Macht kann zwischen Gut und Böse alles sein, eine Stärkung oder eine Gefährdung der einzelnen Menschen und der Demokratie

* Macht kann zwischen Gut und Böse alles sein, eine Stärkung oder eine Gefährdung der einzelnen Menschen und der Demokratie.

* Eine demokratische Gesellschaft ist nur so stark, wie ihre schwächsten Glieder es sind.

* Daher ist es eine dringliche politische Aufgabe, die Macht des Denkens und der Sprache zu benutzen, um die Rechtsaussenentwicklung abzubauen, der Fremdenfeindlichkeit und dem Antisemitismus entgegenzuwirken und gegen die herabsetzende Verarmung und den gesellschaftlichen Ausschluss eines zunehmenden Teils der Bevölkerung zu kämpfen.

 

Während im nahen Ex-Jugoslawien von 1991 an Krieg und Gewalt tobten und das kulturell vielseitige Land zerstörten, Kosovo zusätzlich durch die im vergangenen Jahr einsetzenden Nato-Bombardierungen, setzte in der Schweiz wie in Österreich, in Deutschland, in Frankreich und in weiteren Ländern eine von Jahr zu Jahr zunehmend bedrohlichere Verhärtung und Verstärkung der politischen Rechtsaussenentwicklung ein. Im Lauf dieses Jahres spitzt sich diese Entwicklung noch mehr zu, in einer machtorientierten Rücksichtslosigkeit. All dies bedeutet einen gefährlichen Abbau demokratischer Kultur, politischer Gerechtigkeitsarbeit  und menschlichen Zusammenlebens.

Was bedeutet diese Entwicklung? Gibt es Möglichkeiten, sie zu verändern?

Die Ursachen der heutzutage ängstigenden Zuspitzungen sind vielfältig, deren Absichten sind die Machtgewinnung und Machtausübung, in Bezug auf die Entwicklung nichts Neues. Im Jahr 1944 schrieb der in die USA geflüchtete Theodor W. Adorno (in „Minima Moralia“ veröffentlicht), dass „der Blick auf mögliche Vorteile der Todfeind menschenwürdiger Beziehungen ist. Aus solchen Beziehungen können Solidarität und Füreinandereinstehen folgen, aber nie können sie aus Gedanken an praktische Zwecke entspringen“.

Es handelt sich bei der sich zuspitzenden Rechtsaussenpolitik um rücksichtlose „praktische Zwecke“. Deren Erfüllungsstreben zeigt sich in einer Gleichschaltung des Politischen mit gewinn- und marktsüchtigen Wirtschaftsunternehmen, mit einer damit verbundenen rücksichtslosen Wichtigtuerei der Anpassungs- und Gewinnvorteile, sodann mit den daraus folgenden, gegen Fremde sich steigernden Feindseligkeitsentscheiden. Auch geht die Erfüllungssucht „praktischer Zwecke“ einher mit dem in allen Ländern feststellbaren berechnenden Widerstand gegen die gründliche Aufarbeitung und Wiedergutmachung der menschenvernichtenden nationalsozialisten Herrschaft, hier in der Schweiz bezüglich der vielfachen, antisemitisch und wirtschaftlich gesteuerten Anpassungsblindheit, deren entsetzlichste Folgen die Wegweisungshärte jüdischen Verfolgten gegenüber ist. Dass sich diese Geschichte durch die aktuelle Macht- und Gewaltentwicklung von Rechtsaussen ohne eine gründliche Aufarbeitung in jeder Hinsicht wiederholen kann, insbesondere durch die überall  aufkeimende und mit lügnerischen Vorgaben oder gar mit Gewalt sich durchsetzende  Ethnisierung, versetzt ganz Europa in Gefahr. Ein Wissen um die verhängnisvolle aktuelle Entwicklung und Gegenbewegungen, die sich aus diesem Wissen verstärken, sind dringlich erfordert.

