Verschlungene Wege zurück, um den befreienden Weg zu finden nach vorn – Buchbesprechung Bettina Spoerri. Konzert für die Unerschrockenen. Roman. 2013 Wien, Verlag Braumüller

Verschlungene Wege zurück, um  den befreienden Weg zu finden nach vorn

Buchbesprechung Bettina Spoerri.  Konzert für die Unerschrockenen.  Roman.  2013 Wien, Verlag Braumüller

 

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Das Lesen eines guten  Romans ist wie das lange Gespräch mit Angehörigen oder mit Freundinnen, die nach langer Entfernung zurückkehren und zu erzählen beginnen.  Auf ähnliche Weise entwickelt sich bei der Lektüre erst eine zögernde Annäherung, die nach einigen Seiten in eine  Vertrautheit  übergeht, die überrascht und erstaunt,  manchmal ungehalten stimmt, manchmal so tief berührt, dass ein Innehalten, ein Zurücklesen und erst langsam ein Weiterlesen geschieht. Es ist  ein Aufnahmeprozess wie bei jeder echten Begegnung, der auf dem Erzählen und Zuhören beruht und zu einem Abschluss führt mit dem Wunsch einer baldigen neuen Begegnung.

Die Lektüre von Bettina Spoerris Roman hat diesen wunderbaren Duktus. Es geht dabei um die nahe Begleitung einer jungen Frau mit dem Namen Anna, die mit ihrem Ich beginnt, erst mit Scheu und Unsicherheit als Schwester eines Bruders, als Tochter eines Vaters, als Reisende unterwegs zu einem Begräbnis, allmählich mit wachsender Gelassenheit, die sich durch die verwinkelten Passagen der europäischen Geschichte bewegt, in denen sich Vertraute und Fremde aus drei oder vier Generationen kreuzen, aneinander stossen, verweilen und einander neu betrachten.  Es geschieht wenig und zugleich sehr viel auf verschiedenen Ebenen, die in der Gleichzeitigkeit der Ungleichzeitigkeit Annas eigene Geschichte, jene der persönlichen Kindheit wie jene des Bruders, jene der Eltern besser zu verstehen ermöglicht.  Durch die Geschichte der eben verstorbenen Grosstante  und jene ihrer Schwester, der Grossmutter, die schon länger nicht mehr lebt und die sich mit Hilfe der Lektüre zweier Tagebücher zu entwirren beginnt, wächst in Annas Händen zunehmend das Konzert der Furchtlosen und ihre eigene Geschichte rückt ins Licht des Verstehens.

Es ist ein wunderbar packendes, ergreifendes Buch, die Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen durch den Tagebuchrückblick und durch die zunehmend bewusstere Veränderung im Leben der Ich-Gestalt des Romans.  Mehrere Passagen berühren zutiefst  in ihrer Schlichtheit – die Versöhnung mit dem Bruder, die Versöhnung mit dem Vater, die Versöhnung Annas mit sich selber. Aus der Verstrickung des Ungeklärten und Nichtwählbaren öffnet sich über sie langsam ein Weg für jede Person im Zusammenspiel der Generationen: ein Weg  aus der Angst ins wachsende Vertrauen zum eigenen Lebenswert, damit aus der Einsamkeit in die Versöhnung.  Selbst die Tragik der Geschichte bedarf einer Akzeptanz, damit die Zustimmung zur Zukunft, zum Leben überhaut und zum Glück möglich werden kann.

 

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