Alle anders – Alle gleich – Politik und Praxis gegen Rassismus – Nationale Konferenz ETH-Zentrum Zürich – 21. März 2001

Alle anders – Alle gleich

Politik und Praxis gegen Rassismus

Nationale Konferenz ETH-Zentrum Zürich  –  21. März 2001

 

Referat

 

Rassismus in den Köpfen „oben“ und „unten“, in den Medien, in den Gesetzen:

Wie kann ein emanzipatorischer Gegenentwurf politisch umgesetzt werden?

und

Über das Recht, Rechte zu haben[1]

 

Es ist mir eine Ehre, den Workshop über die politische Verantwortung in der praktischen Umsetzung des Anti-Rassismusgesetzes leiten zu dürfen. Ich übe kein politisches Amt aus, empfinde jedoch eine starke politische Mitverantwortung, in meiner beruflichen Tätigkeit wie in den gesellschaftlichen Aufgaben. Als Philosophin habe ich zugleich gesellschaftsanalytische Pflichten, und als Psychoanalytikerin traumatherapeutische Aufgaben. In Vorträgen, Vorlesungen, öffentlichen Diskussionen und Publikationen (Forum gegen Rassismus, Abstimmungen, MOMA etc.etc.) geht es in starkem Mass um die Aufarbeitung der Ursachen und der Folgen von Fremdenfeindlichkeit und Rassismus; im psychoanalytischen Bereich um die Heilung der Entwertungs- und Leidensfolgen von Menschen, die hier in die Schweiz mit dem Gesuch um Asyl gelangen, um psychisch schwer leidende Kinder und Frauen, Jugendliche und Männer, die durch Notzustände und Gewalt, durch Rechtlosigkeit und Erniedrigung psychisch traumatisiert wurden und die infolge der politischen Bedingungen hier in der Schweiz retraumatisiert werden.

Worum geht es? Ich habe vier Hauptfragen entworfen, in welchen ich schwerwiegende Mängel aufliste, die durch die Nichtübereinstimmung der politisch bedingten Realität mit dem in der schweizerischen Verfassung festgehaltenen menschenrechtlichen Antirassismusverbot zur politischen Aufgabe werden – einer Aufgabe der Korrektur der Lebensbedingungen von Menschen, die u.a. unter den Folgen der bundesrätlichen Bestimmungen (s. Botschaft des Bundesrates vom 4. 12. 1995) zu Gewaltopfern entwürdigender kantonaler Minimalbehandlung werden. Diese Bestimmungen sind die Folge von verhärteten rassistischen Tendenzen, die sich in allen gesellschaftlichen Zusammenhängen auswirken und durch welche sich eine immer stärkere Diskrepanz der Lebensbedingungen von Menschen ergibt, je nach Status, Geschlecht und finanziellen Handlungsmöglichkeiten. Zu allen vier Punkten kann ich Geschichten erzählen, welche die Dringlichkeit einer Korrektur deutlich machen.

 

(Eingehen auf den Fragenkatalog: zuerst auf den Politikbegriff, dann auf die Frage).

 

Vieles ist seit der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948, durch welche jede Art und Umsetzung von Rassismus als menschlich verachtend als gesellschaftlich destruktiv deklariert wurde, durch ethnische, religiös fundamentalistische und nationalistische Ideologien und deren politisch gesteuerte Umsetzung geschehen: sich zuspitzende Verfolgungen, dann durch Kriege innerhalb von Nationen, zusätzlich durch nicht abbrechende Wirtschaftskriege, deren Opfer wiederum wegen rassistisch bedingter Minderwertdefinitionen geschaffen und marginalisiert werden.. Millionen von Menschen wurden durch andere Menschen als lebensunwert, oder als belastende, nutzlose Überflüssige erklärt. Die rassistisch bedingten Schadenfolgen sind durch keine materiellen Reparaturleistungen wieder gutzumachen, zumal die Haltung der Menschenverachtung fortbesteht.

