Konzept für den Vorfilm zur Debatte über die frauenpolitischen Bewegungen

Konzept für den Vorfilm zur Debatte über die frauenpolitischen Bewegungen

Bedeutende Vordenkerinnen aus dem Umfeld der Französischen Revolution leiteten die Geschichte der Frauenbewegungen ein. 1791 forderte Olympe de Gouges mit ihrer “Déclaration des droits de la femme et de la citoyenne” für die Frauen die gleichen Rechte, wie die Männer sie für sich beanspruchten. In der Präambel hält sie fest, dass nichts die Männer zu ihrem Despotismus über das weibliche Geschlecht, das in gleicher Freiheit und mit gleichen Fähigkeiten geboren werde, berechtige, dass allein die Tatsache, dass die Rechte der Frauen ignoriert, vergessen und verachtet werden, Grund für das allgemeine öffentliche Unglück und für dei Korruption der Regierenden sei. 1793 musste sie ihren Mut mit dem Leben zahlen; sie wurde auf der Guillottine enthauptet. Ein Jahr bevor Olympde de Gouges ermordet wurde, erschien 1792 in London ein weiteres feministisches Manifest, das für Aufsehen sorgte: “The vindication of the rights of women” von Mary Wollstonecraft. Mit diesem Werk wird erstmals die mangelhafte Bildung und Berufsausbildung der Frauen als Grund für deren unwürdige Abhängigkeit von den Männern angeprangert. Mary Wollstonecraft forderte für die Frauen nicht nur die gleiche Bildung, sondern auch die gleichen Rechte und den gleichen öffentlichen Einfluss. Sie hielt u.a. fest, dass nur wenn der gleiche Respekt die Grundlage der Gesetze sei, auch die privaten Beziehungen, insbesondere die Ehen, von gegenseitigem Respejt geprägt seien.
Bilder: Olympe der Gouges / Mary Wollstonecraft
Die früheste Geschichte des Frauenwahlrechts war imteressanterweie geprägt durch Rechtsverluste. Bis 1787 konnten die Frauen in einigen amerikanischen Staaten wählen, verloren aber dieses Recht, als die Unionsverfassung der Amerikanischen Staaten zustandekam. Auch in England war bis zum Reformgesetz von 1832 “hinreichend qualifizierten Frauen” das Wahlrecht zugestanden; sie verloren es, weil im Reformgesetz ausdrücklich nur noch “male persons” als wahlberechtigt genannt wurden. Mary Smith aus Yorkshire legte darauf im gleichen Jahr dem Parlament eine Petition vor, mit der sie “für jede unverheiratete Frau, die im Besitz der nötigen finanziellen Voraussetzungen ist” das Recht fordert, Parlamentsmitglieder wählen zu können.
Bilder: Faksimile der amerikanischen Verfassung, des englischen Reformgesetzes
Erst durch den Zusammenschluss vieler Frauen zu eigentlichen Frauenrechtsorganisationen kam allmählich eine Veränderung zustande. Das Ziel aller Frauenbewegungen war, durch die Erlangung des Wahl- und Stimmrechts eine Behebung der politischen und sozialen Misstände überhaupt erreichen zu können: der Kampf um die eigenen Rechte war immer zugleich ein Kampf gegen die zum Teil ungeheuerlichen Missbräuche männlicher Herrschaft. Daher engagierten sich die Frauen von Anfang an in der Anti-Sklavenbewegung, gegen die Kinderarbeit, für die Einführung der allgemeinen Schulpflicht, gegen die Ausbeutungsbedingungen in der Heim- und Fabrikarbeit, gegen Imperialismus, Kriegshetze und Aufrüstung.
