Rassismus in den Köpfen „oben“ und „unten“, in den Medien, in den Gesetzen: Gibt es einen emanzipatorischen Gegenentwurf?

Rassismus in den Köpfen „oben“ und „unten“, in den Medien, in den Gesetzen:

Gibt es einen emanzipatorischen Gegenentwurf?[1]

 

Das Thema Rassismus und Antisemitismus behält in der Schweiz eine nicht abnehmende Aktualität. Dabei geht es nicht um Xenophobie schlechthin, werden doch Ausländer und Ausländerinnen aus Frankreich, Deutschland, Österreich, Italien, Spanien, Portugal, aus England, den skandinavischen Ländern etc. kaum von den Phaenomen des pauschalen Misstrauens, der Herabsetzung, der offenen Diskriminierung  und Gewalt betroffen, die jene Frauen, Männer und Kinder zu spüren bekommen, die als „Fremde“ wahrgenommen werden, sei es wegen der Hautfarbe und der Herkunft, sei es wegen Sitten, Religion oder Sprache. Es geht beim schweizerischen Rassismus offensichtlich weniger um den Ausländerstatus, als um das angeworfene – rassistische – Etiquett der „Fremdheit“, resp. der kulturellen Idiosynkrasie, die ebenso sehr schweizerischen Juden und Jenischen gegenüber behauptet wird wie gegenüber Ausländern und Ausländerinnen aus dem Balkan, aus Asien, Afrika und aus Südamerika. „Fremde“ sind dem „Schweizertum“ der Schweizer bedrohlich – wobei unklar ist, was damit gemeint ist, resp. worin die bedrohte „nationale Eigenart“ besteht. Aber Bundesrat Ogi, der bereit ist, die Armee gegen die fremden „Eindringlinge“ an die Grenze zu stellen, scheint es wissen, ebenso Bundesrat Koller und die Mehrheit des Parlaments, welche die Einführung von Notrecht im Asylverfahren beschliessen und welche kriegsvertriebene und häufig schwer traumatisierte Menschen in pauschalen Verfahren ausschaffen lassen. Auch die kantonalen Exekutiven und die Bundesbehörden, die dazu Hand bieten, scheinen es zu wissen. Ebenso die bürgerlichen Bundesratsparteien, die sich mit schamloser Offenheit und unverhältnismässigem Publizitätsaufwand gegen ein bescheidenes Integrationsprojekt für albanische Familien in Zürich verbündeten. War nicht das grosse dunkelbraune „Nein“, das sich vor der Abstimmung von den Plakatwänden in die Köpfe der Stimmbürger und Stimmbürgerinnen hineindrückte, vorher jahrelang durch Kriminalisierungskampagnen in die gleichen Köpfe eingehämmert worden? Die braune Propaganda wirkte sich auch prompt in der Juni-Abstimmung aus, wie Jahre zuvor in der Abstimmung über die Zwangsmassnahmen, wie in jener gegen die erleichterte Einbürgerung junger Ausländer und Ausländerinnen, wie in zahllosen Regierungsrats- und Parlamentsentscheiden – dank der Platform, als welche sich ein grosser Teil der bürgerlichen Medien, direkt oder indirekt, der Propaganda zur Verfügung stellt. Bedauerlicherweise bestätigt sich, dass der Rassismus in den Köpfen „oben“ und „unten“ gleichermassen verbreitet ist, wobei die eine „Schicht“ der anderen als Legitimation dient: die „oben“ sagen, sie müssten Rücksicht auf den Volkswillen nehmen, und das Volk sagt, es stehe ja im Gesetz. Ein Beispiel: Als der Bundesrat die Welt in drei „Kreise“ einteilte und Ex-Jugoslawien dem „dritten Kreis“ zuordnete, wuchs bewiesenermassen die „Jugoslawien-feindliche“ Haltung der Bevölkerung.

Tragisch ist, dass auch von links zunehmend eine Art vorauseilender resignativer Unterwerfung unter diesen wachsenden rassistischen Druck festzustellen ist. Ein Zeichen hierfür ist das Zürcher Integrationsleitbild, in welchem mit „Integration“ auf unverhüllte Weise Assimilation gemeint wird, und in welchem u.a. deutlich zwischen erwünschten und unerwünschten Ausländern und Ausländerinnen unterschieden wird. Auch das Zögern im Vorfeld des Referendumsbeschlusses gegen das revidierte Asylgesetz und gegen das das vom Parlament abgesegnete Notrecht im Asylverfahren widerspiegelt die gleiche, das Handeln lähmende, vorauseilende Resignation. In Bezug auf die Referenden hat sie nicht überhandgenommen: die Unterschriftensammlung geht voran.

Auch unsere September-MOMA-Nummer soll sich der Resignation entgegenstellen. Von Lessing ist zu lernen, dass nur das verloren ist, was man aufgibt.

 

 

[1] Aufrisspapier zu MOMA 9.98

 

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