Dass die rassistisch bedingte Diskriminierung von Menschen fortbesteht und sich auf skrupellose Weise weiter durchsetzt, ist eine verhängnisvolle Entwicklung. Der ursprüngliche Sinn des Gesellschaftsvertrags, der in allen Verhältnissen und Beziehungen, bis in die privaten Beziehungen hinein, gewirkt hat, ist abhanden gekommen. Er bestand in einem komplementären Solidarverhältnis zwischen den Verschiedenen, die zusammenleben, zum Zweck der Vereinbarkeit der Verschiedenheit mit der Gleichheit des Menschseins, mit der gleichen menschlichen Bedürftigkeit in Hinblick auf die Erfüllung der Grundbedürfnisse und der gleichen Anerkennung der Grundrechte. Die Zerstörung des Gesellschaftsvertrags ist das Ergebnis der menschenverachtenden Zuspitzung des Kapitalismus mit der damit zusammenhängenden, sich in allen Gebieten durchsetzenden Deregulierung aller politischen und gesellschaftlichen Handlungs- und Vertragsregeln durch die Wirtschaft, sodann der ethnizistisch begründeten faschistischen Herrschaft in den totalitären Systemen dieses Jahrhunderts.

Auch in der Schweiz wird mit der Deregulierung die wichtigste ethische Verpflichtung des „Gesellschaftsvertrags“, der sich seit der Französischen Revolution zu entwickeln begann (cf. Emmanual Joseph Sieyes, Jean-Jacques Rousseau, Immanuel Kant, Olympe de Gouges, Flora Tristan, Rosa Luxemburg u.v.a.m.) gebrochen und für überholt erklärt, nämlich die verfassungsmässig verpflichtende Rücksicht auf die Schwächeren, ja die Haftung der Starken für die weniger Tüchtigen, für die Gebrechlichen, für die Kinder und die Alten, auch für die Fremden und Asylsuchenden, mithin für den Respekt des Gastrechts. Damit geht nicht nur jeder Anstand verloren, nicht nur jede zivile Kultur, sondern die Demokratie ist zutiefst gefährdet.

Die Frage, die sich stellt, ist, wie die “kritische Kraft des Denkens” heute eingesetzt werden soll, damit Menschen nicht länger als minderwertig oder als unnütz, als überflüssig erklärt werden können. Die Beantwortung der Frage kann nicht innerhalb des Systems gefunden werden, sondern muss das System überhaupt in Frage stellen. Es bedarf einer Systemveränderung führen. Ein System, welches Menschen für überflüssig erklärt, ist, gemäss Hannah Arendt, ein totalitäres System. Da heute sowohl das gemeinsame Machtspiel ethnizistisch-nationalistischer und fundamentalistisch-religiöser Ideologien wie die kapitalistischen Gewinntheorien der Wirtschaft dieses totalitäre System darstellen, muss die Veränderung vom Politischen, von einem politischen Willen und einer politischen Kultur herkommen.

Wenn die “kritische Kraft des Denkens” das Potential des Widerstandes gegen destruktive Tendenzen und gegen machtmissbrauch darstellt, so vermag eine andere Kraft, über die wir verfügen und die ich die “kreative Vernunft” nenne, konstruktive Gegenmodelle zu entwerfen und zu deren politischen Durchsetzung zu führen. Die “kreative Vernunft” mag das Potential des Kant’schen “Selberdenkens” ausmachen, sie mag der Ort des Muts sein, des Handelns-trotz, der Innovation. In religiösen Termini mag sie der Ort der tätigen Hoffnung sein. Ganz konkret: Die “kreative Vernunft” könnte sich im Entschluss zeigen, den Gesellschaftsvertrag wiederherzustellen: ein Entschluss, den viele teilen, für den sich wachsende, für einander und unter einander verantwortliche Koalitionen bilden, der mit in den öffentlichen Raum eintreten könnte und dadurch zu einer politischen Kraft würde.

Dies ist ein grosses politisches Projekt. Es bedarf des Zusammenschlusses all jener, die nicht länger in Wut oder in Ohnmacht, in Frustration oder in stummer Anpassung passiv zusehen und leiden wollen, sondern die sich ihr Recht, die Rechte der Diskriminierten zu erkämpfen, als Handelnde umsetzen. Innerhalb des grossen Projekts der Menschenrechte, die nach den extremsten Zuspitzungen der Menschenverachtung verkündet wurden, bedarf es vieler spezifischer Einzelprojekte, die sich mit der Zeit zusammenfügen wie die einzelnen Teile einer komplizierten Architektur, zum Beispiel wie schon in den frühen Siebzigerjahre, als selbstverwaltete Produktionsprojekte im Zusammenschluss von Stärkeren und Schwächeren, von Älteren und Jüngeren, von Einheimischen und Ausländern zustandekamen, analog zu den vielen Projekten von Frauen, die zum Beispiel in Burkina Faso oder in Somaliland oder in Nicaragua oder anderswo zu bewundern sind. Es mag nun endlich an der Zeit sein, dass das Vorbild der solidarischen Modelle des Zusammenlebens auch in der von Macht- und Unterwerfungshunger geleiteten aktuellen Schweiz aufgenommen und nachgeahmt wird.

