Leben im Gegenlicht – Schulden, Schulden

Leben im Gegenlicht – Schulden, Schulden

 

Leben im Gegenlicht: Eine Serie des Fürsorgeamtes der Stadt Zürich, die monatlich einmal erscheint, um über die vielseitige Tätigkeit dieses Amtes zu informieren. Diesmal soll die mit dem Fürsorgeamt vernetzte Fachstelle für Schuldenfragen im Kanton Zürich vorgestellt werden.

 

Jeder dritte Haushalt in der Schweiz bestreitet einen Teil der Lebenshaltungskosten mit Konsumkrediten. Bei einer wachsenden Zahl von Fällen entstehen daraus erdrückende finanzielle Notlagen, die sich häufig zu persönlichen Tragödien entwickeln. Allein in der Stadt Zürich werden schätzungsweise pro Jahr an die 2000 Betreibungen infolge von Konsumkrediten ausgesprochen, bei einer Schadensumme von rund 30 Millionen Franken.

Gerda Haber leitet die Fachstelle für Schuldenfragen im Kanton Zürich seit deren Gründung im Jahre 1991. Die ehemalige Lehrerin und Sozialarbeiterin ist – ebenso wie ihre Mitarbeiterinnen – eine Expertin sowohl in den vertrags- und konkursrechtlichen wie in den sozial- und versicherungsrechtlichen Zusammenhängen, in den Steuerfragen ebenso wie in den lebenspraktischen und psychologischen Schwierigkeiten, die infolge von Verschuldung und Überschuldung auftreten. Ursprünglich war das Büro an der Schweighofstrasse in Triemliquartier als Beratungs- und Weiterbildungsstelle für Sozialtätige und für Behördenmitglieder vorgesehen. Doch sehr schnell wurde es ebenso sehr von Männern und Frauen mit Überschuldungsproblemen aus allen Schichten der Bevölkerung benutzt. Heute erfolgen jährlich über 200 persönliche und ebenso viele telephonische Beratungen durch die spezialisierten Sozialarbeiterinnen, dazu an die 50 Schuldensanierungen. Die Ratsuchenden wenden sich zum Teil aus eigener Initiative an die Fachstelle, zum Teil werden sie durch MitarbeiterInnen öffentlicher und privater Institutionen überwiesen. Jede einzelne Geschichte bedarf zur Klärung nicht nur eines breiten Wissens, sondern auch grosser Geduld und viel Zeit.

Die Finanzierung der Fachstelle muss von Jahr zu Jahr von neuem gesichert sein; sie setzt sich zusammen aus Zuwendungen durch die öffentliche Hand, aus Mitgliederbeiträgen einer möglichst grossen Anzahl von Gemeinden, aus einzelnen Spenden sowie aus dem Entgelt für die geleistete Beratungs- und Sanierungsarbeit. Seit 1993 subventioniert auch die Stadt Zürich diese wichtige Dienstleistungsstelle, deren Tätigkeit jedoch Klienten und Klientinnen des städtischen Fürsorgeamtes dank dessen Kostengutsprache seit den Anfängen zugutekam.

Warum nehmen die Überschuldungsprobleme auf so erschreckende Weise zu? Gerda Haber weist nach, dass Schulden nicht über Nacht zu erdrückenden Bergen anwachsen. Meistens kommen viele Ursachen zusammen: Konsum- und andere Kleinkredite, Leasing-, Abzahlungs- und Vorauszahlungsverträge, Kreditkartenkäufe, Anstieg der Miet- und Krankenkassenkosten, Stellenverlust und Arbeitslosigkeit, anstehende Steuer- und Versicherungsrechnungen, Krankheiten oder Unfälle, Haushaltveränderungen, Trennungen, Scheidungen und weitere lebensgeschichtliche Komplikationen.  So machten sich zum Beispiel in den achtziger Jahren viele, vor allem jüngere Menschen in einem naiven Optimismus selbständig, nicht zuletzt in der Computerbranche, ohne dass sie über eigenes Kapital oder über genügend kaufmännische Kenntnisse verfügten. Mit der einsetzenden Rezession vermochten sie ihren Zins- und Rückzahlungsverpflichtungen nicht mehr nachzukommen, vor allem wenn dafür zusätzliche Kleinkredite aufnahmen.

Gerda Haber macht die aufdringliche Kleinkreditewerbung und Darlehenspraxis sowie die nachlässige Solvenzprüfung verschiedener Kreditinstitute für ungezählte Überschuldungsdramen verantwortlich. Interessanterweise, stellt sie fest, sind alleinerziehende Frauen solchen Angeboten gegenüber viel weniger anfällig als der Durchschnitt der übrigen Erwachsenen; dass Frauen jedoch häufig an Solidarlasten aus vergangenen Beziehungen zu tragen haben, nachdem die Beziehungspartner sich für zahlungsunfähig erklärt oder davongemacht haben, macht ihre Verschuldungssituation doppelt tragisch. Wenn Gerda Haber für ein wirksames Konsumkreditgesetz kämpft, hat dies mit ihrer grossen Erfahrung sowohl mit einem missbräuchlichen Angebotsverhalten einzelner Banken und Finanzierungsinstitute zu tun wie mit ihrer Kenntnis der in Lebensträumen und Geldfragen so leicht verführungsfähigen menschlichen Natur.

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