jeunes qui ont achevé leur scolarité primaire en Suisse. Dans tous les cantons, les voies de recours seront donc ouvertes pour toutes ces personnes. Des commissions cantonales dotées de compétences décisionnelles seront instituées pour l’examen des cas de rigueur.
Les participants demandent notamment de:
Garantir également aux personnes dites « sans papiers » la liberté d’accès à des soins médicaux qualifiés et indépendants. Tenir compte de la fragilité particulière des enfants et des adolescents.
Donner dans la pratique juridique une interprétation extensive des « motifs excusables » pour les requérants d’asile qui ne peuvent pas présenter de pièce d’identité ou, en d’autres termes, d’adopter une pratique restrictive pour les décisions de non-entrée en matière motivées par le défaut de papiers d’identité.
Etendre la procédure ordinaire de demande d’asile aux requérants qui déposent leur demande dans un aéroport suisse. Est réservé le rejet dans le cas de demande manifestement infondée. Ne pas considérer comme raisonnablement exigible un séjour en zone de transit excédant 20 jours. En cas de procédure à l’aéroport, de garantir d’office l’assistance judiciaire et le conseil juridique ; les mineurs en particulier ont le droit d’être représentés par un avocat.
Cesser immédiatement les pratiques humiliantes d’exclusion de l’aide sociale ou de soumission à l’aide d’urgence à l’endroit des requérants d’asile déboutés ou dont la demande est frappée de non-entrée en matière. Ces instruments légaux font fi de la dignité humaine et ne permettent pas d’atteindre le but visé. Les personnes disparaissent, sans pour autant quitter le territoire puisqu’elles ne peuvent pas vivre dans leur pays.
Enregistrer les enfants aussitôt après leur naissance, conformément à l’art. 7 de la Convention de l’ONU sur les droits de l’enfant, même si l’identité des parents ne peut être établie de manière incontestable par des documents.
Cesser d’interdire le mariage de requérants d’asile déboutés et de personnes dites « sans papiers», car cela contrevient au droit au mariage prévu par la Constitution fédérale et par la
Convention européenne des droits de l’Homme. L’initiative parlementaire Brunner «Empêcher les mariages fictifs » doit donc être rejetée parce qu’elle établit une présomption légale illicite et qu’elle interdit globalement le mariage à une catégorie d’étrangers.
Interdire sur le champ le renvoi de facto d’enfants de nationalité suisse. Cela implique de délivrer un permis de séjour aux parents étrangers de sorte qu’ils puissent s’occuper de leurs enfants et d’entretenir le contact avec eux en Suisse. Une réglementation correspondante
s’impose également pour empêcher la discrimination de ressortissants suisses : en effet, en vertu de l’Accord sur la libre circulation des personnes, des enfants ressortissant d’un Etat de la CE fondent un droit de séjour pour leurs parents. Le Parlement est invité à approuver
l’initiative parlementaire Tschümperlin Andy « Loi sur les étrangers. Halte à la discrimination
des ressortissants suisses » dans les meilleurs délais.
(Traduit de l’allemand par Michèle Roquancourt).