Die Realisierung der solidarischen Gleichberechtigung von Menschen, unabhängig von deren Herkunftsdifferenz, würde vorweg eine durch Übereinkunft entstehende Ethik als praktizierte Theorie des besser gelingenden Lebens bedeuten. Gegen die partikuläre Verteidigung der nationalen, wirtschaftlichen oder religiösen Gewinnmaximierung liesse sich eine Theorie der Fairness, der praktizierten Gerechtigkeit (John Rawls), eine praktizierte Theorie des je individuellen, jedoch des gleichen unaustauschbaren Lebenswerts aller Menschen stellen, die zusammenleben: eines aktiv gelebten Lebens, unabhängig von den verfügbaren Herkunftspapieren und Kräften, von Alter, Religion, Hautfarbe und Geschlecht, eines Lebens, in welchem Menschsein wieder zum Wohlempfinden würde, Anderssein nicht mehr zum Stigma der Unnützerklärung, der Unterdrückung und Ausschaffung.

Eine je individuelle Zusage zur angemessenen Partizipation aller am Zustandekommen der politischen, gesellschaftlichen, kulturellen und wirtschaftlichen Entwicklungen und Verwirklichungen muss garantiert sein (auch in Hinblick auf die Reinvestition des gesellschaftlichen Mehrwerts, in welchem Verpflichtungen prinzipiell zwar reziprok, jedoch in erster Linie von oben nach unten), in welcher Rechte und Grundbedürfnisse unabhängig von Leistungen auf inkonditionale Weise erfüllt werden, in welchem Beziehungen wieder den Wert des gelebten und geteilten Projekts bekommen. So könnten die Kinder angstfrei ins Leben hineinwachsen, die Frauen müssten nicht mehr bis zur Erschöpfung um die Anerkennung ihrer gleichen Rechte kämpfen, die Starken könnten getrost auch einmal schwach oder krank oder gar alt werden dürfen, d.h. all diejenigen, die sich als die Schwächeren oder Geschwächte empfinden, könnten sich stärken in der Gewissheit, irgendwo einen Platz und eine Anerkennung zu finden. Dies ist keine Utopie, dies ist ein dringliches Projekt. Es ist dringlich wegen des ängstigenden Zustands unserer demokratischen Kultur, es ist dringlich wegen der vielen Menschen, die das Leiden ob der menschenrechtlichen Demütigungen, der auferlegten Passivität und der konstanten Angst vor Ausschaffung nicht mehr ertragen.

Zu dessen Verwirklichung bedarf es der nicht ermüdenden kreativen Vernunft, über die wir alle verfügen. Rechte beruhen auf der Tatsache, dass Menschen in Beziehungen leben. Durch die Gegenseitigkeit ihrer Anerkennung als Mensch kommt ihnen das Recht zu, Rechte zu haben (Hannah Arendt). Verletzung, Missachtung und gewaltsame Zerstörung der menschlichen Beziehungen sind immer auch schwerwiegende Verletzungen der menschlichen Person.

An die 30 Millionen Menschen sind heute wegen Krieg, Bürgerkrieg, ethnisch, rassistisch oder religiös motivierter Gewalt als Vertriebene und Flüchtlinge irgendwo, auch hier in der Schweiz, unterwegs, werden aus Aufnahmestaaten wieder weitergeschoben, weiterdeportiert, in die Herkunftsländer zurückgeschafft, in denen sie nicht leben können. Weit über 700 Millionen Menschen sind weltweit erwerbslos und leben in grosser Armut, ein grosser Anteil von ihnen ohne Bildung und ohne Obdach. Hunger, Kindersterblichkeit, Kinderarbeit und Kinderprostitution nehmen weltweit weiterhin zu, die Frauenrechte werden mit Füssen getreten. Gewalt gegen Frauen, Kinder und Ausländer/Ausländerinnen, strukturelle Gewalt gegen sog. körperlich und geistig Behinderte sind scheinbar mit demokratischer Rechtsstaatlichkeit verträglich. Und dies, obwohl in den letzten 50 Jahren weit über 70 Menschenrechtspakte, -übereinkommen und -erklärungen ausformuliert  und von den meisten Staaten der Erde ratifiziert wurden, auch von jenen, in welchen offiziell begangene Menschenrechtsverbrechen zur Tagesordnung gehören. Was fällt bei dieser Summierung von offiziell begangenem oder geduldeten Terror und Schrecken ein? Hat die Menschenrechtsdeklaration von 1948 überhaupt etwas verändert in der Bilanz des Schreckens, den Menschen anderen Menschen antun? – Die Frage stellt sich, ob in Ländern, die systematisch die MR verletzen, diese mit Gewalt  – z.B. durch ausländische Intervention – durchgesetzt werden dürfen.

