Psychotraumatologische Therapie als Begleitweg zur persönlichen existentiellen Rehabilitation – Über die Grammatik des therapeutischen Dialogs

Psychotraumatologische Therapie als Begleitweg zur persönlichen existentiellen Rehabilitation

Über die Grammatik des therapeutischen Dialogs

 

Interdisziplinäre Weiterbildung Psychiatrische Klinik Burgdorf

Mitte März  2005

 

Zusammenfassung:

Psychische Störungen verursachen bei zahlreichen Frauen und Männern Verhinderungen der konstruktiven und sinnvollen praktischen Lebensgestaltung. Was sich durch Alkoholabhängigkeit oder andere Suchtproblematik äussert, durch konstante Beziehungsstörungen, durch mangelnde Kontrolle der Gewaltaffekte, durch Gesetzesüberschreitungen im materiellen Bereich oder im öffentlichen Verkehr, durch Arbeitsverhinderung infolge vielfacher körperlicher Beschwerden wie durch sich fortsetzende, mit Entmutigung und Entwertung verbundene Arbeitslosigkeit etc. – all diese Störungen sind verknüpft mit nicht verarbeiteten, leidvollen oder gar schwer traumatisierenden Kindheits- oder Jugenderfahrungen, die sich eventuell im Erwachsenenleben fortgesetzt haben.

Was ich auf Grund psychoanalytischer Untersuchungen und psychotherapeutischer Erfahrungen als hilflose, häufig tragische und gefährdende Fluchtversuche aus dem unerträglichen psychischen Leiden verstehe, wird von der Gesellschaft als störende oder nicht akzeptierbare Verhaltensformen von Menschen definiert, denen vor allem durch Strafverfahren, durch Einweisung in psychiatrische Kliniken oder gar in Gefängnisse begegnet wird. Meiner Erfahrung nach führt jedoch die Ausgrenzung aus dem gesellschaftlichen Alltagsleben weder zur Verbesserung der gesellschaftlichen Alltagssicherheit noch zur Verbesserung der schwierigen Persönlichkeitsstruktur. Psychopharmaka allein und Isolation führen nicht zu einer Verbesserung der Lebensmöglichkeit, sondern hemmen diese. Damit Menschen keiner Fluchtversuche mehr bedürfen, müssen sie sich in ihrer Leidensgeschichte verstanden fühlen, in ihrer Selbstbeziehung, d.h. in ihrem Ich-Wert gestärkt wie auch im Aufwecken und Umsetzen verborgener konstruktiver Lebenskräfte ermutigt fühlen.

Menschen, die in psychischer und somatischer Hinsicht unterstützungsbedürftig sind, bedürfen der sorgfältigen, konstruktiven Rehabilitation ins praktische Leben. „Rehabilitation“ bedeutet Rückgewinn der Fähigkeiten zur guten Lebensgestaltung. Rehabilitation ist allerdings nur realisierbar, wenn eine vielfältige, aufbauende Zusammenarbeit von PatientInnen und PsychotherapeutInnen möglich ist. Die wichtigsten Voraussetzungen, um diese Realität zu erreichen, sind verknüpft

–    mit einer Grammatik des therapeutischen Dialogs, welche den PatienInnen eine Erfahrung

des gleichen Subjektwertes ermöglicht, den die TherapeutInnen für sich beanspruchen;

  • mit Erfahrungen des persönlich stärkenden, nicht diskrimierenden und sichern Zusammenlebens geschlechtlich und hierarchisch, alters- und berufsmässig unterschiedlicher Menschen in der Klinik, ohne existentiell ängstigende Qualifikation als “psychisch Kranke”;
  • mit Angeboten sowohl psychoanalytisch-traumatherapeutischer Aufarbeitung schwerer psychischer und somatischer Belastungen wie beruflicher Ausbildung und Weiterbildung noch während des Klinikaufenthaltes, auch des Erkundens und Umsetzens von Sprachmöglichkeiten, künstlerischen Befähigungen, von körperlicher Arbeit und Alltagsverantwortung, letztlich des dadurch erfahrbaren Gefühls von persönlichem lebenswert und Freiheit, zusätzlich
  • beim Asutritt aus der Klinik mit sich verbessernden Beziehungs-, Arbeits- und Wohnmöglichkeiten. In jeder Hinsicht
  • mit dem Rückgewinn und Wiederaufbau der Sinnhaftigkeit des Lebens.

Wichtig erscheint mir, dass die von therapeutischer Seite her dringliche Ermöglichung der Rehabilitation psychisch krankner, unterstützungsbedürftiger Menschen von den zuständigen gesellschaftlichen Institutionen und deren administrativen Verantwortlichen im konstruktiven Sinn verstanden und unterstützt wird. Ich bin überzeugt, dass auf diese Weise eine grosse Anzahl tragischer Zuspitzungen menschlicher Schicksale und folgenschwerer Auswirkungen auf andere Menschen verhindert werden kann. Dies ist die eigentliche Bedeutung dessen, was unter existentieller Rehabilitation zu verstehen ist.

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