Bezugsnetz statt Rechtlosigkeit – Jedem Flüchtling eine Referenzperson

Bezugsnetz statt Rechtlosigkeit

Jedem Flüchtling eine Referenzperson

Projekt zur Vernehmlassung und zur schnellst möglichen Realisierung:

 

Menschenrechtlicher Notstand durch Vertreibung und Flucht

 

Wer durch Krieg, Vertreibung, „ethnische Säuberungen“, durch Bürgerkrieg und andere Formen der Gewalt zum Flüchtling gemacht wird, ob ihm dieser Status zuerkannt werde oder nicht, verfügt von einem Tag auf den anderen über keine zivilen und politischen Rechte mehr. Häufig werden den Verfolgten und Vertriebenen sogar gezielt ihre persönlichen Dokumente (Geburtsscheine, Pässe, Identitätsausweise etc.) weggenommen, oder diese können unter den überstürzten Ereignissen und Zwangsumständen von Vertreibung und Flucht nicht beschafft werden. In den Ankunftsstaaten sowie in den Drittländern werden Flüchtlinge zu „verwalteten Objekten“ gemacht, deren soziale und berufliche Identität zerstört ist, und deren persönliche Bedürfnisse und Persönlichkeitsrechte häufig nur minimal, häufig überhaupt nicht erfüllt werden, vor allem wenn die Aufnahmeländer auf Grund der grossen Zahl der Aufnahmsuchenden überfordert, oder auf Grund einer feindseligen, eventuell rassistischen Haltung aufnahmeunwillig sind.

Gemäss ungezählter übereinstimmender Beobachtungen und Aussagen fühlen sich Flüchtlinge nach den traumatisierenden Kriegs- und Vertreibunggeschehnissen in einem Aufnahmeland zuerst zwar – auf mehr oder weniger prekäre Weise – in Sicherheit. Nach kurzer Zeit aber führen die Aufnahme- und Statusbedingungen zu einem Gefühl der demütigenden Selbstentwertung. Indem sie all ihrer Rechte verlustig gegangen sind, werden sie zu „Un-Personen“. Zu den schweren gesamtexistentiellen Verlusten und psychischen Verletzungen kommen gravierende Verletzungen im Bereich der allgemeinen Persönlichkeitsrechte – der Menschenrechte – hinzu. Die Menschenrechte können jedoch in einem Drittland nicht eingefordert oder gar eingeklagt werden, ausser wenn das positive Recht für deren Einklagbarkeit taugliche Rechtsinstrumente zur Verfügung stellt. Daher leben Millionen von Menschen – von Verfolgten, Vertriebenen und Flüchtlingen – in einem menschenrechtlichen Notstand.

 

Eine Korrektur des Notstandes

Um diesen Notstand zu mildern, soll möglichst jedem Flüchtling (im weiten Sinn des Begriffs, wie er oben verwendet wird), sobald er/sie in einem Aufnahmeland registriert wird, eine Referenzperson zur Seite gestellt werden, die im vollen Besitz der zivilen und politischen Rechte steht. Diese Personen stellen sich für diese Aufgabe freiwillig und unentgeltlich zur Verfügung, um dank ihrer Rechte und ihrer Handlungsfähigkeit die Rechtlosigkeit der Flüchtlinge stellvertretend zu mildern und zu korrigieren. Sie sind bereit, sich für einen Menschen – Frau, Mann oder Kind -,  der/die alles verloren hat, als verlässliche persönliche und personale Bezugsinstanz – als Referenzperson – einzusetzen, um die Fremdheit und Verlorenheit, um die Heimatlosigkeit, Rechtlosigkeit und Anonymität im Ankunftsland erträglicher zu machen. Als Referenzperson stehen sie einem aufnahmesuchenden Menschen begleitend und „anwaltschaftlich“ zur Seite, um für ihn/sie bei Schritten zu Behörden und Ämtern gradzustehen, um bei Problemen mit Betreuungspersonen, bei der Suche nach Angehörigen, bei Unverständnis oder Missverständnissen auf Grund kultureller Differenz, bei Mangelerfahrungen, bei psychischen umd körperlichem Leiden etc. zu vermitteln und weiterzuhelfen. Während es erfahrungsgemäss eine Überforderung bedeutet, sich für ganze Gruppen von Flüchtlingen einzusetzen, ist es möglich, für das persönliche Wohl eines einzelnen Menschen – für eine Verbesserung dessen verletzter Menschenwürde – sich mitverantwortlich zu fühlen. Auf diese Weise liesse sich, vom einzelnen Menschen zum einzelnen Menschen, ein Bezugsnetz herstellen, durch welches die Bevölkerung im Aufnahmeland sich aktiv an der Aufgabe beteiligen könnte, heimatlosen Menschen mehr als nur ein prekäres Überleben zu bieten.

 

Wie vorgehen?

Frauen und Männer, die bereit sind, sich als Referenzperson für einen Flüchtling zur Verfügung zu stellen, können sich bei den kantonalen Asylorganisationen melden, welche für die Unterbringung und Betreuung der Flüchtlinge zuständig sind. Die jeweiligen Referenzpersonen können einander gegenseitig nicht aussuchen, sondern werden einander zugeteilt. Falls sich im Lauf der Begleitung Schwierigkeiten oder gravierende persönliche Probleme ergeben, steht ein Team von Fachleuten (TherapeutInnen, JuristInnen, SozialarbeiterInnen etc.) beratend zur Seite. Der Einsatz sowohl der Referenzpersonen wie der beratenden Fachleute ist im Sinn eines Menschenrechtseinsatzes unentgeltlich.

 

Write a Reply or Comment