Es gibt für die notwendigen Gegenbewegungen geschichtliche Vorgaben. Noch während des vergangenen Kriegs setzten in vielen Ländern bedeutungsvolle politische Denkprozesse ein, die sich nach Kriegsschluss zum Teil umsetzten. Eine der konstruktivsten Resultate ist die 1948 zustandegekommene „Allgemeine Deklaration der Menschenrechte“ . Ich bin überzeugt, dass die Umsetzung der Menschenrechte im Sinn einer nicht missbrüchlichen Sicherheitspolitik eine Chance des guten, gerechten Zusammenlebens der vielfach unterschiedlichen, im Menschsein jedoch gleichen Menschen in jeder demokratisch strukturierten Nation sein könnte. Reale Verpflichtungen, die Menschenrechte einzuhalten,  fehlen jedoch noch in den meisten Ländern. Zwar gibt es über 70  Menschenrechtspakte und –übereinkommen, die von einzelnen Nationen ratifiziert wurden. Sie betreffen auf besondere Weise die Rechte bestimmter Gruppen des menschlichen Zusammenlebens, Kinder, Flüchtlinge, Fremde, Frauen, Arme etc., die dringend der Anerkennung und Durchsetzung der gleichen Rechte bedürfen, wie sie in vielen Fällen allein die Mächtigen besetzen. Aber selbst wenn einzelne Pakte durch Staaten ratifiziert wurden, zum Beispiel durch die Schweiz 1989 das Übereinkommen über die Rechte des Kindes oder 1994 das Internationale Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassismus, breiten sich rassistische, auch judenfeindliche Tendenzen aus, oder Kinder und Erwachsene aus Ländern der Not und der Gewalt, die auf irgend einem Weg in die Schweiz kamen, werden trotzdem ausgeschafft, entgegen deren Lebensmöglichkeit.

Es ist eine dringliche politische und kulturelle Aufgabe, dass die Menschenrechte, mehr als fünfzig Jahre nach ihrer Verkündigung, in den Nationen, die sich auf gefährliche Weise entwickeln,

  1. in rechtlicher und politischer Hinsicht eine verpflichtende Rolle einnehmen und
  2. auf verlässliche, verpflichtende Weise zu einem weltweiten Instrument des Friedens und des guten menschlichen Lebens werden.

Die Einhaltung und Umsetzung der Menschenrechte muss für Machtausübende verpflichtend werden, auch hier in der Schweiz. Damit dies zustandekommt, müssen wachsende denkerische und politische Koalitionen eingegangen werden innerhalb eines Landes wie innerhalb der verschiedenen Länder mit all denjenigen Menschen, denen die tatsächliche Umsetzung der Menschenrechte fehlt und die bereit sind, dafür in politischer Hinsicht zu kämpfen, vor allem für das Recht, dass Menschen verschieden sein dürfen und trotzdem den gleichen Anspruch auf alle Persönlichkeitsrechte, auf Respekt ihrer menschlichen Würde, ihrer Ausbildungs- und Handlungsmöglichkeiten, kurz auf ein angstfreies Leben haben. All dies muss als politische Aufgabe verstanden und umgesetzt werden.

Was ist die Bedeutung unserer Veranstaltung hier in Luzern, einer Gegenveranstaltung zu dem von der offiziellen Politik durchgeführten „Europa-Forum“, in welchem es insbesondere um militärisch abgestützte, asylfeindliche und armutverachtende Sicherheitspolitik geht? Als ich hierher kam, wurde mir einmal mehr klar, dass das, was zu den Bedürfnissen unseres gelebten Lebens gehört, nämlich die menschlichen, auch die politischen Mängel und Fehlentwicklungen zu klären und politische Gegenmodelle demokratischer Machtausübung zu entwickeln, in politischer Hinsicht unaufschiebbar ist. Es geht darum, den menschlichen Respekt sowie das gewaltfreie und notfreie Zusammenleben der Menschen, unabhängig von deren Herkunft, Sprache, Geschlecht, Alter und Religion, in einem politisch und kulturell so starken und stärkenden Mass zu fordern und zu fördern, damit die Rechtsaussenbewegungen zurückgehen und keine bedrohliche, ängstigende Macht mehr sein können.

 

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