Die Schweiz war bekannterweise lange nicht Mitglied der UNO. Bei Abstimmungen hat immer wieder eine Mehrheit der Stimmbürger eine Ablehnung des Beitritts durchgesetzt. Die Schweiz hatte trotzdem einige der UNO-Pakte ratifiziert, etwa 1994 das Internationale Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung von 1966, wenngleich mit einer hauchdünnen Mehrheit. Obwohl nun die sog. Antirassismusnorm sowohl in der Verfassung wie im Strafgesetz verankert ist, erfolgt kaum eine offizielle Ahndung rassistischer Delikte. Oder das Übereinkommen über die Rechte des Kindes von 1989 wurde erst gegen Ende der 90r Jahre ratifiziert. Andere Pakte, zum Beispiel den sog. „Sozialpakt“ von 1966, hat die Schweiz noch immer nicht ratifiziert. Was bedeutet die zögerliche, ja ablehnende Haltung der Schweiz, die so laut auf ihre Rechtsstaatlichkeit pocht, in Bezug auf die Ratifikation, resp. auf die Bereitschaft zur Durchsetzung der Menschenrechtsabkommen? Inwiefern stimmt die Gesetzesrealität mit den Internationalen Übereinkommen oder mit den Verfassungsgrundsätzen überein (gerade hinsichtlich der Genfer Flüchtlingskonvention von 1956 oder der Europäischen Menschenrechtskonvention EMRK von 1950/51)?

Internationale Übereinkommen, welche die Schweiz ratifiziert hat, verletzt sie auf beschämende Art, so gerade durch die Ausschaffungspraxis von Flüchtlingen oder durch entwürdigende, von Feindseligkeit, Dissuasionsgeist und Minimalismus geprägte Aufnahme- und Unterbringungspraxis (grösste Einschränkung der Bewegungsfreiheit, keine Betätigungsmöglickeit, knappste Versorgung mit Geld, häufig monatelang keine Einschulung der Kinder etc.), keine persönliche Wahlmöglichkeit von Ärztinnen oder Ärzten.

  • Es ist ethisch unzulässig, auf Verfassungsebene den Flüchtlingsbegriff zu verändern, und es ist unzulässig, auf Gesetzesebene Dringlichkeitsmassnahmen einzuführen, bevor die in Gang befindliche Asylgesetzrevision verabschiedet ist,
  • (2) Es ist ethisch unzulässig, eine Unrechtspraxis (Wegweisung resp. Ausschaffung von Asylsuchenden ohne Papiere, Ansetzung einer viel zu kurzen Frist, Nicht-Berücksichtigung der psychischen Faktoren von Angst, Scham und Stress, sowie sowie der Unkenntnis unseres Rechtssystems, häufig auch unserer Nationalsprachen) zur Rechtfertigung eines Unrechtgesetzes zu benutzen.

(3) Es ist ethisch unzulässig, dass auf Grund einer nationalistischen Misstrauenshaltung sowie  parteipartikulärer Willkür der SVP Menschen in die totale Rechtlosigkeit getrieben werden können, sodass ihnen nicht einmal das minimalste Recht der Anhörung gewährt werden soll.

(4) Es ist ethisch unzulässig, anstelle eines Asylverfahren ein Wegweisungsverfahren zur Regel zu machen.

