Warum delinquieren Asylsuchende? – Über die Folgen kultureller Entwurzelung
Warum delinquieren Asylsuchende?
Über die Folgen kultureller Entwurzelung
Die Bereitschaft grosser Teile unserer Bevölkerung, Asylsuchende verständnisvoll aufzunehmen, wird zum Teil schwer belastet. Meldungen von zunehmender Delinquenz – geringfügiger und schwerwiegender – erschrecken und und verunsichern. Die Tatsache, dass sich unter die mehrheitlich anständigen Asylsuchenden auch verbrecherische Elemente mischen, ist nicht zu leugnen; sie ist jedoch durch Gründe, die mit der Migration zusammenhängen, teilweise zu erklären.
In jeder Kultur regeln Normen und Gesetze das Zusammenleben der Menschen. Diese bestimmen u.a. das Umgehen der Geschlechter miteinander, den Respekt vor Frauen, den Schutz des Eigentums und mehr. Vor allem setzen sie fest, in welchem Mass und auf welche Weise Pflichten erfüllt werden müssen und Rechte eingefordert werden können. Wenn aber langwährende Gewaltereignisse die Kultur zerstören – wie etwa im Libanon, in Jugoslawien, in Rumänien und anderswo in Europa, auch in einigen afrikanischen, südamerikanischen und asiatischen Ländern, werden nicht nur Häuser und materielle Lebensgrundlagen, sondern ebenso die tragenden Wertmassstäbe zerstört, denen zufolge erlaubtes und unerlaubtes Handeln traditionellerweise klar unterschieden werden können. So kommt es, dass vermehrt Menschen, die in sich selbst zu wenig gefestigt sind, um von unrechtem Tun aus eigenem Ermessen und aus eigener Kraft abzusehen – vor allem junge Menschen-, nur noch das eigene Überleben und den eigenen Vorteil im Auge haben und sich kaum mehr um Gebote und Verbote scheren. Wir müssen mit der Tatsache leben lernen, dass solche Konflikte auch zum “normalen” schweizerischen Alltag gehören, dass sie mit der schwierigen Vielschichtigkeit einer gelebten Asylpolitik einhergehen.
Vergehen und Verbrechen werden geahndet
Wird in einer Gesellschaft das alltägliche Leben und Überleben nicht mehr durch Anstand und Befolgung der Gesetze gewährleistet, sondern vor allem durch Gewalt, Rohheit und List, werden die einen Menschen zu Opfern dieser Verhältnisse; die – anderen passen sich den Regeln des herrschenden Faustrechts an. Das heisst, dass diese – nach Masstäben des Gesetzes und der traditionellen Moral-, kriminell werden. Wenn wundert es, dass sich unter die Hunderttausende, die Gewalt und materielles Elend fliehen, auch solche Menschen mischen?
Asylsuchende, die kleinere oder grössere Diebstähle begehen, die mit Drogen dealen, die sich an Frauen vergehen oder andere, zum Teil schwerwiegende Delikte zu verantworten haben, werden – wie Einheimische – nach schweizerischem Strafgesetz bestraft. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass ihnen ihre Vergehen oder Verbrechen nachgewiesen werden können. Sie “einfach” auszuweisen, wäre falsch (obwohl dies nach schweizerischem Asylgesetz in bestimmten gravierenden Fällen möglich wäre, ausser wenn sie dadurch an Leib und Leben gefährdet würden), weil sie so straffrei davonkämen. Ob ausser Haft und Gefängnis eine andere Form der Internierung zulässig und sinnvoll wäre, wird von den eidgenössischen Behörden geprüft.
Gegenseitigkeit von Pflichten und Rechten
Eine der wichtigsten Voraussetzungen für ein friedliches Zusammenleben auch unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen – zum Beispiel von Einheimischen und von Asylsuchenden (oder anderen Ausländerinnen und Ausländern) – ist ein annäherndes Gleichgewicht der Rechte und Pflichten. Wenn es unsere Pflicht ist, im Rahmen unserer Möglichkeiten Menschen, die in Not sind, vorübergehendes oder dauerndes Asyl zu gewähren und dabei deren kulturelle Eigenart zu respektieren, haben wir zugleich das Recht zu erwarten, dass unsere eigenen kulturellen Werte geachtet werden. Das heisst, dass auch die Fremden uns gegenüber Pflichten haben. Dabei gilt es nicht zu vergessen, dass wir einander gegenseitig als Fremde erscheinen – sie uns, nicht anders als wir ihnen. Ängste, die mit dieser gegenseitigen Wahrnehmung des Fremdseins einhergehen, können nur abgebaut werden, wenn Gelegenheiten des Kennenlernens und des Austauschs geschaffen und benützt werden, ob im Rahmen von Familieneinladungen, von öffentlichen Festen, von Aussprachen, von Quartier- oder Müttertreffs oder ähnlichem. Davor braucht niemand Angst zu haben, im Gegenteil.
Immer mehr Menschen unterwegs?
Wir dürfen vor der Tatsache nicht die Augen verschliessen, dass immer mehr Menschen unterwegs seinwerden, zwischen ihrer Heimat, die sie verlassen haben, weil das Leben · dort aus gewichtigen Gründen unerträglich wurde, und irgendwo. Aus Ländern, in denen materielles Elend und Hunger sie zum Aufbruch zwingen, ziehen sie in reichere Länder, wo sie für sich und ihre Kinder ein wenig Wohlergehen erhoffen. Aus Ländern, in denen Gewalt, Krieg und Verfolgung sie vertreiben, möchten sie in sichere Länder gelangen, wo sie in Frieden zu leben wünschen, bis sie in ihre angestammten Wohngebiete zurückkehren können.
Es gibt keine einfachen Rezepte, um diese grossen Wanderbewegungen von Entwurzelten und Vertriebenen zu stoppen. Langfristig aber gibt es Möglichkeiten, sie zu verringern. Darunter ist eine der wichtigsten, die Wirtschaftspolitik weltweit so zu verändern, dass in allen Regionen dieser Erde ein Gleichgewicht der Rechte und Pflichten, eine gerechte Verteilung der Arbeits-, Einkommens- und Überlebenschancen entstehen kann. Dies könnte für uns heissen, dass wir selbst ein wenig ärmer würden, dass wir zum Beispiel für Importgüter höhere Preise bezahlen müssten, dass wir sparsamer werden müssten und weniger Güter verschwenden dürften. Gemessen an der Tatsache, dass ungezählte Menschen ihre Heimat nicht zu verlassen brauchten und nicht anderswo anklopfen müssten, wären dies geringe Opfer.
und Über Fremdenhass und Überdruss mit den Hilfswerken – “Ihr hienderlistigen Hilfsorganisations-Brüder u. Tanten, die ihr alle Schmarodser hereinlässt” – Artikel publieziert am 29. Oktober 1992 in nicht mehr eruierbrer Zeitung: