Post-Scriptum zu Ein JA oder ein Nein am 5. Juni – Standpunkt von Maja Wicki

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Post-Scriptum zu Ein JA oder ein Nein am 5. Juni

Standpunkt von  Maja Wicki

Wie verwirrend die Vorlagen zur bevorstehenden Abstimmung sind, zeigte sich  im Verlauf der vergangenen Woche nach Erscheinen nach Erscheinen der letztwöchigen Kolumne „Ein Ja oder Nein am 5. Juni. Ein Vorteil der Verwirrung ist die daraus entstandene Diskussion. Möglicherweise entsteht mehr Klarheit durch die Benennung der Widersprüchlichkeiten, die ein vielfaches Zähneknirschen bewirkt haben. Auf diese Punkte soll diese Woche nochmals eingegangen werden.

  • Das Nein, das sich mir beim Schreiben des Standpunktes aufgedrängt hat, ist ein Nein zur ghettoartigen Zentrierung von Unterbringung, Befragung und Entscheid. Es ist insbesondere ein Nein zur zusätzlichen Einschränkung der asylrechtlichen Akzeptanz von Flüchtlingen. Gegenüber dem Bau von sechs Verfahrenszentren, von zehn Ausreisezentren und zusätzlich von zwei Zentren für „renitente Asylsuchende“ drängt sich ein Nein auf, auch ein Nein zur Fortsetzung des Dublin-Abkommens. Wer sich auf der Flucht aus dem Herkunftsland in anderen Ländern aufgehalten hat, dort von der Polizei registriert wurde, jedoch die Flucht fortsetzte und in die Schweiz gelangen konnte, hat keine Chance auf Asyl. Wer den Mut zur Verweigerung des Militärdienstes in einem Polizeistaat hatte, fliehen musste und die Schweiz um Asyl bittet, hat keine Chance zu bleiben. Wer nicht über genügende Identitätspapiere verfügt, da sich in grösster Bedrohung die Flucht nicht vorbereiten liess, hat ebenfalls keine Chance auf Asyl. Wer aus einem Land geflohen ist, das von der Schweiz als „safe country“ eingestuft wird, hat ohnehin keine Chance, da die Schweiz mit diesem Land ein Rückkehrabkommen abgeschlossen hat, ohne zu beachten, dass ethnischen Minderheiten dort kein rechtlicher Schutz gewährt wird, dass Verbrechen weder verhindert noch bestraft werden, die gegen Frauen, Männer und Kinder aus diesen Ethnien verübt werden. Das Nein ist ein Nein gegen das aktuelle menschenverachtende System.

 

  • Gleichzeitig vertrete ich ein volles JA zur Dringlichkeit, das Asylrecht zu renovieren.
    Es braucht ein umfassendes Ja zum Lebensrecht verfolgter und notleidender Menschen, ein Ja zu ihrem Recht, nach durchgestandener Erniedrigung, Gewalt und Todesangst Sicherheit zu erleben und sich in einem Land nach ihrer Wahl, wo eventuell schon Verwandte oder Freunde bleiben konnten, bleiben zu dürfen, unabhängig von Herkunft und Fluchtweg. Im aktuellen Abstimmungszusammenhang bedeutet das Ja daher Zustimmung zur rechtlichen Information Asylsuchender vor der Erstbefragung, die, wie ich hoffe, von menschenrechtlich verlässlichen Juristinnen und Juristen vermittelt wird. Im Lauf der vergangenen Woche wurde mir jedoch klar: Dieses Ja muss für ein JA an der Urne genügen, selbst wenn es mit grossen Vorbehalten erfolgt. Das Nein aus menschenrechtlichen Überlegungen würde auf dem Abstimmungszettel zu einem falschen Zweck missbraucht. Vorbehalte bedeuten nicht Resignation, im Gegenteil, sie spornen an.

 

  • Das Ja schliesst auch ein JA zu Gunsten jener Menschen ein, die aus dem Asylverfahren aussteigen, weil sie den engen Aufnahmebedingungen nicht genügen und weil sie einer Rückschaffung nicht zustimmen können. Es ist ein verpflichtendes Ja gegenüber Frauen und Männern, die untertauchen, ein Ja zu Gunsten der Papierlosen und Entrechteten. Ein halbes Ja ist sinnlos. Es braucht ein vielfaches, echtes Ja zur Umsetzung der Menschenrechte, das den Mut einschliesst, das Nein gegen die gesetzlichen Verengungen umzusetzen und Menschen zu unterstützen, die in ihrer Lebenswürde von diesem Widerstand abhängig sind.

 

  • Das Ja am 5. Juni 2016 an der Urne zu Gunsten der Flüchtlinge und das Nein zu gesetzlich legitimiertem Unrecht, das mit Überheblichkeit und Kälte im Namen des Rechts an wehrlosen Menschen umgesetzt wird, ergänzen sich. So kann mit Klarheit abgestimmt und mit gleicher Klarheit im Alltag gehandelt werden, entsprechend der Verbindung von Verstand und denkendem Herzen.

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