Die Amerikanerinnen, zum Beispiel, organisierten sich in einer ersten Frauenstimmrechtsbewegung in Anschluss an die demütigende Erfahrung am Welt-Antisklaven-Kongress von 1840 in London, wo sie wegen der Einsprache eines Delegierten nur hinter einem Vorhang den Reden und Diskussionen beiwohnen durften. 1848 riefen sie in Seneca Falls eine erste Versammlung für Frauenrechte zusammen. Als 1861 nach den Ende des amerikanischen Bürgerkriegs die Sklaverei abgeschafft wurde und die männlichen Schwarzen das Wahlrecht erhielten, die schwarzen und die weissen Frauen, die sich im krieg aktiv engagiert hatte, jedoch davon ausgeschlossen blieben, schlossen sich 1869 die Frauenorgansiationen alles Staaten der Union unter der Führung von Susan B. Anthony zur “National American Women Suffrage Association (N.A.W.S.A.) zusammen. Doch erst ihre Nachfolgerin, Carrie Chapman Catt, die ab 1899 an der Spitze der N.A.W.S.A. stand, konnte nach weiteren zwanzig Jahres des Kampfes erleben, dass der Kongress 1919 die politische Gleichberechtigung der Frauen anerkannte. Carrie Chapman Catt kommt auch das Verdienst zu, den internationalen Zusammenschluss der nationalen Fraunerechtsbewegungen zu organisiert zu haben: 1902 kam ein erster interntionaler Frauenkongress in Washington zusammen, an dem sechs Länderdelegationen zusammenkamen. Bis zum Kriegsausbruch fanden fünf weitere Kongresse statt; am letzten, 1913 in Budapest, waren schon 29 Länder vertreten.
Bilder: der Welt-Antisklavenkongress von 1840 in London (es gibt ein Gemälde mit den Teilnehmern), Amerikanische Suffragetten / der erste internationale Frauenkongress in Washington
In England begann die organisierte Frauenbewegung 1866, als der Philosoph John Stuart Mill im Unterhaus eine Petition für das Frauenwahlrecht vorlegte, die von 1466 Frauen unterzeichnet war. 1869 kam ein kleiner Teilerfolg zustand, als “unverheirateten weiblichen Haushaltvorständen” das Wahlrecht auf Gemeindeebene zugestanden wurde. 1880 anerkannte die Insel Man, die ein von London unabhängiges Parlament (The House of Keys) hatte, den Frauen das Wahlrecht zu: die erste volle Gleichstellung der Frauen in Europa und im britischen Empire. In England selbst dauerte es jedoch bis 1928, dass die englische “National Union of Women’s Suffrage Societies” unter der Führung von Millicent Garnett Fawcett erreichte, dass alle Frauen das volle Wahl- und Stimmrecht anerkannt bekamen, während in den Ländern des Britischen Commonealth diese fortschrittliche Neuerung zumeist früher eingeführt wurde (1919 in Kenia, Rhodesien, Jamaica; 1920 in Kanada, 1921/22 in Indien).
Bilder: ev. die Insel Man, das dortige Parlament, oder Frauenrechtsvertreterinnen aus dem damaligen Indien, etc.
In den übrigen Ländern Europas und ausserhalb Europas erlangten die Frauen die Wahl- und Stimmberechtigung erst nach dem I. Weltkrieg, eigentlich als Anerkennung für ihre Leistungen während des Kriegs (so in der neugegründeten UdSSR im Jahre 1917, in Deutschland 1919, zwischen 1918 und 1921 in Polen, Holland, Luxemburg, Tschechoslowakei, Österreich und Schweden, 1932 in Uruguay und in Brasilien, 1934 in der Türkei etc.), in einigen anderen Ländern bedurfte es der Erschütterungen des II.Weltkriegs, damit die Frauen die politische Gleichberechtigung erlangten: 1945 in Frankreich, Italien, Japan und Belgien und in allen kommunistischen Ländern Europas, 1946 (teilweise) in Portugal, 1947 in China, 1948 in Israel etc.