Sogenannte “echte” Flüchtinge fallen zumeist unter die Illegalitätsklausel, da sie auf Grund der repressiven politischen Situation in ihrem Herkunftsland gar nicht in der Lage sind, sich ordentliche Papiere zu beschaffen (z.B. Kurdinnen und Kurden, Kosovo-Albanerinnen und -Albaner, Flüchtlinge aus bestimmten afrikanischen Ländern, viele tamilische Flüchtlinge aus Sri Lanka etc.). Insbesondere Frauen verfügen häufig über keine eigenen Dokumente, doch sollten sie über solche verfügen, wird ihnen dies häufig von unseren Behörden wieder als Beweis der Unglaubwürdigkeit von Verfolgung, Bedrohung und Not vorgehalten, So kommt es, dass „keine Papiere“ und „Papiere“ ein Wegweisungsgrund sein können. (Immer schon. Jene Menschen, die zum Beispiel der 1992 rehabilitierte ehemalige St.Galler Polizeihauptmann Paul Grüninger gerettet hatte, waren “illegale” Flüchtlinge).

Es ist ethisch unzulässig, dass ein rein formaler Begriff – “Illegalität” oder “Papierlosigkeit” – eine grundlegende inhaltliche Rechtsveränderung bewirken könnte, resp. die totale Entrechtung und damit eine extreme Diskriminierung von Menschen. Die Aufhebung eines inhaltlich erstrangigen Rechtsguts – der personale Schutz und die Integrität  des Menschen, unabhängig von Herkunft und Pass – würde damit auf Verfassungsebene legitimiert. Ich bin dr Meinung, dass diese Diskriminierung der Antirassismus-Konvention widerspricht.

Es gibt eine einfache Regel des politischen Anstands, welcher der menschenrechtlichen Ethik entspricht, die sagt: Der Staat (oder der Kanton, welchem ein Mensch zugeteilt wurde) hat die ethisch begründete, nie und in keinem Kanton in Frage zu stellende Pflicht, Menschen, die als gewaltverletzte, kriegstraumatisierte Flüchtlinge in die Schweiz kommen, vor weiteren Traumatisierungen zu schützen und ihnen mit Hilfe einer definitiven Aufnahme und Weiterentwicklung Sicherheit zu gewähren.

Eine letzte Frage betrifft die Behauptung, wir seien am Ende der Ideologien angelangt. Ist jedoch nicht gerade die überall aufkeimende und mit Gewalt durchgesetzte Ethnisierung eine der gefährlichsten Gegenbewegungen zum friedlichen Kampf um eine universale Umsetzung der Menschenrechte? Wie viel klingt davon in den Slogans von Rechtsaussen nach, die „Schweiz gehöre den Schweizern“? Wie kann der weit verbreiteten Angst um den Verlust des herkömmlichen Eigenen in Kultur und Tradition entgegengewirkt werden, ohne dass sich neue Feindbilder, Ausgrenzungen, ja blutige Vernichtungsaktionen der Anderen durchsetzen? Mit anderen Worten: Wie können die Menschenrechte, dreiundfünfzig Jahre nach ihrer Verkündigung, endlich zu einem weltweiten Instrument des Friedens werden? Genügt die im vergangenen Jahr zustande gekommene Deklaration der Europakonferenz? Bedarf es einer verstärkten regionalen und nationalstaatlichen Möglichkeit, MR-Verletzungen, resp. die Nicht-Erfülllung der MR einzuklagen? (Das wurde schon seit Jahren angestrebt: Erfolgte Regionalisierungen: EMRK von 1950/51; Amerikanische MR-Konvention von 1969; Afrikanische Charta der MR und der Rechte der Völker von 1986, mit der Gründung einer damit verbundenen Kommission für MR 1987).

Erneut die Frage: Und hier in der Schweiz? Was lässt sich durch politische Massnahmen tun? Wie wird es möglich, gegen die sich immer stärker durchsetzenden rassistischen Rechtstendenzen kritische Urteilskraft aufzubauen, verführerische Propaganda zu hinterfragen, die Vorstellungskraft zu trainieren, d.h. sich an Stelle derjenigen Menschen zu setzen, um die es beim Abbau von Rechten geht? Es ist wichtig, Koalitionen einzugehen mit Menschen, die ebenfalls für eine tatsächliche Umsetzung der Menschenrechte kämpfen, vor allem für das Recht, dass Menschen verschieden sein dürfen, und trotzdem den gleichen Anspruch auf Persönlichkeitsrechte, Sozialrechte, politische Mitbestimmungsrechte, kurz auf ein würdiges angstfreies Leben haben. Es ist wichtig, die Übereinstimmung ethisch hoher antirassistischer Menschenrechtsdeklartionen wie jene der Europakonferenz des vergangenen Jahres mit der tatsächlichen gesellschaftlichen und politischen Realität hier in der Schweiz zu schaffen.

 

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