Statistisch gibt es keine Widereinsteiger – Über die Schwierigkeit der Frauen, wieder erwerbstätig zu werden
Statistisch gibt es keine Widereinsteiger –
Über die Schwierigkeit der Frauen, wieder erwerbstätig zu werden
Angesichts zunehmender Arbeits- und Stellenknappheit ist es für Frauen doppelt schwer, nach der sogenannten “Familienphase” den beruflichen Wiedereinstieg zu schaffen. Ein eben erschienener “Wegweiser” (*) gibt Ratschläge – nicht nur den Frauen selbst, sondern auch den Betriebs- und Personalchefs.
Hartnäckig hält unsere Gesellschaft an den traditionellen Rollenverteilungen fest: Die Frau gehört zu den Kindern und an den Herd, der Mann soll “draussen” Karriere machen. “Drinnen” und “draussen” entsprechen auch heute noch Geschlechterclichés, Sie widerspiegeln sich in der Wahl, Länge und Besonderheit der Ausbildung, bei den Frauen- und Männeranteilen in den verschiedenen Berufs-, Hierarchie- und Lohngruppen sowie in der Tatsache, dass eben nur Frauen aus Familiengründen ihre Erwerbstätigkeit unterbrechen und daher in einem späteren Lebensabschnitt zu “Wiedereinsteigerinnen” werden.
Die Realität unserer Gesellschaft weicht von den traditionellen Rollenvorstellungen allerdings längst ab: ein Drittel aller Ehen wird in der Schweiz geschieden, die Zahl der alleinstehenden Frauen nimmt ständig zu, ebenso die Zahl der arbeitssuchenden Frauen. Nach der Schweizerischen Arbeitskräfteerhebung (SAKE) waren es im 2. Quartal 1991 rund 40’000 Frauen, die sich entweder bei einem Arbeitsamt gemeldet hatten oder sich selbständig um eine Anstellung bemühten. Doch zu den mit Frauen(haus)arbeit verbundenen Ungerechtigkeiten gehört, dass Wiedereinsteigeritnen nicht das Recht haben, dabei die Leistungen der Arbeitslosenversicherung für sich in Anspruch zu nehmen, da sie aus nichtentlöhnter Arbeit heraus sich auf Stellensuche begeben. Das Büro für Gleichstellung in Zürich fordert daher, dass Wiedereinsteigerinnen den Erwerbslosen gleichzustellen seien, dass sie das Recht.haben sollen, zu stempeln und Arbeitslosengelder zu beziehen sowie Umschulungs-, Zusatzausbildungs- und Einarbeitungsmassnahmen beanspruchen zu können. Auch wenn in unserer Gesellschaft vorausgesetzt wird, dass Hausfrauen-, Erziehungs- und Betreuungsarbeit “aus Liebe” (und daher gratis) gemacht werde, wurden in der BRD schon 1975 dafür die folgenden monatlichen “Lohnansätze” errechnet:
Für Familie ohne Kinder DM 2672.-
Für Familie mit 1 Kind DM 4407.-
Für Familie mit 2 Kindern DM 5093.-
Für Familie mit 3 Kindern DM· 534 7. –
Für Familie mit 4 Kindern DM 6230. –
Heute (und hier in der Schweiz) wären die Ansätze entsprechend höher!
Gerade die Forderung nach einer Zusatzausbildung entspricht dem dringenden Bedürfnis einer grossen Anzahl Frauen, die feststellen müssen, -dass die Ausbildung, die sie einst in Hinblick auf eine baldige Heirat gemacht hatten, sie weder befriedigen noch erhalten kann. Das erstaunt nicht: Laut einer Erbung des Eidgenössischen Gleichstellungsbüros von 1991 arbeiten 32 % der erwerbstätigen Frauen in unteren Lohnarbeitstufen, 42 % sind Angestellte oder gehören zum mittleren Kader, 24 % sind kleine Selbständige und lediglich 2 % sind Führungskräfte oder werden zum höheren Kader gerechnet. Dabei findet sich der weitaus grösste Anteil von erwerbstätigen Frauen – 71 % – im Pflegesektor. Im Gastgewerbe machen die Frauen 67 % aus, in Unterricht und Fürsorge 54 % . In der Wissenschaft belegen sie gerade 27 % , in technischen Berufen sogar nur 11 % . Das erstaunt weiter nicht, vergleicht man die prozentualen Anteile von Mädchen in den verschiedenen höheren Schulen. In den mathematisch-naturwissenschaftlichen Gymnasien der Stadt Zürich fanden sich, zum Beispiel, 1991 lediglich 2 % Mädchen, bei den Kindergärtnerinnen- und Diplomhandelsschulen im gleichen Jahr jedoch 99 % . Auf der “Hitliste” der weiblichen Erwerbstätigkeiten steht zuoberst die kaufmännische Angestellte.
Nun aber haben Frauen während ihrer Tätigkeit für Familie und Haushalt sich in den meisten Fällen eine Fülle zusätzlicher Fertigkeiten, Kompetenzen und Stärken angeeignet. Man könnte sagen, dass im Zusammenhang des Wiedereinstiegs die ursprüngliche Tätigkeit fast weniger wichtig ist als die lange Einübung und Bewährung, für andere auf zuverlässigste und vielfältigste Weise Verantwortung zu übernehmen. Kein Wunder, dass in den meisten Firmen, die Erfahrung mit der Einstellung von Wiedereinsteigerinnen haben, gerade Ausdauer, Zuverlässigkeit, Flexibilität, Problemlösungsfähigkeit und Geduld ihrer Angestellten gerühmt werden. Allerdings setzt die für beide Seiten befriedigende Zusammenarbeit eine gründliche und sachkundige Einführung in die neue Arbeit voraus, eventuell auch die Möglichkeit der Weiterbildung.
(*) Zusätzliche Informationen in der Broschüre: Angela Grosso Ciponte. Wo ist der Wiedereinstieg? Ein Wegweiser zum beruflichen Wiedereinstieg von Frauen. Hrsg. Büro für Gleichstellung von Frau und Mann der Stadt Zürich. efef-Verlag, Zürich 1992.
Hierzu von Interesse: “Die Gleichstellung der Frau kann nicht mit Gesetzen erreicht werden” – Max Fritz, Sekretär des Zentralverbandes Schweizerischer Arbeitgeber-Organisationen über Lohngleichheit, Gerechtigkeit im Wirtschaftsleben und Aufstiegschancen der Frauen. Artikel im Cash vom 14. Februar 1992