Bilder: ev Krankenschwestern in Kriegslazarette während des I. Weltkriegs; Frauen im Dienst der französischen Résistance
Allein die Schweiz musste bis 1971 warten, bis die Männer den Frauen auf Bundesrbrnr die gleichen politischen Rechte zuerkannten. Auch in unserem Land gab es schon in früheren Jahrhunderten Pionierinnen, etwa die Gründerin der Berner Mädchenschule, Sarah Schürer (1564-1626), vor allem dann im 19. Jahrhundert, als die Frauen sich zu organisieren begannen. Schon 1868 gründete die Genferin Marie Goegg-Pouchoulin, die einige Jahre mit ihrem Mann im Exil in London gelebt und dort Kenntnis von den vielgestaltigen sozialen und politischen Aktivitäten der Frauenbewegungen erhalten hatte, die “Association internationale des Femmes”, ein Jahr später den “Journal des Femmes”. In der deutschen Schweiz kam durch die Initiative von Elise Honegger 1882 die “Frauenzeitung” heraus. Weitere bedeutende Frauengestalten, zum Teil aus bürgerlichen Kreise, zum Teil aus dem Arbeiterinnenmilieu, die sich noch 19. und zu Beginn dieses Jahrhunderts für die politischen Rechte der Frauen, gegen das Arbeiterinnenelend, für Mädchenschulen, universitäres Studium und Berufsbildung der Frauen, für Schwangerschaftsverhütung und -abbruch, für gleichen Lohn für gleiche Arbeit einsetzten sowie gegen Militarismus, Alkoholismus und Gewalt kämpften, waren, unter vielen anderen, Amélie Moser-Moser, Camille Vidar, Helene von Mülinen, Emma Pieczynska , Meta v.Salis-Marschlins, Emma Graf, Emilie Gourd, Emilie Kempin-Spyri, Verena Conzett, Rosa Grimm, Rosa Bloch, Clara Ragaz-Nadig, Iris von Roten. 1896 wurde in Zürich der erste kantonale Verein gegründet, dessen erklärtes Ziel die Erlangung des Frauenstimmrechts war: die “Union für Frauenbestrebungen”. Weitere kantonale Vereine folgten. Zwischen 1920 und 1953 fanden 21 kantonale Abstimmungen über das Frauenwahl- und Stimmrecht statt, die alle verworfen wurden. Basel-Stadt nahm 1954 als erster Kanton eine Änderung der kantonalen Verfassung zur Einführung des Frauenwahl- und Stimmrechts vor. Nur zögenrd folgten weitere kantone. Neuen Schwung erhielt die Debatte um die Gleichberechtigung der Frauen 1968, als der Bundesrat die Europäische Menschenrechtskonvention unter Vorbehalt unterzeichenn wollte. Im gleichen Jahr feierte der Fraunestimmrechtsverein Zürich sin 75-Jahr-Jubiläum im bürgerlichen Rahmen im Schausüielhaus. Da platzten mitten ins Programm junge Frauen hinein, Andrée Valentin ergriff das Mikriphon und hielt eine höchst provokative Rede. Trotz zahlreicher Proteste gemässigter Frauenrechtsvereine veranstalteten die radikal engagierten Frauen Anfang 1969 den Marsch nach Bern, der für griosses Aufsehen sorgte. 1969 wurde von den gleichen Frauengruppen in Zürich die FBB (Frauenbefreiungsbewegung) gegründet, der analoge Gründungen in den meisten Schweizer Städten folgten. 1971 war es endlich so weit: die Schweizer Bürgerinnen erhielten das Wahl- und Stimmrecht.
Bilder: die tumultuöse Feier von 1969 im Schauspielhaus Zürich, der Marsch nach Bern
Damit aber waren die rechtlichen und sozialen Ungleichheiten noch nicht behoben. Der Kampf der Frauenbewegungen um gleichen Lohn für gleiche Arbeit, für paritätische Vertretung in den legislativen, exekutiven und judikativen Gremien, gegen Sexismus und Rassismus, gegen Diskrimierung bei den Sozialversicherungen, für einen Mutterschatsschutz usw. gehen weiter.
In diesem Jahr kandidieren Frauen aus fünf Kantonen auf der Unabhängigen Feministischen Frauenliste (UFF) für den National- und Ständerat.
maw / 11. 9. 1995

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