Zur Ausstellung von Adolf Funk am 7.September in der Villa Bianchi, Uster
Zur Ausstellung von Adolf Funk am 7.September in der Villa Bianchi, Uster
Ueber Malerei solltenj eigentlich nur die Maler selbst sprechen. Einige tun es, Kandinsky etwa oder Mondrian, die nicht nur malen, sondern die sich auch der Sprache bedienen, um Kunst zu vermitteln und zu erklären. Andere tun es nicht. Ihr Werk genügt. Man soll sich Zeit nehmen, es anzuschauen, sagen sie, und die Idee, welche hinter der Umsetzung von Sinnenerfahrung und Vorstellung ins Bildwerk steht, tut sich selbst kund. Andere wiederum lassen Dichter oder Schriftsteller für sich sprechen. Robert Walser etwa hat mehrmals für seinen Bruder Karl übers Malen geschrieben, besser, er hat ihm sein Wort geliehen, etwa so: “Neben dem eigentlichen Malgeschäft male ich, ähnlich wie es bei dir mit dem Dichten ist oder sein mag, nach der Natur. Ich gehe an die freie Luft hinaus, schaue mich am göttlichen Antlitz der Natur recht satt, trage irgendeinen tiefen Eindruck, ein vorgenommenes Bild oder Gewebe nach Hause, um den Gedanken in der Stube auszufertigen, derart, dass mein Malen fast mehr ein Malen hinter als vor der Natur zu sein scheint. Die Natur, Bruder, ist auf so geheimnisvolle unerschöpfliche Weise gross, dass man, wo man sie geniesst, auch bereits schon unter ihr leidet; aber es fällt mir ein, mich glauben zu machen, dass es auf der Welt vielleicht überhaupt kein Glück ohne Beimischung von Schmerz gibt, womit ich dir und mir selber recht eigentlich ganz einfach nur sagen will, dass ich stark kämpfe. In die Farben, die in all der umherverbreiteten Natur sind, mischen sich Melodien. Nun treten auch unsere Gedanken noch hinzu. Ferner bitte ich dich, bedenken zu wollen, dass sich alles immer ändert, die Tageszeiten, Morgen, Mittag und Abend, dass die Luft an und für sich schon etwas sehr Eigentümliches, Seltsames, Schwimmendes ist, das alle Er- scheinungen umschwimmt, allem Gegenständlichen vielerlei befremdende Gesichter gibt, die Formen verwandelt, verzaubert. Stelle dir nun Pinsel und Palette, die ganze Langsamkeit des Handwerkzeuges, des handwerklichen Betriebes lebhaft vor, womit der ungeduldig drängende Maler die tausend merkwürdigen, vagen, hin und her verstreuten Schönheiten, die dem Auge nur fluchtartig begegnen, einfangen, in ein Festes, Bleibendes bannen, zu blitzenden, aus der Bildseele mächtig aufleuchtenden,lebendigen Bildern umschaf fen soll: dann wirst du den Jampf verstehen, danh begreifst du ein Zittern! Ach, dass es doch nur schon auch mit der Liebe,·die wir fühlen, mit der Freude, mit dem zufriedenen, bezaubernden Gedanken, mit dem Sehnen, dem heissen gutherzigen Wunsch oder mit dem blossen reinen, glücklichen Schauen getan wäre.”
Karl Walser, für den der Dichterbruder Robert diesen “Brief eines Malers an einen Dichter” schreibt, war Adolf Funks Lehrer. Die “Natur, die geheimnisvolle unerschöpfliche”, von der er schreibt, war für beide dieselbe: die Natur des Bielersees, wo Melodien sich in die Farben mischen, mit dem schwebenden Licht, das sich in den Tageszeiten und Jahreszeiten ständig verändert, mit den” vagen, hin und her verstreuten Schönheiten”. Auch die “Bildseele”, die der’ursprung der “mächtig aufleuchtenden, lebendigen Biider” ist, ist den zwei Malern auf vergleichbare Weise eigen: Sie ist das Gefäss der Inspiration und der künst lerischen Kraft, das eins ist mit dem Denken, dem Empfin den und dem Bedürfnis, diesem Ausdruck zu geben für junge Künstler eine bedrängende Entdeckung, später, nach vielen Jahren der schöpferischen Arbeit, eine Gewissheit.
Es ist lange her, dass Adolf Funk von Nidau nach Biel ging, als Schüler und als “Gehülfe”, wie Robert Walser sagen würde, dass die “ganze Langsamkeit des Handwerkzeuges, des handwerklichen Betriebes” mit Pinsel und Palette seiner Ungeduld entgegenstand und einen “Kampf” hervorrief in seinem Inneren. Nicht dass der Kampf heute abgeschlossen wäre, das nehme ich nicht an. Diese Spannung hört wohl nie auf, dieses “Zittern”, wenn der Maler oder die Malerin den Pinsel aufsetzt auf die Leinwand und die angerührten Pigmente und der Strich dem inneren Bild aus der “Bildseele” zu entsprechen haben. Meisterschaft schliesst ja ständiges Lernen ein, Oeffnungen, Vertiefungen, Wandlungen, daher auch ständigen Kampf. Gerade das unterscheidet Kunst von Handwerk. Aber allmählich lassen die Gewissheit um die Verlässlichkeit der inneren Bilder und die Bewährung im Handwerk mehr Geduld zu im Kampf, nehme ich an, und Wandlungen sind nicht mehr mögliche Gefährdungen, sondern nur noch grösserer Reichtum.
So empfinde ich Adolf Funks Bilder der letzten Jahre, die wir hier vor uns haben, als grösseren Reichtum in der immer von neuem überraschenden Synthese der drei tragenden künst lerischen Elemente, die Robert Walser seinen Malerbruder aufzählen lässt: der Farben, Melodien und Gedanken. Weil die Bilder Synthese sind, in vielfältiger Formgebung und Gewichtung dieser drei Komponenten, ist es unwichtig, ob sie “hinter der Natur” oder im Angesicht der Natur als deren Uebersetzung ins Abstrakte entstanden seien. Sie genügen sich selbst.
Ich will sie daher nicht länger mit Worten hinhalten, nicht länger den Dialog zwischen Ihnen und den Bildern verzögern. “Eines ist sicher”, schliesst Karl Walser in der Sprache seines Dichterbruders den Brief, aus dem ich zitierte, und ich will Ihnen diesen Schluss nicht vorenthalten, “wir beide, du Dichter wohl nicht weniger wie ich Maler, brauchen Geduld, Mut, Kraft und Ausdauer. Lebe etliche zwanzig bis dreissigmal wohl, habe kein Zahnweh und sei stets bei einigem Geld.”
Weder zur knappen Feststellung der schöpferischen Anforderung noch zum heiteren Wunsch lässt sich Besseres anfügen ausser dass beides auch für Adolf Funk und für Lissy Funk, seine Frau und Gefährtin in der Kunst ohne Einschränkung gelten möge, über die Tages und Jahreszeiten hinweg.
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