Geschichten – café philosophique (Einführung)

Geschichten – „café philosophique“ vom 29. April 1998

im Haus der Katholischen Universitätsgemeinde, Bern

 

 

Geschichten:

Das was erzählt werden kann. Das was erzählt wird: Das was ein Handlugnssubjekt von seinem eigenen Handeln erzählt, das, was es vom Handeln anderer erzählt. Darin kommt das Subjekt schon als Objekt fremden Handelns vor. In der kaum mehr erkennbaren Schichtung und Verflechtung des Handelns er Erleidens verliert sich das Handlungssubjekt. Im Historismus allerdings sind die Träger und Agenten der Geschichten wie der Geschichte die Sieger, da die Auftraggeber der Geschichtsschreibung zumeist die jeweils Herrschenden sind. „Die jeweils Herrschenden sind die Erben all jener, die je gesiegt haben“ (W. Benjamin. Über den Begriff der Geschichte, VII). Aber „es ist niemals ein Dokument der Kultur, ohne zugleich ein solches der Barbarei zu sein“ (a.a.O.). Daher: „Die Tradition der Unterdrückten lehrt uns darüber, dass der ‚Ausnahmezustand‘, in dem wir leben, die Regel ist. Wir müssen zu einem Begriff der Geschichte kommen, der dem entspricht“ (a.a.O., VIII).

 

Geschichte

Ist zugleich das, was sich in der Vielzahl von Geschichte ereignet hat und was erzählt werden kann, das, was sich ereignet hat und nicht erzählt werden kann (ausgelassen, verdrängt, geleugnet wird) und das, was sich nicht ereignet hat, sich aber hätte ereignen sollen und was daher als geschcihte erzählt wird (das Imaginäre in der Geschichte, das Fiktive, die Konstruktion). „Die Geschichte ist Gegenstand einer Konstruktion, deren Ort nicht die homogene und leere Zeit, sondern die von Jetztzeit erfüllte bildet“ a.a.O. XIV). Die Konstruktion der Geschichte erfolgt zum Zweck der Legitimation der Geschichte der Jetztzeit.

 

Subjekte tragen Handlungsverantwortung. Wer aber ist das Subjekt der Geschichte („es“ geschieht, „es“ geschah)? Handlungsverantwortung trägt klar das Subkt der Erzählung der Geschichte. Aus dem Begriff der Verantwortung leiten sich Schuld und Verdienst ab. Damit kann die Frage nach der Verantwortung der sog. „Nachgeborenen“ beantwortet werden.

 

Die sog. „nationale Depression“

Kommt aus dem Gewicht der Konstruktion, das, als Konstruktion, sich dem „Neuanfangen“, durch welches Zukunft möglich würde, entgegenstellt. Und kommt ebenso aus dem Gewicht des Verdrängten, Geleugneten, das, weil nicht integrierbar und  nicht integriert in die Geschichte, zur drohenden Wiederholung wird – und damit ebenfalls einem Neuanfang in der Geschichte, resp.in der Zukunft entgegensteht (cf. Rolle des Femiliengeheimnisses, s. Ruth N.).

 

Wie lernen, mit der Tatsache der vielfachen Paradoxie, mit dem Unvollkommenen leben?

Liegt hierin die Antwort auch auf die zur Aufgabe gestellte Überwindung von Antisemitismus, von Xenophobie: der Verzicht auf die Projektion des Unbehagens am eigenen Unvollkommenen auf das Fremde, den/die Fremden?

 

Zürich, 28. 4. 1998

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